Arieşeni im Winter

Gebirgsluft, Märchenlandschaft, Skipisten

So schön ist der Ausblick, wenn man oben auf Skiern steht.

Auch mit dem Schlitten kann man unterwegs sein.

Wenig Andrang auf den Pisten sorgt für genussvolles Skifahren.

Eine Landschaft wie im Märchen
Fotos: Ştefana Ciortea-Neamţiu

Einen Skiort in Rumänien aufzusuchen ist für einen Temeswarer längst keine Normalität mehr: Österreich ist per Autobahn wunderbar erreichbar und lockt mit guter Infrastruktur, herrlicher Landschaft und traditionellem Essen. Neulich begeben sich manche Temeswarer, denen Österreich zu teuer geworden ist, auch nach Serbien. Sie erzählen von den Pisten und gutem Essen, müssen hierfür aber an die 400 Kilometer Anreise – nicht alle in bestem Zustand – in Kauf nehmen. Die gewisse Zurückhaltung, die die Temeswarer gegenüber den Skiorten in Rumänien haben, wird so umrissen: „Die Landstraßen sind schlecht befahrbar im Winter!“, „Die Infrastruktur der Skipisten lässt nach!“ „Da gibt es keinen Einkaufsabstecher!“.

Das erste Vorurteil hämmerte mir noch im Kopf, als wir das Auto bestiegen (die TV-Sender helfen jährlich fleißig mit, diesen Gedanken nicht zu vergessen) und wollte einfach nicht weg, trotz der Entwarnung, die wir von Bekannten erhalten hatten. Eine erste positive Überraschung, denn wir sind bei Neuschnee auf die Landstraße geraten: Sie ist perfekt geräumt, auch in der hügeligen Gegend um Ineu, bis Arie{eni, dann an den Pisten vorbei bis hin zu den Pensionen.

Die ersten Flocken waren in der Nähe von Ineu gefallen, aus der gepuderten Landschaft wurde eine weich und weiß eingebettete Landschaft in Arieşeni, wo dicke Schneeflocken rasant auf die Erde hinunter tanzten. Die Landstraße war aber schwarz und perfekt befahrbar. Viel Betrieb auf den Pisten, der letzte an diesem Wochenende, denn es ist Sonntag Spätnachmittag, für viele Urlauber die letzte Chance vor dem Nachhauseweg, noch einmal den Berg hinunterzufahren, noch einen Tee oder Glühwein mit Freunden zu genießen. Die Flutlichtanlagen auf den Skipisten geben eine heimelige Atmosphäre wieder und fördern die Endorphine, die Glückshormone, die frischen Schneeflocken im Gesicht steuern ihren Part dazu bei.

Zur Pension müssen wir weiterfahren, ein bisschen durch den verschneit-verzauberten Wald, wo schon dicke Schneepolster die Tannenzweige nach unten drücken. Es ist die richtige Wahl gewesen, denn die Pensionen am Rande der Skipisten bekommen mehr von dem Trubel ab, die Pensionen abseits aber mehr von der Ruhe und bieten unberührtere Landschaft.

Für ein paar Tage muss man sich wahrlich nicht die Mühe geben, weit zu fahren. Arieşeni liegt nur 250 Kilometer von Temeswar entfernt im Apuseni-Nationalpark im Westgebirge.

Arie{eni war eine Last-Minute-Entscheidung, wie es so kommt, wenn man nur vier Tage Urlaub und einen schneearmen Winter hat. Gebirge, Skipisten und echter Schnee - keine Trauerlandschaft, die von Kunstschnee-Streifen durchbrochen wird – das waren die drei Bedingungen für die Wahl. Bis im letzten Augenblick warteten wir also ab, ob es Râuşor, Arieşeni oder Muntele Mic werden würde. Der Wetterbericht und ein paar Anrufe bei den Pensionen zu dessen Bestätigung haben schließlich den Gewinner bestimmt: Arieşeni. Der Name hatte schon eine gewisse Resonanz von Freunden und aus der Presse, trotzdem konnte ein genaues Bild bisher nicht entstehen.

Reizvoll im Sommer wie im Winter

Arie{eni gehört zu einer neueren Generation von Wintersportorten in Rumänien, neuer als die Schulerau/Poiana Braşov oder Sinaia, aber älter als Rânca beispielsweise. Die Ortschaft wuchs in den 1990er Jahren schnell heran, wurde mit Freude entdeckt, für Sommer- wie auch für Winterurlaube. Ob nun Wanderungen, bei denen man die Höhle Coiba Mare, den Wasserfall Vârciorog oder den Gletscher Scărişoara sehen wollte, oder sich über den Schnee im Winter und die Pisten freute, Arie{eni war plötzlich in Mode gekommen, so stark, dass der Bau von Privathäusern, Pensionen und Hotels boomte. Jetzt sind einige davon geschlossen, weil sie mit einem viel zu starken Aufwind gerechnet hatten. Trotzdem kann man in Arie{eni gut und günstig übernachten. Die Pensionen sind alle neu, schick, und jeder Gast findet, was ihm beliebt: eine große Küche zur Selbstversorgung, Ledersessel, ein TV im Kinoformat, ein fast zu warmes Zimmer und ein eigenes Bad mit Dusche oder einen Whirlpool, den man sich mit den anderen Gästen teilt.

Es lohnt sich fast nicht, im Hotel zu übernachten. Dafür aber lohnt es sich, das Restaurant aufzusuchen, wenn man den Urlaub genießen und nicht in der Küche stehen will.

Unsere Pension: neu, hell, adrett. Die Inhaberin: freundlich, arbeitsam, stets um unser Wohl besorgt. Die Frau hat hier das Sagen. Und sie nimmt auch kein Blatt vor den Mund, stemmt sich gegen den Tisch und bestimmt mit regionalem Akzent: „No, amu, nu plec până nu beţi tătă pălinca!“ („Na also, ich gehe nicht, bis ihr den Schnaps ausgetrunken habt!“) Es ist nicht mit der Frau zu spaßen, die sich selbst ein ordentliches Glas eingeschenkt hat, um mit den Gästen Numero 7 bis 10 von heute zu trinken!

Gebirgsluft und Schneeparadies

Der nicht so ganz frühe Morgen hat schon gezeigt, warum die Wahl richtig war! Weiche Schneelandschaft mit hellblauem Himmel – dazu eine gute Portion Gebirgsluft – so pur man sie sich nur vorstellen kann. Da fällt einem nur eines ein: Ein pfiffiger Franzose, hieß es neulich im Netz, hatte echte französische Dorfluft in Dosen im Internet verkauft. Vielleicht fällt es ja auch jemandem ein, die Gebirgsluft von Arie{eni in Dosen zu verkaufen. Sie ist es allemal wert! Die Lungen fühlen sich schon nach ein paar tiefen Atemzügen ganz anders an - und nach ein paar Talfahrten auf Skiern gleich noch besser, freier, frischer, viel gesünder. Den Staub aus der Stadt wird man allemal los! Die Skipisten bieten eine weitere schöne Überraschung. Eigentlich reicht die Infrastruktur zur Genüge für die paar freien Tage und Andrei S. „begnügt“ sich auch damit. Er ist Landesmeister im Skifahren bei den Junioren. Dann werden die Pisten auch für uns genügen: Vârtop I und Vârtop II – man kann sich richtig als Herr der Pisten fühlen, denn heute ist nicht viel Betrieb. Der Schnee knirscht so doch ganz anders, weil er echt ist, und das Knirschen hört man besser, weil wenig Trubel herrscht - man ist eins mit der Landschaft, mit dem Schnee.

Der Skilift funktioniert und auch der Skiverleih. An den kleinen Holzbuden, wo Skier samt Ausrüstung verliehen werden, hängen riesige Eiszapfen – ebenfalls ein schönes Geschenk des Winters und eine Freude für die Kinder. Eine Skischule gibt es auch, mit Zwergen, die sich unter dicken Jacken verbergen und sich in bockige Skischuhe hineinzwängen, um das Cowboy-Torkeln – der Gang in den Skischuhen erinnert nun mal daran – im Schnee zu üben, bis sie zu den Skiern gelangen, die draußen schön aneinandergereiht stehen. Muttis und Vatis trinken in der Zwischenzeit Tee oder haben sich selber auf Skiern aufgemacht, einige von ihnen in Begleitung eines Skilehrers – es ist nie zu spät.

Schneekanonen stehen am Rande der Pisten einsatzbereit, aber bei dem Schneewetter verharren sie, in Bewegungslosigkeit erstarrt, werden wohl über längere Zeit nicht in Betrieb gehen müssen. Darüber kann man sich eigentlich nur freuen. Für die paar Tage Urlaub hatten wir einen Treffer gelandet.

„Im Sommer müssen Sie wiederkommen!“ versucht uns die Leiterin der Pension, die auch Wanderungen organisiert, zu überzeugen. Und lockt mit Tannensirup und Waldbeerenmarmelade.