Bitte warten!

Symbolbild: sxc.hu

Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass wir ein halbes – ach was, fast das ganze Leben mit Warten verbringen? Kommunismusgeschädigte können ein Lied davon singen: von Warteschlangen auf Konsumgüter, vom (oft vergeblichen) Warten auf warmes Leitungswasser oder auf die Amerikaner, die alles retten sollten. Ungern erinnere ich mich an „Warten auf Godot“ – ein unsäglich langweiliges Buch, dessen schulische Pflichtlektüre sich leider nicht durch Warten erledigen ließ. Ja, manchmal würde man gerne erwarten, dass Warten ein Problem lösen möge.

Doch trotz unserer oft kritisierten hektischen Welt ist das Warten wider erwarten eine höchst unangenehme Sache! Dabei ist das Schlimmste nicht das Warten an sich, sondern die Unbestimmtheit dieses Zustands. Selbstbestimmtes Warten hingegen hat durchaus einen positiven Aspekt: Man nennt es Entspannung oder Meditation. So wartet man beim Warten also nicht nur auf dessen Ende, sondern vor allem auf Information: Wann komm ich endlich dran? Lohnt es sich noch, ein neues Kapitel anzulesen? – Wann kommen die verspäteten Gäste? Kann ich vorher noch schnell in die Wanne hüpfen? Nichts nervt mehr als der zwangsmusikuntermalte, sonore Satz am Telefon: bitte warten – bitte warten – bitte warten. Ja, versteht sich das nicht von selbst, wenn ewig keiner drangeht?

Aber auch hinter manch augenscheinlicher Aktivität versteckt sich tatsächlich – Warten. Die deutsche Sprache enthüllt es, man muss ihr nur auf die Finger – äh – zwischen die Buchstaben schauen. Beim Warten des Autos zum Beispiel muss man meist recht lange in der Werkstatt warten! Auch ein Torwart heißt wohl so, weil er im selbigen auf den unbestimmten Zeitpunkt des Eintreffens des Balles wartet. Der Tankwart hingegen wartet auf Kunden – und nicht selten auf ein Trinkgeld. In der Sternwarte laufen Himmelskörper ihre Bahnen in einer ewigen kosmischen Warteschleife, die nur dann endet, falls die Theorie des geschlossenen Universums zutrifft, wo irgendwann alles in einer gigantischen Implosion wieder in sich zusammenstürzt, um mit einem neuen Urknall von vorne zu beginnen... Eine weitere Runde Warten.

Der Wärter hingegen – man bemerke den feinen sprachlichen Unterschied, wartet nicht selbst, sondern verwaltet das Warten anderer. Im Gefängnis etwa, wo man auf Entlassung wartet, oder im Zoo, auch eine Art Gefängnis... Der Anwärter wiederum wartet auf eine zu vergebende Stelle. Und weil das Warten so schrecklich ist, droht man bösen Buben gerne mit erhobenem Zeigefinger: Na warte! So durchdringt das Warten auf perfide Weise unser ganzes Leben. Was soll man da noch erwarten? Ist nicht ohnehin alles nur ein Warten auf den Tod? Doch nicht mal der bringt Erlösung, im Gegenteil! Denn dann dürfen wir erst so richtig warten – im Paradies oder in der Hölle – und zwar in alle Ewigkeit. Wie soll man das Dilemma lösen? Ich warte immer noch auf eine Inspiration...