Abenteuerland Rumänien

„kulturweit“-Freiwillige erleben Osteuropa (I)

Szenenwechsel für den Berliner Vincent Kammer: Der Freiwillige arbeitet seit März in Oberwischau an der dortigen Berufsschule.

Moritz Hengel ist seit September als „kulturweit“-Freiwilliger in Arad tätig. Hier zu sehen mit zwei weiteren Freiwilligen.
Fotos: privat

Sie sind jung, haben ihr Abitur in der Tasche und wissen noch nicht so recht, was sie weiter beruflich machen wollen. Tausende deutsche Schulabsolventen schreiben sich jährlich für ein Freiwilligenprogramm im Ausland ein. Für die meisten ist es ein Schritt in die Selbstständigkeit und die Chance, andere Kulturen kennenzulernen. Der internationale Jugendfreiwilligendienst „kulturweit“ bietet seit 2009 jungen Erwachsenen Auslandsstellen in über 50 Ländern weltweit. Das von der Deutschen UNESCO-Kommission und dem Auswärtigen Amt betreute Projekt entsendet durch seine Partner Freiwillige zwischen 19 und 26 Jahren nach Asien, Afrika, Lateinamerika, in die GUS (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten) sowie in Staaten aus Mittel-, Südost- und Osteuropa. Die Tätigkeitsfelder der jungen Entsandten variieren: Sie arbeiten entweder in Kultureinrichtungen, Redaktionen, an Schulen, Universitäten oder  wissenschaftlichen Instituten.  
Zu den Zielländern gehört auch Rumänien. Die meisten Partner des internationalen Freiwilligendienstes „kulturweit“ besitzen ein Auslandsbüro im Land. Über den Pädagogischen Austauschdienst (PAD) leben und arbeiten fünf junge Erwachsene gegenwärtig in Rumänien. Vier von ihnen haben im September ihr Freiwilligenjahr begonnen.

Der Veteran und Cineast

Vincent Kammer (21) arbeitet bereits seit März 2012 in der Kleinstadt Oberwischau/Vişeu de Sus als Freiwilliger an der Berufsschule. Während seiner Schulzeit hatte er schon ein halbes Jahr in Frankreich verbracht. Über Rumänien wusste er nichts, hat allerdings gemerkt, dass sobald man mit Freunden und Bekannten über das Land spricht, plötzlich Verbindungen dazu auftauchen. Es hätten Vorurteile bestanden, doch allgemein habe er nur Positives über die Menschen gehört. Woran sich der Berliner nicht gewöhnen kann, ist die Ruhe in einer Kleinstadt wie Oberwischau. Da fehlt dem Großstädter die Hektik einer Hauptstadt. Auch die Sprache stellte für Vincent anfangs eine Barriere dar. Außerhalb der relativ kleinen deutschen Minderheit konnte er sich mit anderen Menschen kaum bis gar nicht unterhalten. An der Berufsschule, wo er noch bis im Februar tätig ist, wurde er ins kalte Wasser geworfen. Den meisten Kollegen wurde er nicht vorgestellt, plötzlich, so kam es Vincent vor, war er einfach da.

Lange blieb der 21-Jährige nicht unbeachtet. Denn zusammen mit Schülern von der Berufsschule produzierte er als Teil eines Schulprojekts einen Kurzfilm, der auf dem Präsentationsseminar des Fachberaters Dr. Rolf Willaredt im Frühjahr in Mediasch vorgestellt wurde. Darin thematisieren die Jugendlichen den Unterschied zwischen dem klassischen Frontalunterricht und dem Projektunterricht. Im Rahmen des jährlich ausgeschriebenen Projektwettbewerbs von „kulturweit“ erhielten Vincent und die Schüler den dritten Preis für ihren Kurzfilm. Sein Projekt konkurrierte mit zahlreichen anderen aus der ganzen Welt. Weil in Oberwischau Deutsch als Fremdsprache unterrichtet wird und sich das nur auf den Deutschunterricht beschränkt, bestand der Großteil seiner Tätigkeit darin, zeitlich begrenzte Projekte durchzusetzen. Ansonsten hielt er Vertretungen, wenn Deutschlehrer ausfielen. Doch im Grunde wurde die Gestaltung und Ausübung seiner Freiwilligenarbeit ihm überlassen.

Nach seinem Schulabschluss wusste er nicht so recht, was er gerne studieren würde, darum entschied er sich für den internationalen Freiwilligendienst „kulturweit“. Als er angenommen und Rumänien zugeteilt wurde, musste er zuerst die Karte rausholen und schauen, wie groß das Land überhaupt ist. Jedoch hatte er keine Präferenzen gehabt. Ihm war es relativ egal, wo er landen würde, und er hatte keine der angebotenen Regionen ausgeschlossen. Vor seiner Abreise zurück nach Deutschland möchte der „kulturweit“-Freiwillige noch einmal durch Rumänien reisen, sich weitere Städte und Gebiete anschauen.

Der Radio- und Theatermensch

Moritz Hengel (19) ist immer wieder erstaunt darüber, wie sich die Denkweise der Menschen aus Neu-Arad der im Westen annähert. Er schätzt die Offenheit und Gastfreundschaft der Menschen, die seine Arbeit erleichtert. Zwar konnte man sich nicht direkt die Partnerorganisationen aussuchen, die einen in die besagten Länder entsenden, Moritz hätte sich aber über eine Stelle bei der Deutschen Welle oder dem Deutschen Archäologischen Institut gefreut. Noch weiß der Abiturient nicht, was er gerne studieren würde. Er tendiert allerdings Richtung Journalismus. Darum kümmert er sich auch an der Adam-Müller-Guttenbrunn-Schule um das PausenRadio-Projekt, welches im letzten Jahr eingeschlafen ist.

Moritz möchte nicht nur das Radio in der Schule wiederbeleben, sondern auch das Theater. Genau wie Vincent kümmert er sich vorwiegend um außerschulische Projekte. So hat er bisher auch ein Fußballturnier und Ausfahrten organisiert.
Sein Vater hatte Rumänien schon einmal besucht. Andere in seiner Familie reagierten auf seine einjährige Freiwilligenarbeit im Land besorgt. Jedoch nicht alle aus seinem Bekanntenkreis hätten die Nachricht negativ aufgenommen. Er persönlich war zu naiv, um sich darüber Gedanken zu machen. Für Moritz war es einfach nur cool, weil man ins kalte Wasser geworfen wird und weil es ein Schritt in die Selbstständigkeit bedeutet. In eine Region wollte er auf keinen Fall hin. Afrika kam für Moritz nicht in Frage.