Baufällige Kirchenbauten im Blickpunkt

Ernüchterndes Fazit einer Visitationsreise im Repser Gebiet

Der Kirchturm in Radeln ist im Februar teilweise zusammengefallen.
Foto: die Verfasserin

Das Kronstädter Bezirkskonsistorium der Evangelischen Kirche konnte am 5. und 6. März 2016 das im Vorjahr begonnene Vorhaben fortsetzen, die in seiner Zuständigkeit befindlichen Gemeinden der Repser Gegend zu besuchen und entsprechende Schlüsse, administrative und seelsorgerische Dringlichkeiten betreffend, zu ziehen. Die Delegation des Bezirkskonsistoriums, bestehend aus Dechant Stadtpfarrer Dr. Daniel Zikeli, Bezirkskirchenkurator Ortwin Hellmann, den weltlichen Mitgliedern Klaus Seiferth, Peter Foof, Karl Hellwig, Friedrich Brandstetter und Dr. Carmen E. Puchianu, besichtigte in der Reihenfolge die Gemeinden Deutsch-Tekes/Ticuşu Vechi, Galt/Ungra, Draas/Drăuşeni und Radeln/Roadeş. Der zweite Tag begann mit einem Gottesdienst in Hamruden/Homorod, zu dem alle umliegenden Gemeinden eingeladen worden waren. Den Gottesdienst zum Sonntag Laetare gestalteten Dechant Dr. Daniel Zikeli und Pfarrer i. R. Johann Stefani. Dr. Zikeli ging in seiner Predigt auf den Sinn von Leiderfahrung und Trost ein und bot damit einen Ausblick auf das Ostergeschehen. Anschließend wurden die Gemeinden Meeburg/Beia und Stein/Dacia besucht.

Die Visitation enthüllte einem die wahren Ausmaße der Wirkung des immer wieder gerne als poetische Metapher heraufbeschworenen Zahnes der Zeit: Im Falle aller oder beinahe aller in Augenschein genommenen Bauten kann kaum mehr nur von einem zögernden Bröckeln der Steine gesprochen werden. Tiefe, unübersehbare Risse, von Grund auf erschütterte Bausubstanz, unterschiedliche Verfallserscheinungen in Form von Schimmel- und anderem Befall sprechen eine unmissverständliche Sprache. Der Verfall Jahrhunderte alter Bauten ist unleugbare Realität geworden. Besonders dramatisch gestaltet sich die Lage in Radeln, aber auch in Draas und Stein.

Angesichts der bestehenden demografischen, logistischen, sozio-politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten in der Repser Region ist individuelles Agieren im Sinne einer Auf-rechterhaltung und Rettung bestehender Kirchen und Kirchenburgen so gut wie unmöglich. Ein entschiedenes Zusammenwirken der kirchlichen und staatlichen Gremien ist notwendig im Sinne einer  gemeinsam vertretbaren Strategie. Als Erstes sind Maßnahmen zur Sicherung der beschädigten Objekte sowie zum Schutz der Anwohner sowie potenzieller Besucher zu treffen. Das Kronstädter Bezirkskonsistorium fordert die sofortige Absperrung sämtlicher bisher zugänglicher Türme und eine strenge Kennzeichnung der bestehenden Gefahren im unmittelbaren Umkreis oben genannter Kirchen und Kirchenburgen. Wehrmauern wie jene in Draas sollten so weit abgetragen werden, dass sie einerseits keiner Einsturzgefahr mehr ausgeliefert sind, andererseits die Sicherheit des Kirchhofes und der Kirche weiterhin gewährleisten können.

Nicht zuletzt ist eine vollkommen sachliche, realistische und unsentimentale fachlich kompetente Einschätzung des gegenwärtigen Zustandes dieser Denkmäler erforderlich. Dazu ist neben Fachkompetenz auch nüchterner, sachlicher Mut zum Loslassen notwendig. Das Kronstädter Bezirkskonsistorium befürwortet erste Dringlichkeitsmaßnahmen nicht nur in Radeln sondern auch in den andern Gemeinden, in denen Kirchenbauten auf den ersten Blick verhältnismäßig gut aussehen, bei näherer Betrachtung jedoch hohe Risiken bergen, wie etwa die Kirche in Stein, in deren Hof die Schüler der Dorfschule spielen und offenbar sogar Sportaktivitäten durchführen. Objekt der Visitation waren auch die in den Orten befindlichen Pfarrhäuser und Friedhöfe. Außer den Pfarrhäusern in Deutsch-Tekes und Hamruden befinden sich auch diese Immobilien in ausgesprochen desolatem Zustand, selbst dort, wo das ehemalige Pfarrhaus, wie in Stein, seit Jahren von Auswärtigen zur Nutzung als Begegnungsstätte angemietet worden ist. Das Bild, das sich einem hier bietet, ist ausgesprochen makaber, was nicht ausschließlich an dem vor dem Treppenaufgang befestigten halben Schädelskelett eines Wiederkäuers liegt.

Das Fazit der Visitation fassen wir wie folgt zusammen: Gemeinschaftliches aber realistisches Handeln ist den bestehenden Möglichkeiten entsprechend geboten. Was nicht mehr zu retten ist, sollte entsprechend gesichert und für jegliche Nutzung gesperrt werden. Allerdings darf das Schicksal der wenigen verbliebenen Frauen und Männer der evangelischen Gemeinden nicht aus den Augen verloren werden. In den meisten Fällen handelt es sich um Verwitwete und/oder Kranke in bereits fortgeschrittenem Alter. Diese Menschen bedürfen ebenso sehr der Fürsorge wie die rettungslos maroden Baudenkmäler. Ein umsetzbares Konzept praktischer Diakonie ist für diese Menschen ebenso dringend nötig wie architektonische Konservierungsmaßnahmen für einige Kirchenburgen. Für die seelsorgerische Betreuung sämtlicher Gemeinden der Repser Region empfiehlt sich ganz dringend, den Zusammenschluss in einem Gemeindeverband nach den bereits gut bewährten Modellen aus Fogarasch/Făgăraş und Sächsisch-Regen/Reghin ins Auge zu fassen.