„Alle Dirigenten wollen nach dem Abschluss ihres Studiums zur Philharmonie“

Gespräch mit dem Temeswarer Dirigenten Peter Oschanitzky

Foto: Zoltán Pázmány

Seit drei Jahren lebt der Dirigent Peter Oschanitzky wieder in seiner Heimatstadt Temeswar/Timişoara. Davor hatte er 20 Jahre lang an der Oper in Osijek in Kroatien gewirkt und trat von dort in den Ruhestand. In diesem Jahr feierte Peter Oschanitzky 50 Jahre künstlerische Tätigkeit mit einem Galaabend in der Nationaloper Temeswar. Oschanitzky, 1941 in Temeswar geboren, stammt aus einer Musikerfamilie, dessen wohl berühmtestes Mitglied sein Bruder, Richard Oschanitzky (1939 – 1979), ist – einer der bekanntesten Jazzmusiker Rumäniens. Astrid Weisz von Radio Temeswar traf Peter Oschanitzky anlässlich der Feier zum Tag der Deutschen Einheit in Temeswar und führte mit ihm folgendes Gespräch.

Sie feiern in Temeswar Ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum. Mit welchen Gefühlen sehen Sie diesem Ereignis in der Nationaloper entgegen?

Ich muss ehrlich gestehen, dass das für Temeswar etwas ganz Neues ist. Bis jetzt wurden solche Ereignisse nicht an der Oper gefeiert. Nicht nur an der Oper, sondern auch an der Philharmonie nicht und auch nicht in anderen Kulturinstitutionen. Aber diesmal ist es mir gelungen, mit der Unterstützung von Herrn Corneliu Murgu, dem Direktor der Oper, ein Konzert zu organisieren, um 50 Jahre künstlerische Aktivität zu feiern. Die Oper hat mir den Saal zur Verfügung gestellt, aber auch das ganze Ensemble – Orchester, Solisten, Chor und Ballett. Die Feier hat aber auch eine komische Seite: Denn diese Leute, die auftreten werden, sind nicht meine Generation, sondern eine ganz neue Generation – sie bilden die Generation, mit der ich seit meiner Rückkehr aus Kroatien zusammenarbeite. Es sind Leute, die mit großer Liebe und Hingabe dieses Konzert vortragen werden.

Vor 50 Jahren haben Sie ihre Karriere auch hier in Temeswar begonnen...

Nein. Die „50 Jahre Karriere“, die wir feiern, werden ab dem Jahr 1965 gerechnet. Es ist wahr, ich habe zwischen 1962 und 1965 das Pädagogische Institut, die Musikfakultät in Temeswar, besucht und nachher war ich fünf Jahre lang Professor in Karansebesch, am Lyzeum und an der Musikschule. 1971 bin ich nach Bukarest gegangen, denn am Bukarester Konservatorium wurde eine Abteilung für Orchesterdirigieren gegründet. Ich habe vier Jahre dort studiert und bin erst im Jahr 1975 wieder nach Temeswar zurückgekehrt. Meine Temeswarer Aktivität ist also etwas kürzer, aber die gesamte künstlerische Aktivität umfasst 50 Jahre.

Wie haben Sie zur Musik gefunden?

Die Musik lag in der Familie. Alle Familienmitglieder waren Musiker, mein Vater war Komponist und Dirigent, später auch Schauspieler am Deutschen Staatstheater. Meine Mutter sang im Opernchor und mein Bruder war ein sehr bekannter Musiker, nicht nur im Bereich Jazz, sondern er war auch Komponist und er hat auch Musik für Filme geschrieben. Mein Vater unterrichtete zu Hause und wir haben am Unterricht teilgenommen und ständig gelernt.

Wann war es für Sie klar, dass Sie gern Opern dirigieren wollen?

Das ist eine lange Geschichte. Alle Dirigenten wollen nach dem Abschluss ihres Studiums zur Philharmonie. Warum? Weil in der Philharmonie der Dirigent der erste Mann auf der Bühne ist und es für einen Dirigenten auch sehr wichtig ist, dass das Publikum seinen Erfolg wahrnimmt. Operndirigent hat etwas Positives an sich. Wenn wir die Geschichte des Dirigierens betrachten, so sind alle großen Dirigenten eigentlich den Weg von der Oper zur Philharmonie gegangen. Den umgekehrten Weg gibt es jetzt überhaupt nicht. Das hat eine Erklärung: Ein Dirigent, wenn er an der Philharmonie arbeitet, hat er eine Woche Proben, er versucht das zu verwirklichen, was er sich mit diesem Orchester vorgenommen hat, und es folgt das Konzert. Er ist eine Woche lang der Chef, das Orchester spielt und das Ergebnis ist dieses Konzert. In der Oper ist es umgekehrt: In der Oper hat man nicht nur ein Orchester vor sich, sondern ein größeres Ensemble. Das sind die Solisten, der Chor, das Ballett und natürlich die Regie. Der Operndirigent, abgesehen davon, dass er nicht auf der Bühne steht, sondern im Orchestergraben – er wird also weniger bewundert – hat mehr Probleme, was sein Können anbelangt, er muss etwas von Gesang verstehen, er muss Regie können, er muss die Ballettfiguren kennen, usw. Dieser Dirigent hat viel mehr zu wissen. Leider ist das Studium an der Fakultät nicht auf das Operndirigieren spezialisiert – sondern zu 90 Prozent für Orchesterdirigieren.

Wie war die Erfahrung, in den 70-er Jahren an die Temeswarer Oper zu kommen?

Ich habe denselben Weg gemacht, den eigentlich alle Dirigenten gehen. Nach dem Abschluss bekam der Dirigent nicht direkt einen Posten, er konnte sich aber an einem Wettbewerb beteiligen. Ich und meine Kollegen, wir haben uns damals solchen Wettbewerben gestellt. Eins muss ich nun hinzufügen: Meine Kollegen sind heute die Nummer eins in Rumänien: Cristian Mandeal, Horia Andreescu, Cristian Brâncuşi, Bujor Hoinic (der heute in Ankara lebt). Es war eine wirklich lobenswerte Garnitur, die langsam das ganze musikalische Schicksal in Rumänien übernommen und weitergeführt hat. Wir haben an einigen Wettbewerben teilgenommen, leider ist keiner von uns angekommen, weil meistens diese Wettbewerbe so ausgeschrieben wurden, dass das Ministerium die Sache forciert hat. Wenn eine Institution eine freie Stelle hatte, so musste eine Ausschreibung organisiert werden. Aber das war dann so: Entweder gab es da bereits jemanden, den man für diesen Posten im Auge hatte, oder der Posten war nur theoretisch frei.

Die damalige Direktorin der Temeswarer Oper, die Meisterin Cornelia Voinea, die heute in Deutschland lebt, kam nach Bukarest und interessierte sich für Musiker für die Temeswarer Oper. Bujor Hoinic, der Temeswarer ist, bekam damals einen Auftrag in Ankara, er fuhr auch hin, aber es war ein Auftrag für einen Chordirigenten, nicht für einen Orchesterdirigenten. Er sagte ab und kehrte nach Temeswar zurück. Und plötzlich waren hier vier Dirigenten, aber Plätze gab es nur drei. Dann hat die Frau Voinea einen Platz erfunden – Assistent des Dirigenten – und diesen Posten habe ich an der Oper bekommen. Es folgten einige Jahre, wo ich verschiedene Stellen hatte bei der Oper: Vom musikalischen Sekretär zum Chordirigenten, zum Korrepetitor und vieles mehr. Das war eigentlich eine positive Sache, denn ein Dirigent muss all diese Sachen können, um seinen Beruf ausüben zu können. Im Jahr 1981 ging Frau Voinea mit „Nabucco“ nach Belgien und Deutschland, aber sie kam nicht mehr zurück. Seit 1981 bin ich als ständiger Dirigent an der Temeswarer Oper angestellt.

Bei der Philharmonie hatten Sie aber auch einige Zuständigkeiten...

Ich will von Anfang an betonen: Für mich waren Oper und Philharmonie immer mehr oder weniger ein und dasselbe. Ich war fest angestellt an der Oper, war aber Mitarbeiter an der Philharmonie oder umgekehrt. Von 1975 bis 1983 war ich als ständiger Dirigent an der Oper tätig, zwischen 1983 und 1991 an der Temeswarer Philharmonie und von 1991 bis 1993 als künstlerischer Leiter und Dirigent erneut an der Oper.

Wie kamen Sie nach Kroatien?

Es war eine kritische Situation in Kroatien, denn das geschah damals, als Jugoslawien den internen Krieg hatte. Osijek war die Stadt, die mich eingeladen hat. Sie hatten dort überhaupt keinen Dirigenten mehr an der Oper, es war keine rosige Zeit, denn die dortige Oper war versehentlich bombardiert worden – das Ziel war eigentlich das Rathaus gewesen. Nur die Bühne funktionierte noch, der Saal war abgebrannt. Auf der Bühne wurden Vorstellungen veranstaltet und die Hinterbühne war zu einer Art Saal für 100 Personen umfunktioniert worden. Dann bin ich dorthin gekommen und sollte die Oper für eine kurze Zeit übernehmen, denn die Bedingungen und die Vorteile waren keine besonderen. Man hat mich für zwei-drei Spielzeiten engagiert, meine Frau konnte auch mitkommen und im Chor mitsingen. Nach zwei Jahren haben sie mich gebeten, länger zu bleiben. Wir hatten unseren Sohn mit, der besuchte die erste Klasse in kroatischer Sprache, denn es gab damals keine deutsche Schule dort. Wir sind dann geblieben, bis er das Lyzeum absolviert hat. Wir waren dort bis vor fünf Jahren, als wir nach Temeswar zurückgekehrt sind. Als ich in Rente ging, gab es dort kaum Möglichkeiten weiterzuarbeiten. Hier in Temeswar sind so viele Aufträge auf mich zugekommen, dass ich nicht mehr wusste, was ich annehmen sollte und was nicht. Heute bin ich mit der Oper und der Philharmonie in Verbindung, an der Musikfakultät tätig, und mit dem Deutschen Staatstheater haben wir einige Musicals zusammen auf die Bühne gebracht.

Was hat sich in diesen 50 Jahren künstlerischer Tätigkeit geändert?

Die Zeit der 70er-80er Jahre an der Temeswarer Oper war eine gute Zeit – sowohl, was Qualität anbelangt, als auch was das Personal betrifft. Das Orchester war ausgezeichnet, die Solisten waren sehr gut. Leider sind sehr viele Musiker aus dem Orchester zur Philharmonie gegangen, viele zogen ins Ausland und darunter hatte eine Zeit lang die Qualität zu leiden. Ein weiterer Grund: Man muss in Betracht ziehen, dass damals, als Frau Voinea Direktorin war – obzwar das die Ceau{escu-Zeit war – sie einem Absolventen der Fakultät eine Wohnung zur Verfügung stellen konnte und alle Bedingungen, damit er nach Temeswar an die Oper kommt. Danach war das nicht mehr möglich. Ich will aber auch betonen, dass ich seit meiner Rückkehr aus Kroatien mit der Oper ständig zusammenarbeite, als Gastdirigent. Die Möglichkeiten an der Oper – und das ist Herrn Murgu zu verdanken – sind wieder besser geworden. Es gibt heute gute Solisten, es gibt ein ausgezeichnetes Orchester, auch der Chor ist zu bewundern und die Repertoire-Politik ist eine sehr gute. Die Vorstellungen der Temeswarer Oper haben heute ein sehr hohes Niveau.