Beschleunigung oder Qualität? Die ewige Frage im Vergaberecht

2016 wurde das Vergaberecht komplett novelliert. Wesentliche Ziele waren u. a. die Erhöhung der Qualität und die Beschleunigung des Vergabeverfahrens. Diesen Sommer traten Änderungen in Kraft1, die in beide Richtungen abzielen.

Änderungen zur Beschleunigung des Vergabeprozesses

Die jüngsten Änderungen, die die Fristen für die Auftragsvergabe verkürzen sollen, sind u. a.:

(i) die Abschaffung der Pflicht der Auftraggeber, die Teilergebnisse nach Beendigung jeder Etappe der Angebotsprüfung bekanntzumachen; 
(ii) die Kürzung der Mindestfrist, die ein Auftraggeber Bietern für die Übermittlung von Abklärungen setzen darf, von drei auf einen Arbeitstag; 

(iii) die Abschaffung der Pflicht zur vorläufigen Mitteilung2 vor einer Anfechtung vor dem Rat zur Lösung der Beschwerden („CNSC“) oder Gericht;
(iv) die Kürzung der Fristen zur Lösung von Anfechtungen durch den CNSC.

So begrüßenswert die Änderungen zur Verfahrensbeschleunigung auch sind, müssen diese jedoch so vorgenommen werden, dass sie insgesamt keinen gegenteiligen Effekt haben und/oder die Qualität des Vergabeprozesses nicht beeinträchtigen.

Die Abschaffung der Pflicht laut Punkt (i) bezweckt in der Praxis die Reduzierung der Anfechtungsmöglichkeiten bzgl. Teilergebnisse und somit eine raschere Auftragsvergabe. Bieter können grundsätzlich nur noch das Endergebnis eines Verfahrens anfechten. Solche Anfechtungen können jedoch jede Etappe der Prüfung der Angebote betreffen; sie können sich z. B. gegen Eignungsunterlagen oder das technische/finanzielle Angebot richten. Die Anzahl der Anfechtungen des Endergebnisses dürfte demzufolge steigen, und deren Komplexität dürfte sich erhöhen. Diese Maßnahme kann daher gemeinsam mit der Kürzung der Fristen zur Lösung der Anfechtungen durch den CNSC u. U. die Qualität der Bescheidung durch den CNSC beeinflussen: innerhalb der nun kürzeren Fristen muss der CNSC bei Anfechtung des Endergebnisses in einigen Fällen weiter zurückliegende Verfahrensetappen als früher prüfen. Damit können auch Gerichtsverfahren häufiger werden. Fügt man die u. U. für die Neuevaluierung der Angebote nötige Zeit (je nach der Entscheidung des CNSC) hinzu, kann die Maßnahme gerade eine Verlängerung der Zeit bis zur Auftragsvergabe verursachen.

Die Erforderlichkeit der unter Punkt (ii) erwähnten Änderung ist u. E. fraglich; die Differenz von 2 Arbeitstagen ist im Vergleich zur Gesamtdauer eines Vergabeverfahrens irrelevant. Jedoch besteht das Risiko, dass hierdurch die Qualität der bezogenen Waren/Leistungen beeinträchtigt wird. Verlangt ein Auftraggeber z. B. Abklärungen, die der Einreichung weiterer Unterlagen oder komplexer Erläuterungen bedürfen, kann eine Frist von nur einem Tag unrealistisch sein. Ist eine einzureichende Unterlage durch eine Behörde auszustellen oder zu übersetzen, kann diese Frist grundsätzlich nicht beachtet werden. Eine verspätete Einreichung der Abklärung führt aber zur Ablehnung des Angebotes.

Die frühere Abschaffung der Höchstfrist von 25 Tagen für die Evaluierung der Angebote durch die Auftraggeber bezweckte die Sicherung der Qualität im Verfahren. In diesem Kontext aber scheint die Änderung unter Punkt (ii) eher unverhältnismäßig; während die Behörde theoretisch keine Frist mehr für die Evaluierung hat, kann sie Bieter zwingen, innerhalb eines Tages Abklärungen einzureichen.

Änderungen zur Erhöhung der Qualität des Vergabeprozesses

Mit den o. g. Änderungen traten auch einige Regelungen in Kraft, die auf die Erhöhung der Qualität des Vergabeprozesses abzielen. So kann u. a. der Zuschlag nach dem Kriterium des niedrigsten Preises nur dann erteilt werden, wenn der geschätzte Wert der Aufträge die folgenden Schwellenwerte unterschreitet:

  • 24.977.096 Lei bei öffentlichen Bauaufträgen
  • 648.288 Lei bei öffentlichen Liefer- und Dienstleistungsaufträgen 
  • 994.942 Lei bei öffentlichen Liefer- und Dienstleistungsaufträgen von Kreis- oder Lokalräten, dem Bukarester Generalrat und diesen untergeordneten Einrichtungen 
  • 3.376.500 Lei bei sozialen und anderen besonderen Diensten. 


Interessant ist auch eine Änderung betreffend den Zweck der von der Behörde festzulegenden Evaluierungsfaktoren. Diese müssen einen realen Vorteil schaffen und nicht rein formal sein. Im Prozess zur Evaluierung bzw. Prüfung der Erfüllung des Zuschlagskriteriums muss ihre Anwendung nachverfolgbar sein. 


Fazit

Zwei Jahre nach dem Inkrafttreten des neuen Vergaberechts kämpft der rumänische Gesetzgeber noch damit, ein Gleichgewicht zwischen Qualität und Schnelligkeit zu schaffen. Die häufigen Änderungen des Vergaberechts erschweren natürlich dessen Anwendung.

 

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1 U. a. die DVO 45/2018 und der Regierungsbeschluss 419/2018
2 Ähnlich eines Widerspruches beim Auftraggeber

 

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