Anwaltlicher Auftrag von besonderem Zuschnitt (IV)

Ein weiteres Gespräch mit Dr. Heinz-Günther Hüsch, dem deutschen Verhandlungsführer beim Freikauf der Rumäniendeutschen, geführt von Hannelore Baier

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Wie und von wem erhielten Sie die Informationen über die Lage der deutschen Minderheit in Rumänien?

Darüber habe ich sehr viele Informationen bekommen aus ganz unterschiedlichen Quellen. Es gab Ausarbeitungen des Bundesnachrichtendienstes über die Lage der Deutschen im Ausland generell, und da war ein Kapitel jeweils auch Rumänien gewidmet. Dann gab es Berichte des Deutschen Roten Kreuzes über die Befragung von Aussiedlern, es gab Botschaftsberichte, namentlich um 1988 herum, und es gab die Beobachtungen der Presse und der Pressedienste. Letztere habe ich von mir aus angefordert, die anderen wurden mir von meinem Auftraggeber zur Verfügung gestellt. Das waren umfängliche Berichte, die wurden in den Gesprächen mit ihm erörtert, weil wir ja daraus Erkenntnisse gewinnen wollten, insbesondere auch darüber, wie sich die rumänischen Behörden vor Ort verhielten bzw. ob das, was in meinen Verhandlungen behauptet wurde, sich vor Ort auch so verhielt. Sie müssen davon ausgehen, dass es aus den 22 Jahren sehr umfangreiche schriftliche Unterrichtungen und zahlreiche Gesprächsteile mit meinem Auftraggeber gibt.

Wenn Sie die Sachen vertieft untersuchen wollen, werden sie feststellen, dass die Korrespondenz mit meinem Auftraggeber viel informativer ist als die Verträge. In diesen Korrespondenzen kommen viel mehr Erwägungen zum Tragen; Überlegungen, Analysen, Vorschläge, die ich gemacht habe, und was auch immer in so einem Geflecht von Vorgängen eine Rolle spielt. Über die Lage der deutschen Minderheit in Rumänien bin ich unterrichtet gewesen. Ich will aber hinzufügen, dass manches lückenhaft war und im Besonderen die Vorstellung auf deutscher Seite, wer meine Verhandlungspartner auf rumänischer Seite tatsächlich sind, waren rudimentär bis falsch. Es ist offensichtlich – obwohl ich mehrfach darauf gedrängt hatte – den deutschen Stellen nicht gelungen, die Identifizierung der Personen vorzunehmen, so wie sie jetzt in „Recuperarea“ beschrieben sind. Das war nicht Bestandteil des Wissens auf deutscher Seite, jedenfalls nicht, soweit es mir zugetragen war.

Aber auch als Bundestagsabgeordneter ist man in viele Informationsstränge einbezogen, ich habe die amerikanischen und die englischen Publikationen gelesen, und was ich zudem aus der Außenpolitik erreichen konnte. Es gab auch sonst eine Menge an Informationszuflüssen – die aber in keiner Weise aus dem Bereich der Landsmannschaften stammten. Ich habe sehr sorgfältig darauf geachtet, wissentlich keinen Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Dass der eine oder andere aus dem Vorstand der Landsmannschaften mich vielleicht mal getroffen hat oder ich ihn gesehen habe, ist aber möglich. Ich muss hinzufügen – und das hat man mir aus dem Bereich meines Auftragsgebers angedeutet – dass man sich nicht sicher war, ob und inwieweit Vorstände und Geschäftsführung der Landsmannschaften auch mit der rumänischen Seite „kooperieren“. Es hat sich ja wohl auch später herausgestellt, dass es so war.    

Bei der Konferenz „Aus den Giftschränken des Kommunismus“ (Ende April in Berlin) wurde mir die Frage gestellt, ob die Informationen aus den Dokumenten der CNSAS nicht durch Dokumente des BND zu ergänzen seien bzw. ob ich Antrag auf Einsicht gestellt hätte. Meinen Sie, das wäre möglich?

Ich bin kein Beauftragter des Bundesnachrichtendienstes gewesen. Ich habe wohl in den Fällen Willy I, II und III (vgl. „Kauf von Freiheit“, S. 118 ff) auf Bitten des Bundeskanzleramtes, allerdings zum Teil ausgelöst vom Bundesnachrichtendienst, für diesen vermittelt, aber immer Wert darauf gelegt, der rumänischen Seite zu sagen, dass ich kein Beauftragter des BND bin. Ich glaube, dass wirkliche Klarheit über die Vorgänge erst aus den Vergleichen der beiden Archive zu erhalten sein wird – allerdings nicht des BND, sondern des Archivs des Innenministeriums. Wenn Sie mich befragen, müssen Sie immer berücksichtigen, ich bin ein Beauftragter und nicht Mitarbeiter des Innenministeriums gewesen und ich weiß nicht, was das Ministerium selbst gedacht und wie es gehandelt hat. Da gibt es wahrscheinlich auch Aufzeichnungen über Gespräche mit mir und über mich, davon gehe ich aus. Darüber kann ich nichts sagen, und habe auch nicht die Absicht, das einzusehen.    

Zumindest seit Anfang der 1970er Jahre gab es von der Securitate „gestreute“ Materialien, die auch an bundesdeutsche Medien und Gesprächspartner vertrieben wurden, um (angeblich) „korrekt“ zu informieren, da Ceauşescu der Ansicht war, im Ausland werde die Lage im Land falsch dargestellt. Erhielten Sie dergleichen Informationen bzw. haben Ihre Verhandlungspartner Ihnen gegenüber dergleichen Statements vorgebracht über die Rechtslage, die Kultureinrichtungen, Schulen usw. in deutscher Sprache?

Ich habe von den rumänischen Gesprächspartnern keinerlei Informationen schriftlicher Natur erhalten; über die Rechtslage und dergleichen war ich aus anderen Quellen unterrichtet worden. Ob das vollständig war und richtig, weiß ich nicht. Es gibt Ausarbeitungen über die Lage der Rumäniendeutschen der verschiedensten Art, es kann durchaus sein, dass da Informationen der rumänischen Seite eingeflossen sind, aber für mich nicht erkennbar. Ich bin nicht Empfänger rumänischer Erklärungen gewesen, ich gehe aber davon aus, dass die rumänische Seite in Verhandlungen mit mir, wenn und soweit das eine Rolle gespielt hat, ihre Informationen streute. Sie hat ja immer versucht darzustellen, dass eigentlich alles in Ordnung sei – und wir wissen, dass auf jeden Fall erkennbar gelogen wurde. In den Bereichen, für die wir was tun wollten – der deutschen Theater, Ausbildung zum Beispiel – da ist sicherlich argumentativ von rumänischer Seite immer die für Ceauşescu „korrekte“ Meinung eingeflossen, für mich hat das aber keine entscheidende Rolle gespielt.

Hatten Sie Kenntnis von Organisationen, Institutionen oder Personen, die sich gegen die Ausreise ausgesprochen haben?

Wenn Sie nach Organisationen fragen: Nein. Ich hatte die Information, dass Bischof Albert Klein bei Besuchen in Deutschland als Gegner der Ausreise aufgetreten ist, oder zu einer Mäßigung geraten hat – das kann ich jetzt nicht gewichten. Mir ist vorgetragen worden, dass Klein mit der Ausreise nicht einverstanden war. Ich habe nachgelesen, dass es um 1988/89 einen Vorgang gab, als wir im Begriff waren, das „zweite Bein“ auch auf meinem Bereich zu beleben. Parallel dazu bemühte sich auch die deutsche Botschaft. Es ist ja nicht so, als ob sie nichts getan hätte, aber sie kam nicht durch, sie hatten offensichtlich nicht den Zugang zu den Stellen, die darüber entschieden. Es gibt also einen Bericht der Botschaft über ihre Bemühungen und Überlegungen, der von der Ausarbeitung der Landsmannschaften ausgeht, was man alles tun könnte, namentlich im Einrichten von Sozialstationen. In einem Voranvermerk des Berichtes wird in einem Halbsatz erwähnt, man habe erfahren, dass Bischof Klein kein Freund davon gewesen sei. Ob das nun genau definiert ist, weiß ich nicht.

Wie war die Zusammenarbeit mit der deutschen Botschaft in Bukarest bzw. inwieweit waren die Diplomaten in Ihre Tätigkeit eingeweiht?

Das ist eine sich entwickelnde Geschichte. In den ersten Jahren bin ich fast als Tourist nach Rumänien gefahren, so auch gekleidet, und habe keinen Kontakt zur Botschaft gesucht. Ich nehme an, die Botschaft war unterrichtet, sie hat mich aber nicht kontaktiert. Das hat sich erst geändert unter Wickert. Erwin Wickert (deutscher Botschafter in Bukarest zwischen 1971 - 1976) war ein Diplomat von anderem Zuschnitt, er war denkmäßig unabhängiger und er hatte das Vertrauen von Außenminister Schröder, später auch von Brandt. Wickert hat mich dann eingeladen und darauf bestanden, dass mir ein Diplomatenpass zur Verfügung gestellt wird, den ich auch bekommen habe. Seitdem bin ich dann auch durchweg in die Botschaft gefahren, wenn der Botschafter das wünschte, er wurde auf den deutschen Kanälen unterrichtet, dass ich da war. Ich hatte auch das Recht, sofort von den Nachrichtentechniken Gebrauch zu machen, falls notwendig – das habe ich aber ganz selten getan. Es gab aber eine Reihe von Gesprächen in der sogenannten Laube – das ist der abhörsichere Bereich – und dazu bestand auch Anlass. Zum einen waren die Botschafter natürlich interessiert, was verständlich war. Ich habe manchmal die Botschafter aber nicht unterrichtet, weil der Anspruch auf Erstunterrichtung beim Innenminister, meinem Auftraggeber, und nicht beim Außenminister lag. Aber es gab Vorgänge, wo der Botschafter sofort unterrichtet werden musste. Darüber möchte ich aber nicht sprechen.

In den Unterlagen des CNSAS ist aus der Zeit von Marcu als rumänischer Verhandlungspartner dokumentiert, dass einmal Geld in 3 Briefumschlägen übergeben worden sei und bei der Übergabe in Bukarest 20.000 DM gefehlt hätten. Bei der nächsten Geldübergabe habe „Eduard“, also Sie, die fehlende Differenz gezahlt.

Gelaufen war das etwas anders. Die Briefumschläge enthielten 1 oder 2 Millionen DM, die wurden in der Commerzbank gezählt, vor mir und es war in der Regel ein Bankdirektor, oftmals auch ein Polizeibeamter dabei, dann in die Tüten gegeben und versiegelt. Bei der Übergabe habe ich natürlich gebeten, Marcu soll zählen, worauf der gesagt hat, dass es nicht nötig sei, schließlich habe es bisher immer gestimmt. Bei der nächsten Besprechung hat er dann gesagt, es fehlten 20.000 DM. Das sind genau ein Bündel 1000-DM-Scheine. Ein solches Paket fehlte, und das schien mir ziemlich ausgeschlossen zu sein. Ich habe gesagt: „Sie haben das Geld in Empfang genommen und die Summe bestätigt.“ Das hat er nicht bestritten, fragte aber, wie wir das Problem lösen können. Ich kam zu der Formulierung dass „wir  mal operativ denken“ sollen. Bei dem nächsten oder übernächsten Treffen – die Begegnungen fanden in relativ dichten Folgen statt – hatten wir auch Zahlendifferenzen auszugleichen, die sich aus der Einordnung in die Kategorien und aus den Anzahlen der Ausgereisten ergeben hatten. Nun sahen wir, dass Marcu in Schwierigkeiten war. Ich habe die Situation intern meinem Auftraggeber vorgetragen – ich hatte ja die Verantwortung für das Geld – dass die Übergabe ordnungsmäßig erfolgt und bestätigt worden war, und machte den Vorschlag, wenn wir uns vergleichen, die Summe in den Vergleich einzubauen. Wenn ich mich richtig erinnere, dann kamen wir im Vergleich auf etwas über eine Million, und dann habe ich 20.000 DM draufgelegt. Damit war Marcu hochzufrieden, denn er war der Verantwortliche auf rumänischer Seite, er hatte das Geld entgegengenommen und ihm fehlte das Geld. Unsere interne Überlegung war, wir wollen ihn nicht wegen 20.000 DM hängenlassen.

Dargestellt wird es in den Unterlagen, als wäre das Geld hier nicht gezahlt worden...

Die Behauptung musste er so aufstellen, ich kann nur sagen, er hat die verschlossenen Umschläge entgegengenommen und nicht gezählt. Das hatte er früher getan, das war ihm aber lästig geworden, es war ja auch viel Arbeit, die Tausendmarkscheine zu zählen. Drei Umschläge waren eine beachtliche Summe. Die Übergabe war in Köln, in der Botschaft, er hat nie Geld in Rumänien übernommen.

Manchmal hat die rumänische Seite sich das Geld zum Teil bar und zum anderen Teil in Schecks auszahlen lassen, beides aber an die Außenhandelsbank überreicht. Wissen Sie, warum diese Teilung erfolgte?

Ursprünglich gab es Barzahlungen, es war dies eine der – nicht geschriebenen – rumänischen Bedingungen. Das war auch ein Grund dafür, warum Rechtsanwalt Ewald Garlepp an den Besprechungen nach meiner Beauftragung sozusagen als „Notar“ noch teilgenommen hat. Nach der Übergabe der Bargelder haben wir jeweils Aufzeichnungen gefertigt, in denen die Bargeldübergabe dargelegt wurde. Diese Dokumente sind in meinem Besitz. Durch „Recuperarea“ erfolgte erstmalig eine Dokumentation aus rumänischer Quelle. Da die Höhe aller Auszahlungen sich nach den in Deutschland registrierten eingereisten Personen richtete und die jeweilige Höhe durch den Auftraggeber errechnet worden war, ergab sich intern kein Problem. Der Bundesrechnungshof war darüber unterrichtet und hatte seine Zustimmung zu dieser Form der Dokumentation gegeben. Ich hatte der rumänischen Seite von Anfang an vorgetragen, dass diese Form der Zahlung deutschen Vorstellungen nicht entsprach. Schließlich wurde die Teilung der Zahlung vertraglich festgelegt. Auf rumänischer Seite werden auch andere Überlegungen eine Rolle gespielt haben, wozu ich nur Vermutungen, aber keine Gewissheit habe. Ich nehme an, das Geld ist auf rumänischer Seite unterschiedlich weiter geflossen. Dafür, dass sich ein rumänischer Verhandlungsführer oder Dolmetscher persönlich bereichert hat, habe ich keinerlei Anhaltspunkte. Es wurde also vereinbart, mindestens die Hälfte in bar und die andere in Schecks zu zahlen.

Es gibt dann die Erklärung, dass ich für den Scheck nicht hafte. Die Erklärung ist wertlos in der deutschen juristischen Vorstellung. Die Schecks waren auf mein Konto ausgestellt und nur von mir unterzeichnet, also war ich Haftender. Um diese Haftung auszuschließen, habe ich eine Erklärung erbeten, dass ich nicht persönlich hafte. Die hat dann nicht Marcu unterschrieben, sondern Bucur, der Dolmetscher. Mir war klar, dass diese Erklärung im Falle eines Protestverfahrens nicht hilft, doch war mein Auftraggeber damit einverstanden. Das Geld musste ich vorbereiten, die Schecks habe ich manchmal aber erst in der Verhandlung ausgestellt, in Folge der Feststellung der zu leistenden Summe. Die konnte ich in der Regel erst in der Verhandlung feststellen. Marcu weigerte sich in die Kanzlei zu kommen, er schickte gelegentlich Bucur hin, mit Marcu habe ich offiziell immer in der Botschaft gesprochen. Er kam nach Neuss nur in besonderen Angelegenheiten, oder wenn er unbedingt mal Karpfen angeln wollte. Er war auch mal in der Eifel Forellen fangen, übrigens zusammen mit einem katholischen Priester.

1981/1982 ist ein „Sonderkonto Andronic“ mit einer Anlage von 850.000 DM in den Unterlagen bei CNSAS dokumentiert. Was war das für ein Sonderkonto?

Von den von uns anerkannten Zahlungen hat die rumänische Seite gelegentlich eine Abspaltung gemacht und gebeten, das Geld in der Bundesrepublik zu verwahren. Das ist von mir in einem Sonderkonto „Andronic“ bei der Commerzbank geführt worden, er hat das Geld später abgerufen oder sich auszahlen lassen. In dem Punkt bin ich nicht ermächtigt zu sprechen. Wenn Sie dahinter die Frage haben, ob Andronic das Geld für sich verwandt hat: Dafür habe ich keine Anhaltspunkte.

... und all dieses Geld kam aus dem Bundeshaushalt.

Ja, es waren Haushaltsgelder, sie kamen aus dem Titel „Rückführung der Deutschen aus dem Ausland“, wo ein Teil seiner Verwendung unter der besonderen Kontrolle einer kleinen parlamentarischen Kommission aus den drei Fraktionen unter strenger Geheimhaltung stand. Kein Mitglied dieser Kommission hat sich je an mich gewandt. Wir hätten die Vereinbarungen ja gerne auf völkerrechtlicher Basis geschlossen, die rumänische Seite ging auf die Abkommen aber nur unter der Bedingung strenger Geheimhaltung ein. Ich existierte also nicht, von mir wusste keiner, nicht mal der Spiegel hat bei mir recherchiert.