„Ausgrenzen, Verleumden und subtile Bedrohung sind eine gute Strategie...“

ADZ-Gespräch mit dem Hermannstädter Presbyter Stephan Braune

Stephan Braune ist Presbyter in der Evangelische Kirchengemeinde A.B. Hermannstadt.
Foto: privat

In unserer Ausgabe vom 21. April 2018 berichteten wir über den Streit um die Kirchenwahl in der Evangelischen Kirchengemeinde A.B. Hermannstadt/Sibiu. Insgesamt sieben Gemeindemitglieder hatten im November 2017 Einspruch gegen die Durchführung beim Bezirkskonsistorium erhoben und acht Punkte festgestellt, die ihrer Ansicht nach zur Wiederholung der Gemeindevertretungswahl sowie der Wahl der Abgeordneten in die Bezirkskirchenversammlung hätten führen müssen. Das Bezirkskonsistorium lehnte den von Stephan Braune vorgetragenen Einspruch am 20. Dezember ab. Den Umgang mit den Einsprüchen (davon gab es insgesamt drei) gegen die kirchliche Wahl hatte Landeskirchenkurator Prof. Friedrich Philippi während des Neujahrsempfangs im Hermannstädter Bischofspalais kritisiert (ADZ berichtete am 11. Januar 2018). Im März 2018 nahm sich das Landeskirchenkonsistorium des Themas an. Doch zur Aufklärung der Einsprüche oder zum Verständnis des Geschehenen hatte die Entscheidung des Gremiums um Bischof Reinhart Guib nicht beigetragen. Allerdings wies das Gremium den Bezirksdechanten Dietrich Galter an, „eine Visitation zur Überprüfung der Amtsführung des Pfarramtes und des Presbyteriums durch(zu)führen“. Im Mai haben die fünf Gemeindemitglieder Stephan Braune, Monika Hay, Wolfgang Köber, Siegfried Lösch und Paul Mezei schließlich Klage gegen die Evangelische Kirchengemeinde A.B. Hermannstadt sowie das Evangelischen Bezirkskonsistorium beim Kreisgericht Hermannstadt eingereicht. Das Gericht soll nun die Durchführung der Kirchenwahl überprüfen. Ein Interview mit Stephan Braune führte ADZ-Redakteur Michael Mundt.

Herr Braune, Sie haben Klagen gegen die Kirchengemeinde Hermannstadt und das Bezirkskonsistorium eingereicht. Wie kam es zu dazu?

Wir haben Klage eingereicht, da für uns der kircheninterne Rechtsweg unbefriedigend verlief. Uns blieb also nichts anderes übrig, als einen Richter außerhalb der Kirche zu suchen.

Ist es denn überhaupt wahrscheinlich, dass sich ein weltliches Gericht der internen Streitigkeiten der evangelischen Kirche annimmt?


Das werden wir sehen. Laut rumänischem Recht sind Kirchengemeinden „utilitate public˛“, und diese werden ausdrücklich unter die rumänische Gesetzgebung gestellt.

Gab es nach der Entscheidung des Landeskirchenkonsistoriums, das eine Visitation von Pfarramt und Presbyterium angemahnt hat, keine Möglichkeit zur Mediation mehr?

Natürlich gab es sie, und wir haben dies auch immer angemahnt und angesprochen. Ich hatte sehr viele Gespräche mit dem Hauptanwalt, in denen ich ihn immer wieder gebeten habe, dass er doch eine Lösung findet. Passiert ist bis heute nichts.

Was war das Ergebnis der Visitation?

Eine Visitation wurde bisher nicht durchgeführt und sie ist auch in der Amtszeit von Pfarrer Dietrich Galter nicht absehbar. Der zukünftige Dechant (Anmerkung: Pfarrer Hans-Georg Junesch), der im Oktober sein Amt antritt, hat mir schon mitgeteilt, dass er sich in einem Interessenkonflikt befindet. Er ist als Bezirksdechant zwar der Dienstvorgesetzte von Stadtpfarrer Kilian Dörr, im Pfarramt allerdings dessen Untergebener.

Was beinhaltet eine Visitation und welche Lösung für den Interessenkonflikt ist denkbar?

Es werden die Amtsführung geprüft wie auch die Unterlagen. Es stehen die Vorwürfe im Raum, dass die Kirchenwahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Es müssen also die Wahlunterlagen durchgesehen werden. Darüber hinaus gibt es auch Vorwürfe von Missmanagement. Es müssen also auch Rechnungen und Ausgaben der Kirchengemeinde angeschaut werden.

In Bezug auf die Visitation wäre es richtig, da Herr Junesch als Angestellter der Kirchengemeinde Hermannstadt zum Bezirksdechanten gewählt wurde, dass sich das Landeskonsistorium um die Visitation kümmert. Möglich wäre aber auch, dass sich ein anderes Dekanat der Visitation annimmt.

Am Dienstag, dem 3. Juli, fand eine außerordentliche Gemeinderatssitzung statt. Was war deren Anlass?

Anlass war, dass das Landeskonsistorium in seiner letzten Sitzung einen Antrag des Bezirksdechanten Dietrich Galter vorgelegt bekam, in dem dieser vorschlug, dass wir (Anmerkung: Stephan Braune, Siegfried Lösch, Monika Hay) aus den kirchlichen Gremien entfernt werden (Anmerkung: Offiziell wurde in der Gemeindevertretersitzung über den temporären Verzicht debattiert; allerdings kommt dieser einem tatsächlichen Ausschluss sehr nahe, da die Amtszeit von Braune im Presbyterium 2019 endet - von Lösch (Presbyterium) 2021, von Hay (Gemeindevertretung) 2021 - und der Prozess bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen kann / die Frage der einschlägigen Abstimmung enthielt den Vermerk „bis die gerichtlichen Prozesse zu Ende gehen“). Das Landeskonsistorium hat allerdings festgestellt, dass dies in der Kirchenordnung nicht vorgesehen ist. Stattdessen hat das Landeskonsistorium beschlossen, die Kirchengemeinde Hermannstadt aufzufordern, uns zu bitten, auf unsere Ämter zu verzichten. Dazu gab es eine Sitzung im Presbyterium, das sich dem angeschlossen hat. Von dort ging der Antrag an die Gemeindevertretung, denn Anträge an sie können nur vom Presbyterium kommen.

Im Presbyterium wurden Sie überstimmt?

Ich war gar nicht anwesend, denn im Presbyterium gibt es eine Befangenheitsklausel. Ist ein Presbyter betroffen, was auch hier der Fall war, so darf er nicht an der Diskussion teilnehmen oder anwesend sein. Dies ist allerdings nur für das Presbyterium vorgesehen und nicht für die Gemeindevertretung, wo wir anwesend waren.

Wie verlief die Gemeinderatssitzung?

Es gab eine lebhafte und ausgeglichene Diskussion. Es wurde zwar versucht, uns als die Bösen darzustellen, aber die Gemeindevertretung hat dies differenziert gesehen. Es gab viele Stimmen, die gesagt haben, dass die Aufgaben von uns Presbytern doch sehr vielfältig seien. Deshalb sei es auch vollkommen ausreichend, auf Aufgaben zu verzichten, die im Zusammenhang mit der Klage stehen. Das ist auch logisch, denn wenn das Presbyterium über die Verteidigungsstrategie berät, sollten wir natürlich nicht anwesend sein. Darüber hinaus gibt es aber vielfältige Angelegenheiten in der Kirchengemeinde, in die wir uns auch weiterhin einbringen sollten. In der Abstimmung stimmten schließlich 13 Mitglieder für unseren Ausschluss und 11 dagegen. Allerdings haben wir drei Betroffene und die Kuratorin nicht mit abgestimmt, und in der Kirchenordnung gibt es den Artikel 5, in dem es heißt: „(A)lle stimmberechtigten Anwesenden sind - mit Ausnahme des Vorsitzers - zur Stimmabgabe verpflichtet“. Nun haben vier Mitglieder nicht abgestimmt und von daher ist die ganze Abstimmung sowieso ungültig. Ganz davon abgesehen, dass wir natürlich nicht von unseren Ämtern zurücktreten werden.

Sie hatten zuvor erwähnt, dass Sie gesprächsbereit sind. Warum wurde dies bisher nicht angenommen und stattdessen auf eine weitere Eskalation gesetzt?

Ich denke, die Kirche hat damit gute Erfahrungen gemacht. Ausgrenzen, Verleumden und subtile Bedrohung sind eine gute Strategie, die in der Vergangenheit immer gut funktioniert hat. Es ist doch nicht das erste Mal, dass es eine Opposition in der Evangelischen Kirche Siebenbürgen gibt. Nach dem 1. Weltkrieg gab es die Unzufriedenen-Bewegung und auch nach der politischen Wende 1989/90 gab es immer wieder Leute, die mit dem kirchlichen Vorgehen unzufrieden waren. Die Kirche hat dabei gute Erfahrungen gemacht, hart gegen diese Personen vorzugehen und nicht nach einem Konsens zu suchen.

Gab es Gespräche mit Stadtpfarrer Kilian Dörr?

Ich hatte ein einziges Gespräch mit dem Stadtpfarrer. Dabei sagte er, dass eine Mediation nur möglich sei, wenn wir die Klagen zurückziehen, denn er könne in der Gemeinde nicht arbeiten, wenn es Gerichtsprozesse gibt. Darauf habe ich geantwortet, dass die Klagen nicht die Kirchengemeinde betreffen. Sie betreffen einen Rechtsanwalt und der führt einen Prozess, der bis zu zwei Jahre dauert, ansonsten betreffen die Klagen niemanden in der Kirchengemeinde. Wir haben klare Bestimmungen in der Kirchenordnung und in der Wahlordnung. Alle Beschlüsse des Presbyteriums und der Gemeindevertretung sind gültig. Auch alle Ämter und Gremien sind gültig gewählt, nichts steht unter Vorbehalt.

Ich habe einen Rückzug der Klagen abgelehnt. Eine Mediation ist auch möglich, solange die Klagen laufen, denn es geht um ganz normale Rechtsfragen. Entweder der eine hat Recht oder der andere. Einen Mediator brauchen wir, weil es schön wäre, in unserer Kirchengemeinde wieder Vertrauen aufzubauen. Darüber hi-naus ist der Pfarrer laut unserer Kirchenordnung der geistliche Leiter und Vorgesetzte der Mitarbeiter, die kirchliche Leitung passiert aber im Presbyterium. Zu dieser Situation müssen wir wieder zurückkommen. Der Pfarrer ist ein Angestellter der Gemeinde und kein diktatorischer Herrscher. Darüber müssen wir uns unterhalten und schauen, dass wir einen Kompromiss finden, der für alle tragbar ist.

Wie hat sich denn die allgemeine Einstellung in der Kirchengemeinde entwickelt?

Die hat sich nur gebessert. Während früher der Stadtpfarrer den Weg vorgegeben hat und alle Schafe ihm treu gefolgt sind, haben die Leute durch unsere Aktion den Mut gefunden, auch mal nachzufragen. Sie vertreten heute auch eine eigene Meinung. Das finde ich sehr gut. Sollte ich jetzt aus der Kirchengemeinde ausgeschlossen werden, kann ich trotzdem sagen, dass die Arbeit nicht umsonst war. Über die Jahre hatte sich dieser autoritäre Führungsstil eingeschlichen, was normal ist, wenn niemand nachfragt und nur die Hand gehoben wird, wenn der Pfarrer es sagt.