Abschied von der „zweiten Heimat“

ADZ-Gespräch mit dem früheren deutschen Generalkonsul in Hermannstadt, Thomas Gerlach

Foto: Andrey Kolobov

Thomas Gerlach war der letzte Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt. Die Stadt sei ihm während zweier Amtszeiten im Generalkonsulat zur zweiten Heimat geworden, wie er einmal sagte. Über seine Tätigkeit in den vergangenen Jahren, die neue Konsulin in Hermannstadt, Judith Urban, und seine neue Aufgabe in der Türkei sprach mit ihm ADZ-Redakteur Holger Wermke.

Herr Gerlach, am 5. Januar verabschiedeten Sie sich offiziell. Mit welchen Gefühlen verlassen Sie nach vier Jahren Hermannstadt?

Insgesamt sieben Jahre als Leiter der deutschen Vertretung in Siebenbürgen haben bei meiner Frau und mir sehr tiefe und bleibende Eindrücke hinterlassen. Ich bin dem Auswärtigen Amt dankbar, dass ich so lange auf dem Posten arbeiten durfte, aber vor allem den vielen Partnern und Freunden in Siebenbürgen, die uns von Anfang an ihr Wohlwollen geschenkt haben.

Sie waren bereits zwischen 2005 und 2007 Generalkonsul in Hermannstadt. Warum haben Sie sich ein zweites Mal nach Siebenbürgen entsenden lassen?

Der erste Aufenthalt war mit zweieinhalb Jahren eigentlich etwas zu kurz. Als der Posten im Sommer 2009 neu besetzt werden musste, wurde meine Bereitschaft zu einer „2. Runde“ positiv aufgenommen. Im Auswärtigen Amt war man offensichtlich der Meinung, dass ich für Hermannstadt geeignet sei.

Zu Ihren konsularischen Aufgaben gehörte die Unterstützung der deutschen Minderheit in Siebenbürgen, wobei mit dem Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien die Selbstorganisation der Minderheit ihren Hauptsitz in Hermannstadt hat. Wie gestalteten sich die Beziehungen zu den DFDR-Vertretern?

Die Unterstützung der deutschen Minderheit ist eine der Hauptaufgaben der deutschen Vertretung. Dies war mir von Anfang an weniger eine dienstliche Pflicht als eine Herzenssache. Das Verhältnis zu den Vertretern des Deutschen Forums, sei es auf Landesebene oder innerhalb Siebenbürgens oder auch darüber hinaus, war von Anfang an stets und ausnahmslos vertrauensvoll und freundschaftlich. Das Gleiche gilt übrigens auch für die vielen Vertreter der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, mit denen ich im Laufe der Jahre zusammentreffen und zusammenarbeiten durfte. Kurz zusammengefasst: Die Beziehungen waren durchgehend von gegenseitigem Wohlwollen im Dienste einer gemeinsamen Sache geprägt.

Für „besondere Verdienste um den Zusammenhalt der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaften“ erhielten Sie im März 2013 die Honterus-Medaille des Siebenbürgenforums. Wie haben Sie die sächsischen Rest-Gemeinschaften in Siebenbürgen erlebt?

Ein Wort voraus: Die Honterus-Medaille ist die wertvollste Auszeichnung, die ich im Laufe meines Berufslebens erhalten habe. Die vielen Siebenbürger Sachsen, die ich kennengelernt habe, machten auf mich insgesamt den Eindruck einer voll integrierten, aber andererseits doch auf Eigenständigkeit bedachten Bevölkerungsgruppe mit gut entwickeltem Selbstwertgefühl. Dadurch, dass ihre Identität bewahrt und gepflegt wird, kann die Minderheit innerhalb des rumänischen Staatsverbandes ihre gar nicht hoch genug einzuschätzende Funktion als „Brückenbauer“ erfüllen. Ich wünsche den Siebenbürger Sachsen, wie den Deutschen in Rumänien allgemein, dass sie diese Rolle noch viele Jahrzehnte spielen werden!

Regelmäßig begleiteten Sie Delegationen deutscher Politiker durch Siebenbürgen. Wissen Sie, wie viele es waren?

Insgesamt dürften es gut 50 Delegationen und Einzelreisende gewesen sein, darunter im Jahre 2007 der damalige Bundespräsident Horst Köhler und im Jahre 2010 Bundeskanzlerin Merkel in Klausenburg sowie Außenminister Westerwelle und Ministerpräsident Seehofer in Hermannstadt. Einige treue Freunde Siebenbürgens wie Frau Bundestagsvizepräsidentin a.D. Dr. Susanne Kastner, den hessischen Landtagspräsidenten Norbert Kartmann oder den Bundestagsabgeordneten Dr. Christoph Bergner, bis vor Kurzem Beauftragter der Bundesregierung für deutsche Minderheiten im Ausland und Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesinnenministerium, habe ich immer wieder bei ihren Besuchen betreuen dürfen. Der Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V., MdB Dr. Bernd Fabritius, braucht natürlich keine Betreuung in seiner Heimat, aber ich habe immer sehr den Austausch mit ihm geschätzt, zumal einige der Delegationen auf seine Initiative hin gekommen waren und von ihm persönlich begleitet wurden.

Welche Themen spielten bei diesen Besuchen eine besondere Rolle?

Die Themen waren je nach Besuchern unterschiedlich: Oft waren es die Wirtschaftsbeziehungen, manchmal eher die kulturellen Beziehungen, aber immer waren die Entwicklung der Integration Rumäniens in die EU und die Lage und Rolle der deutschen Minderheit wichtige Themen.

Gab es in Ihrer Amtszeit Veranstaltungen oder Ereignisse, an die Sie sich besonders gern erinnern?

Unvergesslich bleiben wird meiner Frau und mir der Jahreswechsel 2006/2007, als Oberbürgermeister Johannis in der Silvesternacht auf dem großen Ring die Aufnahme Rumäniens in die EU und den Beginn des Kulturhauptstadtjahres verkündete. Im Grunde war jeder offizielle Besuch aus Deutschland für mich ein positives Ereignis – bot doch jeder Besuch die Gelegenheit, den ganz unterschiedlichen Multiplikatoren aus Deutschland ein zutreffenderes und faireres Rumänienbild zu vermitteln.

Mit Ihrer Abberufung führt das Auswärtige Amt das Generalkonsulat nur noch als Konsulat weiter. Sind Befürchtungen berechtigt, der Fortbestand der konsularischen Vertretung Deutschlands in Siebenbürgen sei auf längere Sicht gefährdet?

Der geringere Personalbestand führt logischerweise dazu, dass nicht mehr im gleichen Umfang Aktivitäten durchgeführt werden können. Das Team des Konsulats wird sich noch mehr als bisher schon auf das Wesentliche beschränken, aber auf diese Weise auch die politisch gewünschte deutsche Präsenz im wichtigen Landesteil Siebenbürgen sicherstellen. Nach meiner Einschätzung sollte dieses Modell eine ganze Weile gültig bleiben. Was in 20 Jahren sein wird, weiß natürlich heute niemand.

Ein Wort zu Judith Urban, die das künftige Konsulat leiten wird …

Mit Frau Urban hat am 6. Januar eine sehr erfahrene Kollegin die Leitung übernommen, die bereits seit eineinhalb Jahren in die Aufgabe hineingewachsen ist und aufgrund ihrer früheren Tätigkeit an der Botschaft Bukarest vor allem die deutsche Minderheit und ihre Fragestellungen sehr gut kennt. Ich bin sicher, dass Frau Urban als „deutsche Konsulin für Siebenbürgen“ die Erwartungen an Unterstützung und Visibilität glänzend erfüllen wird.

Sie und Ihre Frau haben sich auch kulturell und sozial engagiert …

Vor allem die Schulen lagen mir als „gelerntem Studienrat“ besonders am Herzen. Bei der Aushändigung eines Teils der jährlich ca. 600 Deutschen Sprachdiplome habe ich in Hermannstadt und anderen Städten Siebenbürgens viele erfrischende und optimistisch stimmende Begegnungen mit jungen Menschen gehabt. Ähnliches gilt für die Besuche an deutschsprachigen Studiengängen z.B. an Klausenburger Universitäten. Rumänien hat ein großes Potenzial an gut ausgebildetem, deutschsprachigem Nachwuchs und so auch hier beste Grundlagen für die weitere enge Zusammenarbeit unserer beiden Länder und Völker.

Für meine Frau war das soziale Engagement zusammen mit anderen Frauen ein großes Bedürfnis und natürlich auch etwas, das allen Beteiligten Freude gemacht hat. Die „Besseren Hälften“ haben die Erlöse aus insgesamt acht Basaren bewusst Kindergärten der rumänischen Mehrheitsbevölkerung gewidmet, um sich so erkennbar ins Hermannstädter Gemeinschaftsleben zu implizieren. Für meine Frau wäre es die schönste Anerkennung, wenn das „Kaffeetrinken für den guten Zweck“ fortbestehen würde.

Siebenbürgen sei Ihnen zur zweiten Heimat geworden, meinten Sie einmal. Was schätzen Sie so an der Region?

Hermannstadt erinnerte mich von Anfang an an meine Heimatstadt Kempen am Niederrhein, auch wenn dort alles flach und eben ist. Lustigerweise sind die Farben meiner Heimatstadt rot und blau wie die Farben Siebenbürgens. Die Region strahlt für mich Ruhe und Gediegenheit aus, etwas, das man in Mitteleuropa so nur noch selten findet. Ich finde es auch ganz heilsam, dass man als materiell doch ziemlich verwöhnter Mitteleuropäer durch Erleben der viel bescheideneren Lebensverhältnisse immer wieder auf den Boden der Realität geholt wird.

Was sagen Sie Ihren Landsleuten, denen Sie die Vorzüge der Region erklären?

Man kennt nicht Rumänien, wenn man nur Siebenbürgen erlebt, aber man kennt Rumänien nicht, wenn man sich nicht auch intensiv in Siebenbürgen umgesehen hat. Ganz allgemein ist Rumänien viel besser als sein Ruf, und dies überprüft man am besten mit einer Reise hierher. In Siebenbürgen finden Sie Natur und Kultur, Ruhe und „Action“, aber vor allem Menschen mit Ernsthaftigkeit und Tiefgang, die zu verlässlichen Freunden werden können.

Bleiben Sie Siebenbürgen auch in Zukunft verbunden?

Wir haben uns vorgenommen, unser geliebtes Hermannstadt nach Möglichkeit mindestens einmal im Jahr zu besuchen, vielleicht auch öfter. Da ich gerne mit dem Auto unterwegs bin, wird uns die Vollendung der Autobahn nach Nadlak dabei helfen. Und natürlich werde ich sehr sorgfältig alle Berichte über Rumänien und die Region verfolgen, abgesehen vom täglichen Blick auf den Großen Ring durch die Web-Kameras! Dass ich, wo immer möglich,  die Werbetrommel für Siebenbürgen rühren werde, ist für mich Ehrensache!

Welche Aufgaben erwarten Sie jetzt in Ihrer nächsten Station in der Türkei?

An meiner neuen Wirkungsstätte in Izmir spielen vor allem Visa für Türken, aber auch z. B. für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge eine große Rolle, daneben die Betreuung deutscher Landsleute, die sich als Dauergäste oder Touristen dort aufhalten. Immerhin gehören die wesentlichen türkischen Urlaubsziele zu meinem Amtsbezirk. Daneben wird die Pflege der Kultur- und Wirtschaftsbeziehungen stehen, aber auch die Beobachtung der sehr spannenden innenpolitischen Entwicklungen in der für die Türkei untypischen Region Izmir. Im März gibt es z. B. die sehr wichtigen Kommunalwahlen. Ich hoffe auch auf möglichst viele offizielle Besucher aus Deutschland, denn auch die Türkei hat ein Imageproblem.