Aus Kronstadt wird KunStadt

Ein junger Kulturverein bringt seit 2010 Leben in die Stadt unter der Zinne

Nachdem sie für verschiedene Festivals in Europa gearbeitet hat, kehrte Mara Oprişiu in ihre Heimatstadt Kronstadt zurück.

Die Galerie M8 ist Treffpunkt für ein junges Publikum.

In der Kunstgalerie M8 werden Werke junger Künstler ausgestellt.

Der Kronstädter Kinoclub geht im Sommer ins Freie.
Fotos: KunStadt

Sicher sind alle, die in den letzten Jahren Kronstadt besucht haben, an bunten Plakaten vorbeigelaufen, auf denen Bezeichnungen wie „CineClub Braşov”, „24h Film Project”, „Galeria M8”, „Next Film Festival”, “ShortsUp” oder “AnimEst” zu sehen waren. Hinter allen diesen Namen steckt Mara Oprişiu und der von ihr gegründete Kulturverein „KunStadt“. Seit 2010 gelingt es der gebürtigen Kronstädterin nach und nach, das Kulturangebot der Stadt mit frischen, modernen und höchst interessanten Events zu bereichern. Das Publikum zu gewinnen war nie leicht. Und nicht etwa, weil es in der Stadt ein vielfältiges Angebot an Kulturevents geben würde. Man muss die Leute regelrecht aus ihren Häusern locken. Das ist an und für sich eine Kunst. Die 33-Jährige hat in den vier Jahren, seitdem sie als Kulturmanagerin aktiv ist, diese Kunst zu beherrschen gelernt.

Neue Filme in der Mansarde

1999 absolvierte Mara das Şaguna-Lyzeum in Kronstadt und verließ ihre Heimatstadt, um in Bukarest Journalismus und Kommunikation zu studieren. Da sie schon immer filmbegeistert war, belegte sie gleich nach dem Studium einen Kurs für Filmmarketing und  -produktion in Lissabon. Danach arbeitete sie in den Organisationsteams mehrerer Filmfestivals in Rumänien und im Ausland (IndieLisboa, TIFF, Jassy Filmfestival) oder als Beraterin bei MediaDesk Bukarest, einer Organisation, die neue Filmproduktionen betreut.

2010 kehrte Mara nach Kronstadt zurück. „Ich wollte schon immer hier leben und dachte, dass ich genug Know-How gesammelt habe, um in meiner Stadt Kulturevents zu organisieren. Ich wollte etwas ändern. Es ist eine wunderschöne Stadt, aber das Kulturangebot ist eher spärlich. Das ist vielleicht der Grund, weshalb viele junge Leute die Stadt verlassen. In Bukarest oder im Ausland ist es spannender“, meint Mara.  2010 war das Jahr, als das letzte staatliche Kino in Kronstadt, der Saal „Modern“ in der Griviţei-Straße, geschlossen wurde. Den Kronstädtern blieben nur die drei kleinen privaten Säle bei der „Eliana Mall“ am Rande der Stadt. Mara suchte nach Orten, wo noch Filmprojektionen organisiert wurden. Schließlich stieß sie auf die Mediathek der Kreisbibliothek.  „Ich hatte die Idee, einen Kinoclub zu gründen und dem Publikum neue Filme zu zeigen. Die Bibliothek stellte mir die Baiulescu-Mansarde auf der Postwiese/Livada Poştei zur Verfügung“. So entstand „Cineclub Braşov“.

Jeden Monat lud Mara junge Regisseure aus Bukarest in die Mansarde ein, um ihre Kurzfilme vorzustellen. „Es wurde viel Werbung gemacht – im Internet, mit Plakaten und Flyern auf der Straße. Langsam gewann der Kinoclub ein Stammpublikum von etwa 50 Personen. Der erfolgreichste Abend war, als die Regisseurin Iulia Rugină ihren Kurzfilm „Captivi de Crăciun“ („Gefangen zu Weihnachten“) in der Mansarde vorstellte. „Der Saal war voll, viele Leute saßen auf dem Boden oder mussten stehen“, erinnert sich Mara.
Der Filmclub ging auch aus der Mansarde hinaus, um neue Fans zu gewinnen – es wurden Filme in Bars, Cafes oder im Freien gezeigt. „Wenn das Publikum nicht zu dir kommt, musst du zu ihm gehen“, meint die junge Kulturmanagerin. Das Projekt „Cineclub“ wird weiterhin erfolgreich fortgesetzt. Nur wünscht sich Mara mehr Leute bei den Veranstaltungen.

„Studenten sind weniger interessiert“

„Das Kulturpublikum in Kronstadt besteht hauptsächlich aus Lyzeanern und Rentnern. Die Rentner besuchen meistens die Konzerte der Philarmonie, während die Schüler mehr an zeitgenössischer urbaner Kultur interessiert sind“, hat Mara inzwischen festgestellt. „Studenten aus Kronstadt scheinen leider nicht sehr am Kulturangebot interessiert zu sein. Sie gehen lieber auf ein Bier. Wir haben immer Plakate und Flyer in Studentenheimen oder an der Uni verteilt und sind auch auf Facebook sehr aktiv. Trotzdem gelang es uns nicht, sie zu unseren Veranstaltungen zu bringen. Es gibt sicherlich auch Leute, die an den Events interessiert wären, aber trotzdem nicht kommen. Die meisten sind nach Überstunden im Büro viel zu müde“, meint die Kronstädterin. Mit Schülern hatte sie aber gute Erfahrungen. Bei vielen Events des Kinoclubs arbeiteten sie als Volontäre mit und kamen oft mit kreativen Ideen. „Das machen sie aber in der 10. und 11. Klasse. In der 12. lernen sie fürs Abitur und haben keine Zeit mehr, danach verlassen sie die Stadt, um anderswo zu studieren“.

2011 gründete Mara den Kulturverein „KunStadt“, der sich zur Aufgabe gestellt hat, Kronstädtern und Touristen ein breit gefächertes Veranstaltungsangebot zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig junge Künstler zu beraten und miteinander zu vernetzen. „Es ist ein Wortspiel zwischen Kronstadt und Kunst, das mir gefallen hat und das den Zweck des Vereins widerspiegelt: eine gewesene Industriestadt in eine kulturelle Stadt zu verwandeln“, meint Mara.

Kronstadt als Filmkulisse

Auf die Idee, das international erfolgreiche „48h Film Project“ nach Kronstadt zu bringen, kam Mara 2011, nachdem sie in Lissabon die portugiesische Variante des inzwischen in über 120 Städten der Welt organisierten Festivals besuchte. Das Besondere an der Veranstaltung ist, dass die Teilnehmer ihre Filme erst während des Festivals drehen, und zwar hat jedes Team genau 48 Stunden Zeit, einen nicht mehr als sieben Minuten langen Kurzfilm zu produzieren. Das Genre wird am ersten Tag per Losverfahren entschieden. Zudem bekommt jede Gruppe einen Satz, eine Charakterbeschreibung und einen Gegenstand, die im Film eingebaut werden sollen. Gefragt sind Geschwindigkeit, Kreativität und Geschick jedes einzelnen Filmteams. „Wir wollen den jungen Leuten zeigen, dass man einen Film auch mit wenigen Mitteln und in kurzer Zeit drehen kann, wenn man kreativ ist. Außerdem hat die Stadt ein großes Potenzial, als Filmkulisse benutzt zu werden“, sagt Mara. Alle Filme werden am Ende dem Publikum und einer Jury vorgeführt. Dem Gewinner winkt eine Vorstellung in Los Angeles und, falls er auch dort gewinnt, das Filmfestival in Cannes. Dieses Jahr findet zwischen dem 25. und dem 27. Juli bereits die vierte Edition des Festivals in Kronstadt statt. Filmteams aus dem ganzen Land sind eingeladen, sich für den Wettbewerb anzumelden.

„2011, bei der ersten Auflage, hatten wir die größte Teilnehmerzahl bisher. Leider ist sie von Jahr zu Jahr gesunken. Es gibt immer den Enthusiasmus der ersten Auflage. Das konnte ich auch bei anderen Events bemerken, zum Beispiel das Filmfestival in Viktoriastadt/Oraşul Victoria. Voriges Jahr war es sehr gut besucht, dieses Jahr habe ich vielleicht 6 oder 7 Zelte mit Besuchern am Campingplatz gesehen. Vielleicht schreckt die Filmteams die Tatsache ab, dass sie Transport- und Unterkunftskosten selbst zahlen müssen. Wir versuchen aber, die Leute zu motivieren. Dieses Jahr hat uns die Uni günstige Zimmer in Studentenheimen zur Verfügung gestellt. Und es gibt zum ersten Mal auch einen Preis für die Gewinner: eine Videokamera“. Mara hat für die diesjährige Auflage eine Jury gewählt, die ausschließlich aus Kronstädtern besteht, die in der Film-oder Theaterbranche aktiv sind. Die Ergebnisse kann das Publikum am 28. Juli ab 19 Uhr in der Redoute sehen.

24 Stunden Museum und M8-Kunstgalerie

Neben den zwei eigenen Projekten „Cineclub“ und „48h Film Project“ hat KunStadt auch Filme aus den wichtigsten Festivals in Bukarest nach Kronstadt gebracht: Die lange Nacht der Kurzfilme, Next Film Festival, AnimEst, Cinema EDU. Bei letzterem handelt es sich um ein langzeitiges Projekt, das sich vornimmt, Filmvorstellungen in Schulen zu organisieren. Doch nicht nur Filmevents organisiert KunStadt: Die Veranstaltungen in den letzten Jahren reichten von Theateraufführungen über Workshops und Ausstellungen bis zu Konzerten und modernen Video-und Lichtinstallationen.
Auch ist KunStadt Partner von mehreren alternativen Straßenevents wie Fatzada oder Bohemian Square. Ein gelungenes Projekt, das großen Publikumserfolg hatte, war „Das 24 Stunden Museum“. Für einen Tag und eine Nacht lang verwandelten junge Künstler ein Haus in der Avram-Iancu-Straße in ein Museum. Es gab Fotografie- und Grafikausstellungen, eine Krawatten-Ausstellung, es wurden Kurzfilme und Videoprojektionen gezeigt und die Besucher konnten sich in den späten Abendstunden mit einer von einem Künstler gekochten Buchstabensuppe stärken.

Mit der Zeit wurde aber klar, dass der Kulturverein auch eigene Räumlichkeiten braucht. Zusammen mit dem Kronstädter Vlad Anghel eröffnete Mara Oprişiu im April 2013 die Kunstgalerie „M8“ in der Klostergasse/Mureşenilor 8. „Der Raum ist für Ausstellungen, Videoprojektionen, Filmabende, Theateraufführungen, Workshops und Konzerte gedacht. Wir wollen, dass M8 ein Treffpunkt für junge Künstler ist, wo diese Erfahrungen austauschen sollen. Wir wollen Menschen miteinander verbinden. Vielleicht hat jemand eine Idee, ein Festival zu organisieren. Oder kennt einen Künstler und will ihn den Kronstädtern vorstellen. Oder will ein Event nach Kronstadt bringen und sucht einen passenden Platz dafür. Wir sind offen für alle Anregungen und Ideen“, sagt Mara.
KunStadt arbeitet auch mit anderen Kronstädter Kulturinstitutionen gut zusammen. April 2014 schloss sich der Verein dem neu gegründeten Kulturkonsortium „Corona“ an, das als Ziel hat, wie ein  „Kulturministerium vor Ort“ zu agieren und die Kandidatur Kronstadts als Europäische Kulturhauptstadt 2021 zu fördern.

„Kleine, aber wichtige Schritte”

Zukünftige Events auf dem Programm von KunStadt und M8 sind ein Konzert der Band „Karpov not Kasparov“ am 6. August in der M8-Galerie und die „Lange Nacht der kurzen Filme“ am 23. August in der Redoute. Für September sind ein Festival für zeitgenössischen Tanz und eine kollektive Ausstellung junger rumänischer Künstler vorgesehen. „Wir bieten eine Alternative zu den herkömmlichen Kulturevents an und richten uns an alle, die an neuen und originellen künstlerischen Beiträgen interessiert sind. Leider fehlt der Stadt noch vieles – außer Natur und schönen Restaurants bietet man den Touristen wenig. Aber Kronstadt verändert sich langsam. Es sind kleine Schritte, die wir machen, aber alle davon sind wichtig. Man darf nur nicht aufgeben“, meint Mara.