„Als kleiner Junge wollte ich Balletttänzer werden“

Heimkehrer Hansi Müller.

Schwäbische Tänze – der Spaß darf nicht verloren gehen.
Fotos: privat

Seit 2013 ist Hansi Müller Tanzlehrer im Banat. Der in Rumänien geborene Hansi Müller war 1980 nach Deutschland ausgewandert. Mit seiner Mutter und seinem Bruder ist er nach München gezogen. 2013 ist er nach Rumänien zurückgekehrt. Er wollte die Firmen seines Vaters aus Arad übernehmen, ist aber dann nach einiger Zeit nach Temeswar gezogen und hat eine Gaststätte am Domplatz eröffnet. Nach einem halben Jahr hat das nicht mehr richtig funktioniert und so ist er zum Deutschen Forum gegangen, um sich dort einen Job, der mit Tanzen zu tun hat, zu suchen. Ihm wurde vorgeschlagen, als Tanzlehrer in Warjasch anzufangen. 2014 wurde er Choreograph der Tanzgruppe "Warjascher Spatzen". Derzeit gibt es mehrere Tanzgruppen, denen er das Tanzen beibringt: "Billeder Heiderose", "Buntes Sträußchen"(Großsanktnikolaus), "Hatzfelder Pipatsche" und "Lustige Lenauschüler". Er hat mit den Ensembles an vielen Wettbewerben teilgenommen und ist viel mit ihnen gereist. Außerdem organisiert er mit den Tanzgruppen Fasching, Osterball, Maibaumfest, Kirchweih, Kathreinerball, Sankt Martins- und Nikolausfest. Über all diese Themen sprach Astrid Kataro mit Hansi Müller.

Wie wählen Sie die Kinder für Ihre Tanzgruppen aus?

Ich schau mir sie ersteinmal an und dann fordere ich sie zu einem Bewegungstanz auf, hauptsächlich soll es nichts mit der schwäbischen Kultur zu tun haben. Ich lehre sie immer spielerisch tanzen, zum Beispiel animiere ich sie, Polka auf Hip-Hop zu tanzen, oder wir haben einmal sogar Walzer  auf die Melodie aus "Die Schöne und das Biest" getanzt.

Wie bringen Sie die Kinder dazu, während dem Tanzen zu lächeln?

Mit Witzen, wie zum Beispiel: "Hei, seid ihr alle auf dem Friedhof?" oder "Hei, ist jemand gestorben?". Oder wenn wir gerade bei einer Vorführung sind, dann bin ich hinter der Bühne und zeige ihnen, dass sie lächeln sollen, indem ich lustige Gesichter schneide. Was ich noch für sehr wichtig halte, ist das Jauchzen. Wenn die Jungen auf der Bühne sind, dann sollen sie jauchzen. Das muss ich ihnen gar nicht mehr sagen, das kommt bei ihnen schon automatisch. Aber in erster Linie kommen die Kinder freiwillig zu mir in die Gruppen. Ein Kind, das gezwungen wird, zu tanzen, dem bringst du das Lächeln schwer bei. Es muss selber tanzen wollen. Dann muss man es auch nicht zwingen zu lächeln.

Wieso wählen die Kinder Sie als Tanzlehrer?

Ich bin wie sie! Ich bin wie die Kinder! Ich mach mit, was sie machen! Ok, jetzt nicht alle Streiche und Neckereien, was die machen. Aber ich habe meine kindliche Seite nicht verloren. Ich höre ihre Musik, geh mit ihnen angeln. Ich verbringe gerne meine Freizeit mit ihnen. Ich bin nicht nur der strenge Tanzlehrer für sie, ich kann sagen, ich bin sogar ein Freund für sie. Außerdem, habe ich meinen Tanzgruppen beigebracht, dass sie alle zusammenhalten. Egal, ob es jetzt die "Warjascher Spatzen", "Billeder Heiderose", "Hatzfelder Pipatsche" oder "Buntes Sträußchen" sind, wenn zum Beispiel eine Gruppe nicht genug Jungen hat, dann mobilisieren sich Jungs aus anderen Gruppen und helfen aus.

Wie machen Sie die Choreographien?

Also ich hab in Deutschland gelernt, die Geschichte der Musik zu verstehen. Zum Beispiel bei "Liebesgedanke" ist die Choreografie am Anfang so gemacht, dass die zwei Tanzpartner sich einander in die Augen schauen. Mein Tanzlehrer hat immer gesagt:"Je weniger und kürzer die Figuren, desto schöner ist der Tanz!" Meine Tänze sind immer zwei bis drei Minuten lang, vier Minuten ist schon langweilig.

Woher oder woraus nehmen Sie Ihre Inspiration?

Also das Meiste kommt aus meinem Inneren. Oft habe ich ganz spontane Einfälle; zum Beispiel ich sitze im Auto und denk mir einen Tanz aus. Oder wenn ich im Zug bin, dann muss ich mich ja nicht auf das Lenken konzentrieren und habe immer schöne Tanzfiguren im Kopf. Oder wenn ich durch ein Museum spaziere, dann hab ich auch Ideen für neue Tänze; meistens wenn ich Werkzeuge sehe. Ich hab jetzt einen neuen Tanz, den habe ich noch keiner Gruppe beigebracht, nämlich der Webertanz, wo man sich während dem Tanzen mit dem Partner in den Kreis quasi einwebt.

Wie machen Sie die Verbindung zwischen den schwäbischen Traditionen und dem Tanzen?

Es gibt noch ein paar Kinder die schwäbische Wurzeln haben, aber nicht viele. Die kennen dann die Traditionen von zu Hause. Den anderen erkläre ich, wie die Schwaben damals gelebt haben und zeige ihnen ihre Kultur und ihre Feste auf. Wir feiern jedes Jahr mit den Tanzgruppen Fasching, Kirchweih, Maibaumfest. Aber was mich besonders freut, ist, dass es viele ethnische Minderheiten bei mir in den Gruppen gibt. Wir haben Serben, Ungarn sogar Ukrainer. Rumänische Kinder haben wir natürlich auch. Und alle helfen dabei die schwäbischen Traditionen an die jungen Leute weiterzugeben, damit sie nicht verloren gehen.

Was bedeutet für Sie das Tanzen?

Ich hatte so zu sagen die schwäbische Kultur in der Wiege. Ich war immer entweder auf dem Fußballstadion oder im Kulturhaussaal. Für mich war Tanzen immer was Schönes! Mit 18 hatte ich beide Füße gebrochen und nicht mal das hat mich aufgehalten zu feiern. Von 1984 bis 2010 hab ich bei der Münchner Tanzgruppe der Banater Schwaben getanzt.

Zwischen den Jahren 2010 und 2014 hatte ich eine kleine Zwangspause, da ich krank war, aber sonst habe ich immer getanzt. Ich bin mit den Kindern viel unterwegs. Wir haben viele Vorführungen, sowohl in Rumänien, als auch im Ausland. In diesem Sommer waren wir zum Bespiel in Griechenland, in Deutschland und wir hatten viele Auftritte auch hier in Rumänien. Außerdem haben wir Kirchweih in verschiedenen Ortschaften aus dem Banat gefeiert.

Was für Tänze tanzen Sie?

Alles mögliche. Ich tanze auf irische Musik, Hip-Hop, Tango, sämtliche moderne auch, bei Flashmobs mache ich mit, einfach alles mögliche. Es war ja so, dass ich als kleiner Junge Ballet tanzen wollte. Das war mein größter Wunsch. Aber mein Vater hat es für unmöglich gehalten, dass ein Junge Ballet tanzt, und hat mir Fußball angeboten. Deshalb habe ich dann angefangen Fußball zu spielen, und wie gesagt, alle konnten mich entweder auf dem Fußballplatz, oder im Kulturhaussaal finden. Von da an, sind meine zwei Lieblingsbeschäftigungen das Tanzen und das Fußballspielen.

Was unterscheidet eine Tanzgruppe und Tanzen überhaupt zwischen damals und heute?

Heutzutage ist es viel schwieriger eine Tanzgruppe zu leiten, weil es sehr viele Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung gibt. Früher war es nur Fußball und Handball und das war's schon! Heute ist ein Jugendlicher oder ein Kind vielen Sachen ausgesetzt: Computer, Handy, Karate, Kung-Fu, Klavierstunden, Mathematiknachhilfestunden. Es ist mehr Überzeugungsarbeit zu leisten, dass er beim Tanzen bleibt. Auf die Kinder wirken heute viele Einflüsse von außen ein. Es wird so viel Information eingeprägt, dass manche Kinder gar nicht wissen, wie eine Kuh oder ein Schwein ausschaut, weil sie einfach nur zu Hause sitzen. Es ist ein Wunder, dass die überhaupt noch vor die Tür gehen; obwohl es gerade heute so viele Möglichkeiten gibt. Ich bin sehr froh, dass die Leute zu mir kommen, weil ich nicht einseitig bin. Du kannst deinen Ideenreichtum besser gestalten, wenn du vielseitig bist, dass es dann nicht langweilig wird. Das ist sehr wichtig.

Wie überzeugen Sie die Kommunalverwaltungen davon, dass solche Tanzgruppen notwendig sind?

Die Kommunalverwaltungen wollen, dass wir solche Gruppen bilden. Die Obrigkeiten sprechen mich an. Ich brauch sie gar nicht zu überzeugen, weil man sieht, wie die Kinder nach einem Jahr schon tanzen. Viele Bürgermeisterämter rufen mich an, und wollen eine Tanzgruppe bilden. Das Deutschtum ist in letzter Zeit sehr beliebt geworden. Es ist möglich, dass der Einfluss von unserem Präsidenten kommt, da er ein Deutscher ist, aber es kann auch meine Arbeit sein, die sie davon überzeugen, eine Tanzgruppe zu bilden. Obwohl ich denke, dass es eher meine Arbeit ist, die die Kommunalverwaltungen überzeugt. Sie hätten das schon früher machen können, zusammen mit der Tanzgruppe "Banater Rosmarein", aber sie haben es nicht getan. Sie rufen mich an, ich brauch sie nicht zu überzeugen. Also was ich dargestellt habe, hat sich rumgesprochen und viele Bürgermeister im Banat rufen mich an, und wollen meine Arbeit haben.