Antwort auf eine Frage geben

Die Röntgengeräte der neueren Generationen können gestochen scharfe Bilder vom menschlichen Organismus machen. Für die Medizin sind klare Bilder ganz wichtig. Aber in der Psychologie, der Seelenkunde, muss man sich weiterhin langsam durch Gespräche, Befragungen und Untersuchungen vortasten, um die Ursachen der Leiden der Patienten zu ergründen. Wie hilfreich wäre ein Röntgengerät für die Seele?

Studien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigen, dass das Leiden unter Ängsten und Depressionen in der Weltbevölkerung von Jahr zu Jahr rasant ansteigt. Die Ursachen sind sehr vielfältig, aber die Folgen sind nicht zu übersehen. Dennoch werden solche Angststörungen oft unterschätzt; in Deutschland spricht man sogar von einer neuen Volkskrankheit.
Wir können getrost zugeben, auch wir haben immer wieder Angst. Wir fürchten um unsere Gesundheit, unseren Partner, unsere Familie, um unseren Ruf, unseren Besitz, um unsere Zukunft. Wie wird es in unserem Land weitergehen, wie wird die Europäische Union ihre Krisen bewältigen, wie werden die Mächtigen dieser Welt agieren? Furcht gehört zum menschlichen Leben dazu und ist ja auch begründet.

Auch unsere Kirche muss vielfältige Herausforderungen bewältigen. Die von den Gemeinden gemeldeten Seelenzahlen zeigen, dass der Abschwung noch nicht wesentlich gebremst werden konnte, die Verwaltung des Kircheneigentums überfordert viele und die unterschiedlichen Meinungen in den eigenen Reihen bewirken eine allgemeine Verunsicherung. Wo bleibt Gott? Gott ist scheinbar eingeschlafen, wenn es um seine Kirche auf Erden geht. Warum gehören die Christen zu der weltweit am meisten verfolgten Religionsgemeinschaft? Wo bleibt also Gott?

Ich stelle fest: Gott sieht uns, er sieht in unser Innerstes! Und er sieht zwei Dinge ganz besonders: Er sieht zum einen die Furcht seiner Menschen und er sieht zum anderen, wie die Menschen den Herrn vergessen. Diese beiden Tatsachen werden in dem Bericht von der Stillung des Sturms anschaulich vor Augen geführt.

Die Jünger Jesu waren mit ihrem Boot auf dem See Genezareth, dem tiefstgelegenen Süßwassersee der Erde (212 m u. M.), unterwegs. Ein anstrengender Tag lag hinter ihnen und Jesus hatte sich hinten im Boot auf einem Kissen hingestreckt und war eingeschlafen. Diese abendliche Bootsfahrt wird zu einem wahrhaftigen Abenteuer, denn plötzliche Sturmböen peitschen die Wellen so hoch, dass das Wasser ins Boot schwappt und es zu kentern droht. Alle Bemühungen der Männer, darunter auch erfahrene Fischer wie Simon Petrus und dessen Bruder Andreas, dem Unwetter zu trotzen, sind nutzlos. Letztendlich wenden sie sich in ihrer Panik an Jesus und wecken ihn auf. Jesus aber bedroht den Wind und die Wellen und plötzlich herrscht große Stille über dem See. Und dann stellt Jesus seinen Jüngern die Fragen: Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben?

Was wird hier symptomatisch deutlich? Weil ihr glaubt, ihr seid allein, weil ihr meint, Gott sehe eure Nöte nicht und erhört eure Gebete nicht, darum habt ihr Angst und fürchtet euch vor dem und denen, die euch und euer Leben bedrohen! Oder anders gesagt, ihr gebt mehr Macht dem, was euch bedroht und Angst macht, als dem, der euch geschaffen hat und euch beschützt!

Ist das nicht verrückt? Wir richten unsere ganze Aufmerksamkeit und schenken unsere Achtung dem, was uns Angst macht und bedroht. Aber dem, der uns geschaffen hat, der uns mit seiner Liebe und Fürsorge täglich begleitet, Ihm gönnen wir vielleicht ein Stoßgebet, ein knappes Vaterunser und vielleicht sonntags eine besinnliche Stunde. Das ist schon verrückt.
So müssen auch wir uns die Frage Jesu gefallen lassen: Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben? Was antworten wir darauf?