„Akzeptanz und Glaubwürdigkeit hängen sehr stark von Kommunikation ab“

Gespräch mit Dr. Michael Schwarzinger, Botschafter der Republik Österreich in Rumänien und in der Republik Moldau

Der Beginn des Handelstags an der Wertpapierbörse Bukarest wurde am Dienstag von einer prominenten Persönlichkeit, Dr. Michael Schwarzinger, Botschafter der Republik Österreich in Rumänien, eingeläutet. In seiner Rede mahnte er eindringlich an, dass sich Rumänien auch im Energiebereich nach marktwirtschaftlichen Kriterien richten und die Stagnation überwinden müsse.

Botschafter Dr. Michael Schwarzinger, geboren 1955 in Feldkirch (Österreich), ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder, eine Tochter und einen Sohn. Erste rumänische Eindrücke sammelte der 1982 zum Dr. phil. promovierte Absolvent der Germanistik und Anglistik an der Universität Innsbruck bereits 1992 bis 1995, als er als Botschaftsrat in Bukarest tätig war. Sein viel gelesenes Buch über die EU-Erweiterung veröffentlichte Botschafter Dr. Schwarzinger 2003 zusammen mit Botschafter Martin Saydik. Die englische Ausgabe erschien 2007 in New Brunswick und London. 

Als Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien (1984 - 1986) spricht der Botschafter die Sprachen mehrerer EU-Länder, wo er im Dienste Österreichs gewirkt war. Er versteht diese Länder und ihre Gemeinsamkeiten auch. Er hat eine besondere Wertschätzung für die rumänische Geschichte, die gemeinsamen Wurzeln unserer beiden Länder. Der erfahrene Diplomat meint, dass Schwierigkeiten und Konflikte sich am besten lösen lassen, wenn alle Beteiligten einen Lösungsansatz mittragen können. Das Interview mit Botschafter Dr. Schwarzinger führte ADZ-Korrespondent in Wien, Dr. Alex Todericiu


Eure Exzellenz, zum ersten Mal wurde Dienstag die Eröffnungsglocke der Bukarester Wertpapierbörse BVB vom österreichischen Botschafter geläutet. Als hochrangiger Gast des Hauses haben Sie auch einen Vortrag bei der Eröffnung des Handelstags gehalten. Was für ein Gefühl hatten Sie dabei?

Es ist für mich als österreichischen Botschafter und darüber hinaus für Österreich eine besondere Ehre, zu diesem Akt in die BVB eingeladen worden zu sein. Nicht nur sind die Wirtschaften Österreichs und Rumäniens eng verflochten, sondern auch die Wiener und die Bukarester Börse kooperieren sehr eng miteinander.

Rituale im Alltag schaffen Vertrauen. Sie sind uns somit wichtig. Das Bimmeln bei der Börse gehört zu diesen Ritualen. Was glauben Sie, wann wird die rumänische Botschafterin in Wien zur Wiener Börse eingeladen werden?

Ich glaube, in Wien wird die Börseglocke insbesondere im Falle einer Erstnotiz geschlagen. Aber das Interesse in Wien an Rumänien ist sehr groß, und ich halte sehr viel für möglich.

Nach Angaben der New Yorker Börse NYSE gehört die alltägliche Fernsehübertragung durch den US-amerikanischen TV-Sender CBS zu den meist geguckten Events. Der Handel an der NYSE wird jeden Morgen offiziell eröffnet, indem eine bestimmte Person eine Klingel läutet. Nun, es läuft ähnlich auch in Bukarest, jedoch noch ohne Live-Übertragung. Dieser symbolische Akt ist normalerweise Staatsmännern, Generaldirektoren von gelisteten Unternehmen oder NYSE-Mitgliedern vorbehalten. In Bukarest ließ vor einigen Wochen der US-Botschafter Gittenstein aufhorchen, als er das tägliche Ritual der Börsianer vollbrachte. Die Warteliste der Anwärter auf das Läuten der Glocke ist lang. Steht Ihre jetzige Einladung mit einer gewissen außerordentlichen Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder in Verbindung?

Es ist ganz gut, wenn Börsen für die Öffentlichkeit sichtbar auftreten, sich in den Medien als Dienstleistungsbetriebe präsentieren. Dass mich die BVB eingeladen hat, ist eine sehr große Ehre. Die Botschaft ist folgende: Rumänien ist aus der Krise heraus, jetzt müssen Strukturreformen gemacht werden. Denn wir wissen, dass viel von künftigen Kapitalzuflüssen abhängen wird.

Rumänien wird wieder sehr optimistisch bewertet. „Wallstreet online“ schreibt, dass die Börsen aus Südosteuropa zu den Top-Performern unter den Weltbörsen gehören, wobei die Bu-karester Börse zuletzt besonders gut performen konnte.

Rumänien hat das Potenzial, einen wichtigen Wachstumsmarkt in Europa zu bilden. Auch die rumänische Währung hält sich sehr gut. Das Interesse der Investoren ist daher grundsätzlich gegeben, es muss aber das Vertrauen gestärkt werden. Botschafter Gittenstein hat hier als Gast der Börse eine sehr beachtliche Rede gehalten. Unter anderem sagte er, der Schlüssel für Rumäniens Zukunft ist der Ausbau dauerhafter Institutionen, die Rumäniens Demokratie schützen. Rumänien braucht freie Märkte, Transparenz, Rechtsstaatlichkeit und Vorhersagbarkeit. Es müssen also die entsprechenden Reformen gemacht werden.

Ihr ungefähr 15-minütiger Vortrag wurde mit Applaus begrüßt. Vertreter einiger österreichischen Großunternehmen wie OMV, Verbund, EXAA (Wiener Energiebörse) waren anwesend. Was war ihre Hauptbotschaft an die zahlreichen Teilnehmer?

Zusammenarbeit und Vertrauen sind starke Faktoren, die Europa stärken und Rumänien zu einer guten Zukunft verhelfen können. Österreich und Rumänien haben es dank Zusammenarbeit und Vertrauen durch die Krise geschafft. Die österreichischen Finanzinstitutionen haben Rumänien in der schlimmen Zeit nicht verlassen. Wenn wir nun nach vorne schauen, sehen wir, dass wir jetzt gute marktwirtschaftliche Lösungen und starke Strukturen brauchen. Österreich möchte die anstehenden Reformen in Rumänien nachhaltig unterstützen.

Zum Beispiel steht in naher Zukunft die Liberalisierung der Gas- und Strompreise für die Haushalte bevor. Dafür müssen die entsprechenden Strukturen geschaffen werden, um eine sinnvolle Preisgestaltung zu ermöglichen. Es ist zum Beispiel ein Unterschied, ob einkommensschwache Personen oder ob Firmen von Staatshilfen profitieren. Liberalisierte Märkte benötigen freie Strom- und Gasbörsen für die Preisgestaltung. Parallel dazu müssen, wie auch in anderen Ländern, soziale Schutzbestimmungen definiert werden.

Gut informierte Pressekreise verbinden Ihren für einige vielleicht überraschenden Auftritt bei der BVB mit dem unermüdlichen Engagement der Botschaft für österreichische Wirtschaftsinteressen am rumänischen Standort. Insbesondere wenn es um die Energiewirtschaft geht. Wird Ihr Plädoyer auch rechtzeitig gehört? Wer sind Ihre Adressaten?

Wenn man von Reformen spricht, betrifft das Politik und Wirtschaft. Ein Botschafter kann nur Positionen beziehen und Argumente vorbringen. Ich bin sehr froh, dass ich mit meinen Ansichten alles andere als allein bin. Ich verfolge z. B. sehr aufmerksam die Ratschläge des Foreign Investors‘ Council. Deren Arbeiten sind hervorragend und sicher eine sehr gute Richtschnur für die öffentliche Debatte wirtschaftspolitischer Fragen.

Was erwarten die österreichischen Investoren, sagen wir z. B. Herr Dr. Treichl seitens der Ersten Bank, welche Mehrheitseigentümer der BCR ist, von ihrem Botschafter in Bukarest?

Das ist eine sehr gute Frage, Herr Dr. Todericiu. Als ich mich im Vorjahr auf den Botschafterposten in Bukarest vorbereitet habe, war es für mich überaus wertvoll, dass ich mit österreichischen Topinvestoren in Rumänien ausführlich sprechen konnte, ich wurde unter anderem auf Vorstandsebene in der Ersten Bank und in der Volksbank empfangen. Es geht darum, dass heute ein Botschafter die Probleme der wichtigsten Branchen verstehen muss. Wenn ein Problem besonders akut wird, ist meist wenig Zeit für Hintergrunderklärungen. Im Bankwesen geht es bekanntlich um Dinge wie Risikokosten im Kreditgeschäft, Bankenbesteuerung und sich ändernde Konsumentenschutzbestimmungen. In den Energiemärkten geht es um vernünftige Strukturen, die Bewältigung von Liberalisierungsschritten. 

Bei Infrastrukturprojekten, z. B. Autobahnen oder Gaspipelines, geht es um die konkrete Umsetzung dessen, was national und auf europäischer Ebene von langer Hand geplant ist. Auch bei der Donauraumstrategie ist es nicht ein Ziel für sich, gute Dokumente zu beschließen, sondern es zählt die Realisierung, nehmen wir zum Beispiel die Forschungszusammenarbeit. Auch die Absorption von EU-Strukturhilfen und im Bereich des europäischen Sozialfonds ist ein großes Thema, das noch sehr viele Institutionen beschäftigen wird.

In vielen Fragen und bei der Lösung bestimmter Schwierigkeiten werden seitens der Wirtschaft auch Botschaften eingebunden.

Ihr Vorgänger, Botschafter Dr. Eichtinger, ist vielen Rumänen als sonniger „Kulturbotschafter“ seines Landes in Erinnerung geblieben. Konzentrieren Sie sich nun eher auf die besondere Rolle der sorgfältigen Pflege der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern?

Botschafter Eichtinger hat in Rumänien sehr viel gemacht, das können sicher alle bestätigen, die mit ihm enger zu tun hatten. Seine Amtszeit fiel ausgerechnet in die Phase der Weltwirtschaftskrise, die auch für die Österreichische Botschaft und für die Außenhandelsstelle in Bukarest sehr aufreibend war.

Jetzt geht es um Wachstum, neue Investitionen, aber auch um wichtige Strukturreformen in Rumänien.

Erachten Sie die Öffentlichkeitsarbeit als wichtig für die erfolgreiche Arbeit eines Botschafters in Bukarest?

Öffentlichkeitsarbeit ist heutzutage in der Politik und in der Diplomatie unverzichtbar. Sie gibt die Chance, über die Medien zu erklären, was man tut, welche Positionen man einnimmt, welche Argumente einem wichtig sind. Wer etwas will, hat auch eine Botschaft, die weitergegeben werden soll. Gerade zwischen Ländern, die im Binnenmarkt vereint sind und gemeinsam der Europäischen Union angehören, steht die Zusammenarbeit im Vordergrund, und diese bedarf des Dialogs. Akzeptanz und Glaubwürdigkeit hängen sehr stark von Kommunikation ab.

Die rumänische Presse hat in den letzten Monaten über Verstimmungen aus Regierungskreisen in Verbindung mit der Spritpreispolitik der OMV und ihrer mehrheitlichen Tochterfirma PETROM berichtet. Selbst Premierminister Boc wurde mit kritischen Worten über die bereits vor fast einem Jahrzehnt gelaufene Erfolgsprivatisierung des lokalen Mineralölkonzerns zitiert. Nun hat der neue OMV-Generaldirektor kein Interesse an der Aufstockung der sowieso mehrheitlichen Beteiligung bei der PETROM signalisiert. Mal vom diplomatischen Diskurs abgesehen, sind Sie der Meinung, dass diese überraschende Absage Signalwirkung haben könnte und den mittelfristigen Ausstieg des Konzerns aus Rumänien bedeutet?

Zum ersten Teil der Frage: Ein vorübergehendes Einfrieren der Tankstellenpreise scheint rechtlich möglich. Allerdings wäre der Effekt nur ein vorübergehender. Noch ein Wort zur OMV: OMV hat in Petrom zusätzlich zu den Aufwendungen für den Erwerb des Mehrheitsanteils erhebliche Mittel investiert. Der 20-prozentige Anteil des rumänischen Staates steckt in einem sehr gut geführten und erfolgreichen Unternehmen.

Was den bevorstehenden Verkauf eines Aktienpaketes, das 9,84 Prozent der Aktien von OMV Petrom entspricht, durch die rumänische Regierung angeht, ist es für Rumänien doch wohl vor allem wichtig, einen möglichst guten Erlös zu erzielen. Die Rede ist von einem Preis oberhalb von 600 Millionen Euro. Aus Sicht der OMV ist klar, dass sie bereits Mehrheitseigentümer ist und dass eine weitere Aufstockung des Aktienanteils die Situation strategisch nicht verändern würde. Es überrascht mich daher nicht, und es ist auch nicht dramatisch, wenn hier die OMV-Zentrale in Wien keinen unmittelbaren Handlungsbedarf sieht.

OMV-Chef Gerhard Roiss hat sicher recht, wenn er sagt, dass der Verkauf dieser Aktien über ein Secondary Public Offering die Attraktivität der Aktien wesentlich steigert und den Streubesitz an der Börse Bukarest signifikant erhöht.

Petrom ist bestens aufgestellt und definitiv ein hochattraktives Investment. Mehr Liquidität an der Börse Bukarest und ein zunehmendes Interesse privater und institutioneller Anleger am rumänischen Kapitalmarkt sind positiv zu bewerten.

Die Komplexität der Wirtschaftsverflechtungen zwischen Rumänien und Österreich ist immens. Viele Fäden führen nach Wien, wenn wir nur an das Bankengeschäft oder an die Energiewirtschaft denken. Könnte Wien als die „Wirtschaftshauptstadt Rumäniens“ angesehen werden?

Die Wirtschaftsverflechtung zwischen Rumänien und Österreich ist tatsächlich bedeutend und vielschichtig, und zwar für beide Länder. Österreich ist über Investitionen sehr eng mit Rumänien verbunden. Darüber hinaus ist bekannt, dass das Engagement der österreichischen Wirtschaft sehr grundlegende Wirtschaftsaktivitäten umfasst: Bankwesen, Versicherungen, Leasing, Immobilienwirtschaft, Energie. Rumänien ist das Empfängerland besonders bedeutender Investitionen aus österreichischer Sicht.

Wie trägt der österreichische Botschafter dazu bei, dass diese Partnerschaft zwischen den beiden Ländern auf Augenhöhe passiert?

Rumänien ist ein großes und wichtiges Land und es besteht gar keine Gefahr, dass es zu Ungleichheiten kommt. Wir verfolgen parallele Ziele. Der Erfolg Rumäniens ist auch für Österreich gut.

Sie sind österreichischer Botschafter nicht nur in Rumänien, sondern auch in der Republik Moldau und kennen die gemeinsamen historischen Wurzeln beider Länder. Die politischen Beziehungen Rumäniens zum östlichen Nachbarn sind in letzter Zeit nicht immer reibungsfrei verlaufen. Handelt es sich Ihrer Meinung nach da um Schwestern, Halbschwestern oder Stiefschwestern?

Ich glaube, ganz aktuell hat der Besuch von Interimspräsident Marian Lupu in Bukarest gezeigt, wie eng und vielschichtig sich die bilateralen Beziehungen beider Länder heute gestalten. Es gibt ein substanzielles Programm der gegenseitigen Zusammenarbeit. Außerdem ist Rumänien ein guter Anwalt für die europapolitischen Bestrebungen der Republik Moldau.

Herzlichen Dank für dieses Gespräch.