90 Jahre Radio Rumänien

Jubiläumskonzert im Großen Saal des Rumänischen Rundfunks

Am 1. November 1928 strahlte die Rumänische Rundfunkgesellschaft ihre erste öffentliche Radiosendung in den Äther aus und läutete damit die Epoche des Hörfunks in Rumänien ein. Noch im selben Jahr gründete der rumänische Dirigent Mihail Jora das Nationale Rundfunkorchester, das seitdem das rumänische Musikleben bereichert und mitprägt.

Auf den Tag genau neunzig Jahre danach wurde dieses Ereignis mit einem Jubiläumskonzert des Nationalen Radioorchesters im Großen Saal des Rumänischen Rundfunks feierlich begangen. Die Zuhörer betraten das Foyer des Konzerthauses auf einem eigens zu diesem Anlass ausgerollten roten Teppich und wurden noch vor Beginn des Abendkonzertes mit der Vorstellung einer speziellen Sonderbriefmarke, philatelistisch Ersttagsblatt genannt, überrascht. Auf diesem Sonderpostwertzeichen mit dem Ausgabedatum 1. November 2018 finden sich die Porträts von Mihail Jora, Alfred Alessandrescu, Catinca Ralea, Eugen Preda, Paul Grigoriu und Florian Pittiș, von Persönlichkeiten des rumänischen Kulturlebens also, die allesamt Rundfunkgeschichte geschrieben haben.

Der erste Teil des selbstverständlich im Rundfunk übertragenen Jubiläumskonzertes unter der Leitung von Cristian Mandeal war vier Werken der Musik des 19. und 20. Jahrhunderts gewidmet. Eröffnet wurde das Jubiläumskonzert mit dem Orchesterwerk „Etos I“ des zeitgenössischen rumänischen Komponisten Adrian Pop, der bei der Aufführung seines 1976 entstandenen und 1983 in Bukarest publizierten einsätzigen Musikstücks auch anwesend war. Das Werk verbindet wogende Klangteppiche des gesamten Orchesters mit kammermusikalischen Miniaturen einzelner Instrumente, wobei der solistische Mittelteil dreier Perkussionisten (Holzblöcke, Pauke) besonders beeindruckte.

Es folgten drei Orchesterstücke mit Solovioline. Gastsolist war der als Konzertmeister des Königlichen Concertgebouw Orchesters Amsterdam wirkende Liviu Prunaru, der die Zuhörer mit den Klängen seiner Stradivarius „Pachoud“ aus dem Jahre 1694 verzauberte. Zunächst wurden zwei lyrische Stücke dargeboten: die „Meditation“ aus Jules Massenets Oper „Thaďs“, die in diesem selten gespielten Bühnenwerk als Zwischenmusik zwischen den beiden Bildern des zweiten Aktes ihren Platz hat; sowie die Melodie „Aprčs un ręve“ von Gabriel Fauré nach einem romantischen Liebesgedicht von Romain Bussine. Nach diesen beiden in Gefühlen schwelgenden Violinstücken mit Orchesterbegleitung brachte Liviu Prunaru gemeinsam mit dem Radioorchester Henryk Wieniawskis Polonaise brillante in A-Dur (op. 21) zu Gehör, ein hochvirtuoses Bravourstück, das der Solist mit stupender Technik und einem großen Spektrum klanglicher Finessen darbot. Das wild applaudierende Publikum wurde mit zwei es wieder beruhigenden Zugaben versöhnt: mit dem Satz „Tempo di borea“ aus Johann Sebastian Bachs erster Partita für Violine solo sowie mit der Wiederholung der Fauréschen Melodie „Aprčs un ręve“, diesmal in einer Version für Violine und Harfe.

Auch in der Konzertpause war dem Publikum etwas geboten. Im Foyer wurde das soeben im Bukarester Radiohaus-Verlag als CD erschienene Album „Radio Rumänien 90. Aufnahmen aus dem Musikarchiv des Rumänischen Rundfunks“ vorgestellt, in dem berühmte rumänische Dirigenten und Interpreten der Vokal- und Instrumentalmusik aus mehreren Generationen mit Einspielungen vertreten sind, darunter die Sopranistin Arta Florescu, der Tenor Valentin Teodorian, der Violinist Alexandru Tomescu oder Dirigenten wie Iosif Conta, Emanuel Elenescu, Carol Litvin oder Tiberiu Soare, die allesamt am Pult des Nationalen Rundfunkorchesters gewirkt haben.

Der zweite Teil des Bukarester Konzertabends war einem monumentalen Werk gewidmet, das neben einem großen Orchester auch mehrere Chöre und Gesangssolisten auf die Bühne bringt: Carl Orffs szenischer Kantate „Carmina Burana“, die im Jahre 1937 in der Oper zu Frankfurt am Main ihre Uraufführung erlebte. Unter dem nahezu tänzerischen Dirigat von Cristian Mandeal wurde das mächtige Chor- und Orchesterwerk im Bukarester Radio-saal zu einem überwältigenden sinnlichen Genuss.

Durch weiße, gelbe und rote Rosen, die während der Pause im Orchester verteilt worden waren und nun die Notenständer zierten, war das Publikum bereits auf den ersten Teil der Monumentalkantate, der das Erwachen des Frühlings und der Liebe zum Thema hat, eingestimmt worden. Eingerahmt vom mächtigen Chor, der das Wirken der Schicksalsgöttin Fortuna am Beginn und am Ende des Orffschen Werkes besingt, entrollte sich dann das musikalische Geschehen, das vor allem in der Interpretation des Baritons Sándor Balla auch mimische Dimensionen gewann, in epischer Breite: vom heiteren Gesicht des Frühlings und der alles erwärmenden Sonne über blühende Blumen und begrünten Wald bis zu den vom Tanzen und von aufgelegtem Rouge geröteten Wangen der Liebe ersehnenden jungen Mädchen.

Der zweite Teil „In taberna“ (In der Schenke) brachte nicht nur herrliche komödiantische Momente mit dem Bariton Sándor Balla, die auch den Dirigenten Cristian Mandeal zu erheitern schienen, sondern auch die wunderbare Schwan-Arie in hoher Lage, die vom Tenor [tefan von Korch grandios dargeboten wurde. Sie besingt das Schicksal eines Schwans, der, einstens Zierde des Sees, auf dem er dahinschwamm, nun, fein angebraten, den Gästen der Schenke zum Verzehr vorgesetzt wird.

Der fulminante Schlussteil „Cours d’amours“ (Hof der Liebesabenteuer), der neben der Sopranistin Diana }ugui und dem Akademischen Radiochor (Einstudierung: Ciprian Țuțu) auch den Radiokinderchor (Einstudierung: Răzvan Rădos) in Szene setzte und der neben der Liebe selbst auch die großen Liebenden Blanziflor und Helena besingt, rundete das mitreißende Jubiläumskonzert gelungen ab, das am Ende in einem Sturm von Applaus und in einem Meer von Blumen seinen würdigen Abschluss fand.