„Arme“ und reiche rumänische EU-Parlamentarier

Spitzenmann ist Adrian Severin, Schlusslichter Gigi Becali, László Tökés und C.V. Tudor

Wussten Sie, dass laut eigenhändig ausgestellter Vermögenserklärung die rumänischen Europaparlamentarier Corneliu Vadim Tudor, László Tökés, Gigi Becali (der auch den absoluten Rekord unter den Schwänzern im Europaparlament hält) und Vasilica Viorica Dănilă keinerlei Geld auf ihrem Konto haben? Bei monatlich mehr als 10.000 Euro, mit denen die europäischen Steuerzahler – also auch wir alle – sie dotieren, kann man nur eine beschränkte Zahl von Schlussfolgerungen daraus ziehen: entweder sie sind Lügner, oder Vergeuder, oder extrem schlechte Verwalter ihres eigenen Vermögens. Oder aber von alldem etwas. Selbst EBA, die als nicht unbedingte intellektuelle Leuchte beschriebene Präsidententochter Elena Băsescu, die auf ziemlich dubiose Weise zu einem unabhängigen EU-Parlamentsmandat in Straßburg und Brüssel gekommen ist, hat Geld auf dem Konto. Nicht viel, aber immerhin 16.200 Euro (Rang 25 unter den 33 rumänischen Europaparlamentariern).

Laut einer Aufstellung von Econtext hält Adrian Severin (Ex-PSD) den Spitzenplatz unter den rumänischen Europaparlamentariern, was Geld auf Konten betrifft. Er hatte im Vorjahr 997.816 Euro auf seinen Konten. Wieviel davon aus dubiosen Quellen stammt – man erinnere sich an den Lobbyistenskandal, der sich um ihn sowie slowenische und österreichische Kollegen rankte – und wieviel aus den reichlichen Bezügen von der Verwaltung des Europäischen Parlaments stammt, das bleibe in diesem Kontext dahingestellt. Fakt ist, dass Severin (auch) als Europaparlamentarier praktisch zum Euro-Millionär geworden ist und dass der Mann seine politische Karriere ruiniert hat, denn sowohl im Europaparlament als auch im Inland steht er isoliert und geächtet da, unabhängig davon, was letztendlich die Schlussfolgerungen sein werden aus den Untersuchungen, die gegen ihn laufen. 

Ein Arbeitstier und ein prüder Herr

Adrian Severin war ein zu Zeiten seines Außenministermandats durchaus verdienstvoller Mann, der auch an der Spitze des Sozialdemokratischen Instituts in Bukarest gute Arbeit geleistet hat, den aber letztlich die Versuchung des Teufelsauges Geld (es gehört zu den geflügelten Worten der Rumänen, dass sie von „banii=ochiul dracului“ sprechen) zu Fall brachte. Schade, er ist ein ansonsten gut informierter Vollblutpolitiker mit ausgewogenen Ansichten. Solche Politiker kann Rumänien nicht sehr viele vorstellen. Außerdem muss Adrian Severin ein richtiges Arbeitstier sein. Denn neben seinem Vollzeitjob als Mitglied des Europaparlaments – vor seiner Ächtung war er auch aktiver Teilnehmer an allen Diskussionen im Plenum und in den Ausschüssen – unterrichtet er auch als Prof. Dr. an zwei Hochschulen, fungiert als Projektekoordinator, als Richterrat an einem Handels-Schiedsgericht, als Experte (als solcher wurde ihm die Korruptionsfalle gestellt), und ist Mitglied im Leitungsstab mehrerer großer Firmen usw.

Im Ranking der reichsten rumänischen Europaparlamentarier folgt auf Severin der Temeswarer Cristian Buşoi (PNL), mit zugegebenen 722.574 Euro auf seinen Konten. Buşoi ist 2011 durch seinen hypermoralistischen Auftritt gegenüber einem Temeswarer Künstler aufgefallen, der für Buşois „Geschmack“ (oder „Ästhetikgefühl“, oder vielleicht eher Prüderie?) im Europaparlament „Pornografisches“ ausstellen wollte, und den Buşoi, der ihn eingeladen hatte, schließlich (auch mit ultraorthodoxen Argumenten) wieder auslud und die Ausstellung absagte. Ansonsten zeigt er sich gerne in Fernseh-Talkshows und meint wohl, dass ein Sitz im Europäischen Parlament genügt, um eine x-beliebige Meinung herauszuheben und zu legitimieren.

Jean Marian Marinescu (PDL) gibt einen Kontostand von 422.660 Euro an und schließt die Spitzengruppe ab. Über den Mann ist wenig zu sagen, weil er sich eigentlich durch nichts hervorgetan hat – Ausnahme vielleicht jetzt, mit diesem Kontostand.

Hochdotiert fürs Herumsitzen

Seit der laufenden Legislaturperiode haben Parlamentarier des Europaparlaments eine Art Einheitslohn, also nicht mehr den Proporzlohn (im prozentualen Verhältnis zu ihren „nationalen“ Parlamentariern), der früher ein starkes Einkommensgefälle zwischen Osteuropäern als Neumitglieder der EU und den Altmitgliedern mit ganz anderen Lohnniveaus verursachte. Die Folge ist nun, dass die Osteuropäer angeblich etwas gewissenhafter an den Parlamentssitzungen teilnehmen, während es unter den Westeuropäern betreffs der Sitzungsteilnahme etwas laxer zuzugehen begann.
Dieser monatliche Durchschnittslohn eines Europaparlamentariers beträgt stramme 6250 Euro. Dazu kommen noch monatlich die Tagessätze und Bezüge (Transport, Unterkunft, auf Verrechnungsbasis) von durchschnittlich 4000 Euro, die Unterhaltskosten ihres Personalbüros und ein täglicher Sitzungs- (oder besser: Anwesenheits-)Zuschlag von etwa 300 Euro. Auf diese täglichen rund 300 Euro, bloß dafür, dass er an den Sitzungen des Europaparlaments teilnimmt (ob aktiv gestaltend, das steht schon wieder auf einem anderen Blatt und ist nicht Bedingung für die Auszahlung), verzichtet ein Gheorghe Becali einfach, indem er die Sitzungen schwänzt. Dass er damit seine Wähler tagtäglich übers Ohr haut, interessiert den Schafzüchter nicht das Schwarze unterm Nagel. Andrerseits: wer brav die Sitzungen durchsitzt, bekommt dafür monatlich ein (zusätzliches) Sümmchen, von dem hierzulande schwer Arbeitende oder Rentner, die 50 Jahre lang geschuftet haben, bestenfalls als Jahreseinkommen träumen dürfen.

Ob aber diese Löhne und Bezüge die ausschließliche Grundlage des Kontostands der 33 Europaparlamentarier aus Rumänien sind, das mag angesichts eines Falles wie der von Adrian Severin dahingestellt bleiben. Selbst wenn er, wie bereits gesagt, ein richtiges Arbeitstier ist.

„Mittelständler“ und „Arme“ von Brüssel

Auf die Spitzengruppe der Verdiener folgt eine 12-köpfige Gruppe, angeführt von Adina Vălean (PNL) und abgeschlossen vom janusköpfigen Traian Ungureanu (PDL), die zwischen 279.108 und 100.000 Euro auf dem Konto haben. Ihr gehören neben den beiden Genannten noch an: Sebastian Bodu (PDL, 247.973 Euro), Cristian Preda (PDL, 212.474 Euro), Daciana Sârbu (PSD, 189.854 Euro), der Wendehals aus der Bukowina Victor Boştinaru (PSD, 163.129 Euro), Csaba Sogor (UDMR, 161.489 Euro), Ioan Enciu (PSD, 148.369 Euro), der Arader Iosif Matula (PDL, 142.885 Euro), Sabin Cuţaş (PC, 135.819 Euro), Oana Elena Antonescu (PDL, 124.938 Euro), Ex-Justiz-Sauberfrau Monica Macovei (PDL, 105.463 Euro), die ex-kommunistische Staatsanwältin Norica Nicolai (PNL, 105.251) und der schon genannte Traian Ungureanu, der sich zur intellektuellen Präsidentenpupille hochgerobbt hatte (PDL, 100.000 Euro).

Die Gruppe von Rang 17 (Silvia Ticău, PSD, 64.956 Euro) bis Rang 29 (Rareş Niculescu, PDL, 1400 Euro) umfasst noch die Ex-Regierungssprecherin Corina Creţu (PSD, 60.704 Euro), den aus Deva kommenden Ex-Handelsminister Iuliu Winkler (UDMR, 56.465 Euro), den Ex-Verteidigungsminister und Strippenzieher in Nordwestrumänien Ioan Mircea Paşcu (PSD, 54.030 Euro), die Bürgerrechtlerin und Juristin Renate Weber (PNL, 40.400 Euro), den Schriftsteller und Ex-Bürgermeister Claudiu Tănăsescu (PRM, 37.983 Euro), Ex-Premierminister und PNL-Verräter Theodor Stolojan (für Staatschef Traian Băsescu: „dragă Stolo“, PDL, 17.701 Euro – der muss wohl Geld in Börsenspekulationen verloren haben, denn er gab in den 90er-Jahren schon ein Vielfaches an...), der im Internet aktive Petru Luhan (PDL, 17.540 Euro), die schon erwähnte Präsidententochter Elena Băsescu (vorgeblich unabhängig, 16.200 Euro), Cătălin Ivan (PSD, 15.298 Euro), die Ex-Chefin der PSD-Frauenorganisation und des Verbraucherschutzes Rovana Plumb (12.581 Euro), Ramona Mănescu (PNL, 6.659 Euro) und den schon erwähnten Rareş Niculescu. 

Den vierköpfigen Abschluss der Liste bilden die „ärmsten“ rumänischen EU-Parlamentsmitglieder Vasilica Viorica Dănilă, László Tökés, Corneliu Vadim Tudor und Gigi Becali, mit ihren offiziell leeren Konten.
Insgesamt haben also die EU-Parlamentsmitglieder aus Rumänien zusammengenommen rund 4,7 Millionen Euro auf Giro-Konten, als befristete Festgeldeinlagen, Depositen, bei Investmentfonds usw. hinterlegt.
Das macht einen Durchschnitt der Kontostände der 33 Parlamentarier von über 150.000 Euro aus.

Gut bezahlt sind die rumänischen Europaparlamentarier also. Was sie für ihr Land tun und für Europa, das lässt sich schwieriger quantifizieren.
Etwas davon sieht man auch ohne Sehhilfe: ungefähr nichts.