Berglanddeutsche im Brennpunkt

Ein informatives wissenschaftliches Symposium am Linzer Stifter-Institut

Der stellvertretende DFBB-Vorsitzende Dr.Ing. Cristian Chioncel bei seinem Vortrag über die Industrie des Banater Berglands

Die beiden Hauptveranstalter des Symposiums, die Sprachforscher Prof. Dr. Hermann Scheuringer (stehend) und Mag. Stephan Gaisbauer
Fotos: Erwin Josef Ţigla

„Unsere Landsleute, die vor über zwei Jahrhunderten das Land ob der Enns verlassen mussten, haben unter schwierigsten Bedingungen großartige Aufbauarbeit geleistet. Ihre Nachkommen hatten unter den kommunistischen Regimes oft Unmenschliches zu erdulden oder wurden nach dem Krieg zu Tausenden vertrieben. Viele von ihnen haben in Oberösterreich wieder eine neue Heimat gefunden und maßgeblich zum wirtschaftlichen und kulturellen Wiederaufbau des Landes beigetragen. Hier wie dort verdienen diese Menschen unsere Unterstützung, unseren Respekt und unser besonderes Interesse.“ Soweit der Landeshauptmann von Oberösterreich, Dr. Josef Pühringer, in seinem Statement zum Symposium „Deutsche Sprache und Kultur im Banater Bergland“, das Ende Juni im Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich stattfand.

Veranstalter waren der für Sprache und Literatur zuständige Leiter des Stifter-Hauses am Donauufer, Mag. Stephan Gaisbauer, sowie der Leiter des Forschungzentrums (FZ) „Deutsch in Mittel-, Ost- und Südosteuropa“ (DiMOS), Prof. Dr. Hermann Scheuringer von der Universität Regensburg, und das Demokratische Forum der Banater Berglanddeutschen. All das stand unter dem Ehrenschutz des oberösterreichischen Landeshauptmanns Dr. Pühringer. In Abwesenheit des Landeskulturdirektors Reinhold Kräter – er nahm zur gleichen Zeit in Temeswar an der III. Donau-Kultur-Konferenz teil – bestritten Petra-Maria Dallinger, Direktorin des Stifter-Hauses, und Erwin Josef Ţigla, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Banater Berglanddeutschen (DFBB), die Eröffnung der (nach Reschitza 2013 eigentlich zweiten) Veranstaltung (zu diesem Thema, aus deren Beiträgen 2016 ein Buch werden soll).

Grenzüberschreitendes rumäniendeutsches Treffen

Aus den Worten von Petra-Maria Dallinger klang glaubhaft Interesse am Banater Bergland und seinen noch dort lebenden (Bergland-)Deutschen und Neugier auf den Verlauf der Veranstaltung heraus. Ţigla hatte seinen Impulsvortrag „Die Banater Berglanddeutschen – Wer wir sind, was wir wollen“ betitelt und bezog sich darin vorrangig auf die Aktivitäten des DFBB und des „Kultur- und Erwachsenenbildungsvereins `Deutsche Vortragsreihe Reschitza´“, die rumänienweit und international das Banater Bergland und die Berglanddeutschen nach 1989 zu Ruf und Namen gebracht haben und deren Tätigkeit er mit unbestreitbar außergewöhnlichem organisatorischen Talent koordiniert. Auf die Eröffnung folgte eine lockere Kennenlern- und Wiedersehensrunde, u. a. mit dem aus der Zipserei in Oberwischau/Vişeul de Sus stammenden Pfarrer und Volkskundler Dr. Anton Joseph Ilk, der in der Nähe von Linz eine Pfarre betreut. Zweifelsohne haben die Institute aus Linz und Regensburg (vielleicht unbeabsichtigt) ein grenzüberschreitendes rumäniendeutsches Treffen von Aktiven und Forschern organisiert, an dem sich auch einige interessierte Oberösterreicher und ein Ungar beteiligt haben.

Zum Beginn der Konferenz sprach Prof. Dr. Rudolf Gräf, Vizerektor der Klausenburger „Babeş-Bólyai“-Universität, Historiker und Reschitzaer, über „Das Banater Bergland vom Herrschaftsbereich der Habsburgermonarchie zum modernen rumänischen Staat“ und bezog sich vorwiegend auf ein von Historikern bisher nicht ausgewertetes Manuskript, die Lebenserinnerungen von Koloman Wallisch, der während der Banater Republik, 1918, zum Ende des Ersten Weltkriegs, neben anderen Banater Deutschen eine Führungsrolle gespielt hatte. Den Beitrag von Rudolf Gäf veröffentlicht die „Banater Zeitung“ demnächst im Rahmen der Rubrik „Beiträge zur Banater Erinnerungskultur“.

Von der Erschaffung des Banats

Josef Wolf (Tübingen), der derzeit wohl kompetenteste und vielseitigste Kenner des Banats im 18. Jahrhundert, sprach über „Das Banater Bergland in der frühhabsburgischen Zeit (1716-1740). Raumwissen – Ressourcenerschließung – Ansiedlung“. Wolf bezog sich auf die Umstände und Vorgänge, die politisch-administrativ und wirtschaftlich die Voraussetzung für eines der bis heute gelungensten Experimente in der Ostbesiedlung Europas vorbereiteten und die vom „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“ mit Koordinierung aus Wien in konsequenter Umsetzung der Prinzipien des mitteleuropäischen Merkantilismus, wie er an der Universität Wien ausgearbeitet worden war, stattgefunden haben: die Erschaffung des heutigen Banats.

Drei weitere Vorträge zeichneten den Rahmen genauer nach, in dem sich die Banater Berglanddeutschen herausgebildet haben und heute leben. Diözesanarchivar Claudiu Călin aus Temeswar umriss eine präzise und gut fundierte „katholisch-kirchengeschichtliche Perspektive“ des Banater Berglands, indem er chronologisch „Orden, Pfarreien, Dekanate und Wallfahrten“ sowie Wallfahrtsorte des historischen Banats aufzählte und kurz charakterisierte, nicht ohne noch Ungeklärtes aus der Frühgeschichte christlichen Glaubens und der Kirchenhäupter im Banat anzusprechen. Prof. Dr. Anton Sterbling, heute einer der namhaften Soziologen Deutschlands, bot „Soziologische Impressionen“ aus seiner Zeit als Elektrotechnikstudent in Reschitza und schaffte es, eigentlich zwei Referate in einem vorzustellen: seine in literarisch angehauchtem Ton gehaltenen Erinnerungen an jene Studentenjahre, als er auch Mitglied der „Aktionsgruppe Banat“ war, und die sprachlich und vom angeschlagenen Diskurs her streng wissenschaftlich gehaltene soziologische Interpretation jener Jahre, was ein faszinierendes, druckreifes Ganzes ergab. Diesen informativen Teil schloss der Unterzeichner dieser Zeilen mit einem Vortrag über das medienkommunikative Umfeld – rumänisch und deutsch – ab, in welchem die Banater Berglanddeutschen erfolgreich um einen Standort im öffentlichen Bewusstsein der gesamtrumänischen Gesellschaft ringen.

Dialektologie und Sprachwitz

Der Nachmittag dieses Tages war der Sprachforschung vorbehalten. Dr. Hans Gehl brachte erst einen Überblick der „Deutschen Sprachforschung in Südosteuropa und im Banater Bergland“ und schob viele Erinnerungen ein, während Dr. Alwine Ivănescu und Dr. Mihaela Şandor vom Germanstiklehrstuhl der Temeswarer West-Universität, die das deutsche Dialektologiearchiv des Banats übernommen haben und aufarbeiten, das ab den endsechziger Jahren des 20. Jahrhunderts angelegt wurde, über „Areale Verbreitung und Charakteristika der deutschen Mundarten im rumänischen Banat“ referierten und dabei die ersten Verbreitungskarten der Mundarten in Banater Heide, Hecke und Bergland zeigten. Sie arbeiten an der Momentaufnahme der Banater Mundarten, die sich nach rund dreißigjähriger Feldforschung und Studentenarbeit (hauptsächlich in der Koordination von Peter Kottler) ergibt, konnten aber noch nicht sagen, wann der Banater Sprach- (lies: Mundarten-)Atlas erscheinen wird.

Im selben sprachwissenschaftlichen Rahmen bewegten sich die beiden Hauptorganisatoren der Veranstaltung, Stephan Gaisbauer und Hermann Scheuringer, mit ihren „Sprachaufnahmen im Banater Bergland“, die sie seit mehr als einem halben Jahrzehnt zusammen mit Studenten der Universität Regensburg durchführen und die sie mit amüsant-spannenden Aufnahmen voller Sprachwitz illustrierten. Dr. Nicole Eller-Wildfeuer von der Universität Regensburg sprach über die auswanderungsfreudigen Böhmen und ihre weltweiten Ansiedlungsgebiete (bis Neuseeland) sowie über „Böhmerdeutsche Dialekte im Banater Bergland“, mit Bezug auf Wolfsberg und Weidenthal, wobei sie letzterem als einzigem weltweit die „Chance auf längerfristigen Spracherhalt“ bescheinigte, weil auch junge Leute ihn noch sprechen.

Mythenkunde, Bossert-Lyrik, Musikgeschichte

Der lange Symposiumstag endete mit dem Vortrag der Reschitzaer Lehrerinnen Alexandra Damşea und Yvonne Demenyi über „Das deutsche Schulwesen im Banater Bergland – Geschichte und Gegenwart“, wobei sie auch auf ein allmählich sinkendes Interesse der anderssprachigen Elternschaft des Banater Berglands gegenüber der deutschen Schule hinwiesen. Die Veranstaltung schloss mit mehreren konsistenten Vorträgen: Hans Fink (Gießen) sprach zu „23 Märchenaufzeichnungen von Alexander Tietz und ihr kulturgeschichtlicher Hintergrund“, wobei er sich tief und aufschlussreich in die Ethnologie und Mythenkunde kniete, während Dr. Cosmin Dragoste aus Craiova, einer der gegenwärtig besten Kenner und Exegeten von Rolf Bossert, ein Referat zum Thema „ `Ich schrei eine Silbe hinüber/Du schreist eine Silbe herüber´ – Reden und Schweigen in Rolf Bosserts Lyrik“ vorstellte (beide Vorträge sind der ADZ/BZ zur späteren Veröffentlichung überlassen worden).

Dr. Kurt Scharr vom Institut für Alpenstudien Österreichs in Innsbruck sprach über „Österreichische Geschichte an der Peripherie? Ferdinand Zieglauer – Ein Leben zwischen Hermannstadt und Czernowitz“ und Dr. Franz Metz über Kapellmeister Heinrich Weidt und dessen Tochter: „Aus dem Banater Bergland an die Wiener Hofoper. Zur Biografie des Kapellmeisters Heinrich Weidt und der Sängerin Lucie Weidt“.  Den Umständen entsprechend fiel dann der Abschlussvortrag von Dr. Ing. Cristian Paul Chioncel ziemlich deprimierend aus. Sein Thema war die „Industrielandschaft Banater Bergland“, wo er nur von der glorreichen industriellen Vergangenheit sprechen konnte und kaum etwas zu sagen hatte zur lahmenden wirtschaftlichen Gegenwart des Landstrichs.