Alte Sünden, neue Strafen

Das neue Verkehrsgesetz: 1000 Euro Bußgeld für Alkoholsünder

Der dichte Stadtverkehr stellt Fahranfänger vor eine harte Probe. Vielleicht wäre für sie ein Pflichtbeifahrer und damit ein weiteres Augenpaar eine weitere gute Vorschrift für die Verkehrssicherheit.
Foto: Zoltán Pázmány

Verdutzt und etwas gestresst reagieren derzeit die Fahrer auf die ungewohnt häufigen und strengen Kontrollen der Verkehrspolizei auf den Straßen Rumäniens, vor allem auf die unliebsamen Verkehrsfilter zu später Stunde am Wochenende: Obwohl alle wissen, dass ein neues Verkehrsgesetz mit viel drastischeren Strafen für die gewohnten, kleineren und größeren Verkehrssünden in Kraft getreten ist, wird es in den Köpfen sicher noch eine Zeit dauern, um die alten schlechten Gewohnheiten über Bord zu werfen. „Schön und gut, aber die Bußgelder sind doch zu hoch geraten“, stöhnen die Fahrer. 1000 Euro für Alkohol am Lenkrad? Ist es korrekt, dass ein einfaches, unschuldiges Gespräch mit dem Handy am Lenkrad soviel Geld kostet wie ein neues Smartphone?
Wer jedoch nur einen Blick auf die Kehrseite der Medaille wirft, bekommt regelrecht das Grausen: Der Blutzoll auf unseren Straßen ist weiterhin der höchste in Europa. Das Risiko, hierzulande im Verkehr zu sterben, ist fast doppelt so hoch wie im EU-Schnitt (am sichersten fährt man übrigens noch immer in Großbritannien und Schweden). Mit bis zu 90 Toten auf eine Million Einwohner belegt Rumänien seit Jahren hinsichtlich der Verkehrssicherheit den letzten Platz hinter Bulgarien und Griechenland.

Laut der Unfallbilanz des Landesamts der Verkehrspolizei (INP) wurden 2014 in unserem Land 324 Unfalltote und 3080 Verletzte verzeichnet. Bei der Mehrheit der Unfälle mit Fußgängern lag das Verschulden auf Seiten des Fahrers, und zwar in 58 Prozent der registrierten Fälle. Trotzdem nicht zu vergessen: Viel zu viele Unfälle mit Fußgängern gehen darauf zurück, dass diese die Straße leichtsinnig oder unachtsam an nicht erlaubter Stelle überqueren. Die am häufigsten verletzten Verkehrsregeln: Missachtung der Vorfahrt, Alkoholgenuss und überhöhte Geschwindigkeit. Die Zahlen belegen insgesamt eine leichte Verbesserung der Unfallbilanz gegenüber dem Vorjahr, doch der rumänische Verkehr mit seinen vielen Risikofaktoren kommt so leicht nicht vom ewigen EU-Schlusslicht weg. Diese Bilanz unterstreicht einerseits die mangelnde Verkehrssicherheit im Land, doch sie verweist andererseits auch auf etliche hergebrachte, schlechte Gewohnheiten aller Verkehrsteilnehmer, egal ob motorisiert oder zu Fuß: riskantes, aggressives Verkehrsverhalten sowie eine lückenhafte und ineffiziente Verkehrserziehung. Letztlich handelt es sich aber auch um eine uralte Sünde – die Missachtung von Leben und Rechten der Mitmenschen.

Bußgelder bis zu 9750 Lei

Nach dem neuen Verkehrsgesetz liegt die kleinste Geldstrafe bei 195 Lei, die höchste jedoch bei 9750 Lei. Dieses maximale Bußgeld erwartet Fahrer, die trotz akustischem oder visuellem Verbot nicht vor Eisenbahnübergängen haltmachen. Gleichfalls steht diese Höchststrafe auch Fahrern zu, die einen Unfall verursachen und dabei auch noch mit einem höheren Alkoholgehalt als 0,25 Promille ertappt werden. Ein Fahrverbot gilt für alle, die Drogen, Arzneimittel oder Alkohol (0,15-0,25 Promille) eingenommen haben, es gelten Geldstrafen der Klasse V (21 bis 50 Strafpunkte, also 1680-4000 Lei) und Führerscheinentzug bis zu 180 Tagen. Wird ein Alkoholgehalt von mehr als 0,5 Promille festgestellt, so wird das als Straftat geahndet und führt zu einer ein- bis fünfjährigen Haftstrafe.

Viel drastischer ausgefallen sind die Strafen für das Handygespräch am Steuer während der Fahrt oder für das Fahren ohne angelegten Sicherheitsgurt: 1600 Lei, also zehnmal höher als bisher. Ein hartes Los trifft auch die Geschwindigkeitssünder: Die Überschreitung des Geschwindigkeitslimits mit 51 bis 60 km/h wird mit Bußgeldern der IV. Klasse, von 9 bis 20 Strafpunkten, also mit 720 bis 1600 Lei und mit Führerscheinentzug für 90 Tage geahndet. Wird das Limit mit mehr als 60 km/h überschritten, stehen Strafen der Klasse V an. Die Höchststrafen, von 4080 bis 9600 Lei, gelten für Überschreitung der gesetzlichen Höchstgeschwindigkeit mit mehr als 60 km/h plus Unfall mit Sachschäden. Der Fahrer bleibt ein Jahr lang ohne Führerschein, bei Unfällen mit Personenschaden zwei Jahre. Zu den Neuheiten dieses Verkehrsgesetzes zählen unter anderem auch die folgenden Vorschriften: Ab nun können die Fahrer auch von Agenten (in Uniform) der Steuerbehörde ANAF angehalten werden. Bei Nichtbezahlung der Geldstrafen wird der Führerschein automatisch gesperrt. Biologische Proben bei Unfällen können nun auch direkt am Unfallort genommen werden. Für den Kindertransport (bis zu drei Jahren) sind ab nun Spezialsitze mit Sicherheitsgurt, je nach Alter und Gewicht, nötig. Kinder bis zu 12 Jahren dürfen nicht auf dem Beifahrersitz mitfahren (Ausnahme: Babys mit Spezialsitz).

Eigentlich wurden die Bußgelder mit diesem neuen Verkehrsgesetz jedoch praktisch gar nicht erhöht: Vertreter der rumänischen Polizei und Regierung wiesen mehrmals darauf hin, dass lediglich der Wert eines Strafpunkts ab dem 1. Januar 2015 erhöht wurde. Der Wert eines Strafpunkts macht nun 10 Prozent des rumänischen Mindestlohns bzw. 97,5 Lei aus. Ab 1. Juli wird der Wert eines Strafpunkts auf 105 Lei angehoben werden. Beibehalten wurde die Vorschrift, laut der die Strafpunkte nach einer Zeitspanne von sechs Monaten ohne Verkehrsdelikte annulliert werden. Zudem tritt ab Anfang Mai eine neue EU-Direktive in Kraft, nach der alle am Steuer ertappten Verkehrssünder aus der EU und damit auch aus Rumänien künftig überall in der Union ihre Bußgelder begleichen müssen. In der EU werden Vergehen im Verkehr schon seit Jahren viel drastischer bestraft als in Rumänien und anderen östlichen Nachbarstaaten. Höchststrafen gibt es für Alkoholgenuss: In Ungarn werden umgerechnet 980 Euro fällig, in Großbritannien gar 5715. Das gleiche gilt für Raser (Überschreitung des Limits mit 50 km/h): 2128 Euro in Österreich und umgerechnet 2860 Euro in Großbritannien. Ein nachahmenswertes Spezialsystem für Bußgelder haben Finnland und Dänemark: Hier werden die Strafen nach dem Einkommen des schuldigen Fahrers berechnet.