Beißübungen mit zahnlosem Mund

Die Spitzen der rumänischen Sozialdemokraten denken wie ihre Geistesbrüder Orbán und Kaczynski. Wär´ der Orbán kein Ungar, greinte er nicht ständig wegen Trianon und stünde nicht unterm Sonderschutz des Großrussen Putin, Dragnea könnte ihn „Bruder“ nennen!

Die Wirtschaft Rumäniens ist unsolider als die Polens. Rumänien hat sich – trotz des Achtungserfolgs von Klaus Johannis bei Donald Trump – keinerlei vergleichbaren öffentlichen Lobs amerikanischerseits erfreut (die Rede Trumps im Warschau). Auch damit fällt die Bruderschaft mit Kaczynski.

Die PSD-Spitzen müssen sich also auf die Zunge beißen. Das Dauerspektakel der Täuschung des In- und Auslands ist ihr Muss. Offen „illiberal“, „antieuropäisch“ und erznationalistisch können sie sich weder zeigen, noch gebärden. Ein paar Faktoren mehr verbieten ihnen das.

Den Bedeutendsten nennt Andrei Cornea: „Die Loyalität ist in unseren Genen nicht verankert.“ Das hat mit Konsequenz und Treue (zu Prinzipien und Partnern, auch Bündnistreue) zu tun und ist im 20. Jahrhundert (nicht nur) in zwei Weltkriegen dokumentiert. Es gibt in den Spitzen der politischen Klasse, wie im Volk, eine ausgeprägte Obrigkeitshörigkeit (Alina Mungiu-Pippidi nennt sie „Sehnsucht nach dem Übervater“ - der dir alle Verantwortung abnimmt, an deiner Stelle Entscheidungen trifft, den Weg vorgibt und gütig mahnend – nie drohend! – den Zeigefinger hebt, der aber, kaum ergründlich, dich gnadenlos hinwegpusten kann – weshalb er so ersehnt wie gefürchtet ist).

Dann gibt es im PSD-Rumänien einen Präsidenten, dessen Position sich im letzten Jahr, in Konfrontation mit dem exzentrischen Streben der politischen Klasse, gefestigt hat und der, anfangs zögerlich und verdattert, jetzt (meist) souverän agiert, wie es das Übervaterdenken der politischen Klasse eigentlich (furchtsam und zurückhaltend, aber devot) erwartet. Nicht zuletzt gibt es verfassungsmäßige Hürden des illiberalen Agierens, die (noch?) nicht beiseitegeschoben wurden, im schleichenden Knetungsprozess der Justiz, der voranschreitet – in der Organisation der Justiz, vor allem von deren Organen (so lange die USA noch eindeutig hinter der von L.C. Kövesi geführten Antikorruptionsbehörde steht, kläffen alle diebischen Hündchen von PSD, PMP, PNL, ALDE, beißen zahnlos, scharren aber Gräber).

Zuallerletzt sei – aufgrund des zum Jahresanfang 2017 Erlebten an Mega-Demos – in Rumänien das Erreichen einer kritischen Masse an jungen Demokratiebewussten erwähnt, die durchsetzungsfähig und konsequent sein können, wenn es um Liberalität und Demokratie geht – die emotional reagieren, wenn sie gereizt werden und die Demokratie als in Gefahr befindlich fühlen.

Macrons Wahlsieg in Frankreich mahnt zur Vorsicht in puncto Populismus. Nach den Wahlen Ende September in der Bundesrepublik geht es in der EU ans Eingemachte. Sie muss Stellung beziehen gegenüber den Quertreibern Ungarn und Polen – bis hin zu Maßregelungen – sonst verliert die (bislang bloß geifernde) EU von Juncker und Tusk ihre Glaubhaftigkeit. Auch muss über die „Geschwindigkeiten Europas“ entschieden werden - mit oder ohne Brexit. Den Schaumschlägern Polen und Ungarn muss die Rote Linie bewusstgemacht werden, die nicht zu überschreiten ist. Und Putin wie Erdogan müssen ihre Grenzen aufgezeigt werden.

Rumänien muss dabei vorsichtig agieren. Sich auf die Zunge beißen. Sich offen Kerneuropa nähern – und ehrlich. Selbst als Teufelspakt (um den sprichwörtlichen Steg zu überqueren). Immerhin: bisher blieb der Liberalismus in Rumänien, trotz Schlägen unter die Gürtellinie, aufrecht. Nur: eher als Lippenbekenntnis. Taten würden jetzt guttun. Leider ragt unter denen, die gegenwärtig politisch etwas zu sagen haben, keiner heraus, der so klug wäre, in entscheidenden Momenten – wie diesem – Taten durchzusetzen.