30 ist in Ordnung, Boss?

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Freitagvormittag in Bukarest. Ich möchte vom Steaua-Sportkomplex in Ghencea zum Rosetti-Platz im Stadtzentrum, so zügig wie es die hauptstädtischen Straßenverhältnisse zulassen. Doch weder vor dem Fußballstadion, noch an der Endhaltestelle der Straßenbahn warten Taxis. Eine Rufnummer habe ich gerade nicht zur Hand. Ich springe also in den erstbesten Bus und halte Ausschau, spätestens am Busbahnhof auf der Straße des 13. Septembers sollte schließlich ein Taxistand sein.

Im zähfließenden Verkehr komme ich mit dem Taxifahrer ins Gespräch. Ich erzähle, dass ich vorhabe, mit Freunden meinen Geburtstag zu feiern. Der Fahrer gratuliert mir und fragt, ob ich ihn nicht auf einen Saft einladen könnte. Ich grinse, gebe aber keine Antwort. Ich erwarte nicht, dass er eine Antwort erwartet. Wenig später fragt er nochmal, ob ich ihm denn wirklich keinen Saft ausgeben wolle. Ich sage nein. Ich kann aufdringliche Fahrer nicht ausstehen. Die Fahrt koste übrigens 30 Lei, heißt es plötzlich im Spaß, der sich nach Ernst anhört. Ich sage wieder nichts. Vom Haus des Volkes bis zum Ziel herrscht Schweigen zwischen uns.

Nach einer knappen halben Stunde Fahrt drücke ich dem Fahrer 15 Lei in die Hand, mit Trinkgeld versteht sich. Egal wie ungepflegt der Innenraum aussieht, welch grausamer Musikbeschallung man ausgesetzt ist oder eben wie aufdringlich ein Fahrer ist, am Ende wird Trinkgeld erwartet – von den Fahrern in Bukarest. Ich sollte es mir abgewöhnen. Die Tür hatte ich schon vor der Bezahlung geöffnet, aus eigener Erfahrung.

Meine Freunde warten bereits auf mich. Ihnen habe ich die Busverbindung aufgeschrieben sowie den Maximalpreis für eine Taxifahrt vom Flughafen in die Stadt. Am Ende haben sie sich für Uber entschieden, den amerikanischen Fahrdienstvermittler, der kein Taxiunternehmen sein will. Dazu mussten sie zwar mit dem Fahrer telefonieren, um seinen genauen Standort herauszufinden, denn direkt am Empfangsgebäude sind die Uber-Fahrer nicht gern gesehen. Entfallen ist dafür aber der Touristenaufschlag, denn die Smartphone-App zeigt den Endpreis schon vor Fahrtbeginn an, gezahlt wird via Kreditkarte.

Im Laufe des Wochenendes nutzen wir nur noch Uber. Wir fahren keine langen Strecken. Es geht vom armenischen Viertel zum Haus des Volkes oder in der Nacht von der Calea Victorei zurück in unser Apartment. Ein regulärer Taxifahrer würde diese Strecken niemals fahren, schon gar nicht in der Nacht und wenn, dann nur zu einem Festpreis von mindestens 20 Lei. Für eine Stadt mit einer Taxi-Mafia ist Uber ein Segen. Dabei sind Fahrten nicht einmal soviel günstiger als mit dem Taxi, bei korrekten Fahrern. Doch geht es ohne Umwege ans Ziel und man kann auch in der Nacht relativ kurze Strecken fahren. Für Ausländer fällt zudem die Sprachbarriere, denn der Fahrer sieht in der App, welche Strecke er zu fahren hat.

Gleichwohl scheiden sich an dem amerikanischen Unternehmen die Geister. Die Vorwürfe an Uber sind lang und beginnen bei der Frage, ob die Tätigkeit nicht illegal sei, da weder Fahrer noch das Unternehmen über Personenbeförderungslizenzen verfügen. Weitere Kritikpunkte betreffen das Einkommen, die Versicherung und die Steuerpflicht der Fahrer sowie die Arbeitsbedingungen und der Druck auf die Mitarbeiter. Weniger im Fokus der allgemeinen Erregung von Rom bis Bukarest steht die massive Datensammlung von Uber.

Für jeden Nutzer lassen sich Bewegungsprofile erstellen und die Kreditkarte gibt sogar Rückschluss auf die wahre Identität des Kunden, auch wenn dieser einen anderen Namen bei der Registrierung angegeben hat. Und hier liegt der wahre Wert des Unternehmens, welchen Investoren auf 50 Milliarden Euro schätzen. Schon 2014 veröffentliche Uber eine One-Night-Stand-Karte von sechs amerikanischen Großstädten. Dazu wurden die Personen gefiltert, die am Wochenende eine Fahrt zwischen 22 Uhr und 4 Uhr buchten sowie eine weitere Fahrt vier bis sechs Stunden später in einem Radius von etwa 160 Metern des Absetzungspunktes anforderten. Eine belächelte Spielerei, die allerdings einen Einblick in die Möglichkeiten der Datenauswertung gibt. Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass der Fahrdienstvermittler weiter wächst, trotz riesiger Verluste. Zahlreiche namhafte Konzerne haben in das Unternehmen bereits investiert.

Über die Datensammelwut von Uber mache ich mir am frühen Sonntagmorgen auf dem Weg in unser Apartment keine Gedanken, stattdessen wische ich auf dem Smartphone durch meine Facebook-Zeitleiste. Was mich hingegen beeindruckt, ist das saubere, aufgeräumte Fahrzeug und die bodenständige Freundlichkeit des Fahrers, der mich nicht als Boss bezeichnet.