Brotbacken als Therapie

Alle Leidenschaften durch Sauerteig verbunden

Heuhaufen im Dorf, auf einer Brotkruste abgebildet. Fotos (3): Ana A. Negru

Dorflandschaft in Vama Buzăului

Fotoausstellung mit Ana Negrus Broten mit Sauerteig, Holland

„Absolut wunderbares Brot! Und die Kruste ist fantastisch!” soll Prinz Charles Ana Negru gesagt haben. Foto: Stiftung des Prinzen Charles von Wales in Rumänien/Vakarcs Lorand

Prinz Charles hat in Deutsch Weißkirch/Viscri ihre schön verzierten selbstgebackenen Brote mit Sauerteig genossen. Rumänen lernen vor ihr die Geheimnisse des Ansetzens und Backens mit diesem natürlichen Back-triebmittel, ihre Kinder kennen kein anderes Brot. Ana A. Negru backt nicht nur leckeres und gesundes Brot mit Sauerteig, sie macht aus dem Backen und Gestalten ihrer Brote eine Kunst, die für sie wie eine Therapie wirkt. Ihre Leidenschaft für ethnographische Fotografie, das traditionelle rumänische Dorf und das Backen vereint die Kronstädterin in ihren Broten.

Ana A. Negru hat Jura studiert, sich dann für den Bereich Marketing und öffentliche Kommunikation umschulen lassen und ist Mutter zweier Kinder, einem Schulmädchen und einem Kleinkind. Sie ist auf dem Land aufgewachsen und verbrachte viel Zeit auf dem Bauernhof und in der Natur, mit ihrem Großvater, der sie Mähen und Melken gelehrt hat, und sah ihrer Mutter beim Brotbacken zu. Auch als Erwachsene verbringt sie immer noch gerne Zeit auf dem Land, trifft Bauern, interessiert sich für deren Arbeit auf dem Feld und rund um den Bauernhof, für Handwerk, Traditionen, Bräuche und Speisen. Ana Negru findet sich auf dem Dorf wieder. Die Schönheit und Authentizität des Landlebens und der einfachen, weisen Menschen dort hält sie seit 2008 fotografisch fest - und gibt sie seit 2009 in ihrer rumänisch-englischen Zeitschrift „Satul“ (Das Dorf) zur Förderung von Tradition und Kultur des ländlichen Gebiets auch durch geschriebenes Wort weiter.

“Brot ist kein banales, sondern ein erstaunliches Produkt”

Seit Ana in Mutterschaftsurlaub ist und das Reisen und Fotografieren zeitweilig eingestellt hat, „schnitzt“ sie die Bilder vom Dorf aus ihrer Erinnerung auf die Krusten der Brote, die sie mit Sauerteig backt. Denn seit 2012, seit sie begonnen hat, sich über die Ernährung ihres acht Monate alten Mädchens Gedanken zu machen, backt sie Brot. „Den Geruch, die Textur, den Geschmack des Brots aus dem Geschäft mochte ich nicht.“ Zudem hatte sie eine offizielle Studie von 2015 über die Zusatzstoffe des Grundnahrungsmittels der Rumänen gelesen, das neben Mehl, Hefe/Sauerteig, Wasser und Salz auch noch Zutaten wie Zucker, Glukose, Bohnenmehl, Milchpulver, Palmöl, Guargummi, Glyzerin und Gluten enthält, die kardiovaskuläre Erkrankungen und Übergewicht verursachen können. Ana Negru hat sich entschlossen, nie wieder Brot zu kaufen. Sie hat Sauerteig selbst angesetzt, so wie sie es von den Frauen im Dorf gelernt hat, und experimentiert seitdem fast täglich mit den unterschiedlichsten Mehlsorten, Salz und Wasser, deren Mengenverhältnissen, aber auch mit verschiedenen Garzeiten des Teigs. Mittlerweile bringt sie die Geheimnisse des Backens mit Sauerteig auch anderen bei. In Kronstadt und Bukarest hält sie Workshops ab, „Pâine cu maia și poveste – Satul tradițional românesc“/„Brot mit Sauerteig und Geschichten – Das traditionelle rumänische Dorf“, für Anfänger, Fortgeschrittene, aber auch für Allergiker, die glutenfreies Brot backen wollen.

Die Schönheit feinen Brotes

Ihre Liebe zum traditionellen Dorf ist auf den Krusten ihrer bekömmlichen Brote zu sehen, die mit ländlichen, tierischen, floralen und kulturellen Motiven - wie der „Hora“ (Kreistanz), der rumänischen Trachtenbluse Ie, Heuhaufen, Katzen, Vögeln auf Zweigen, Blumen, Blättern, Fischen, aber auch Constantin Brancuși's endloser Säule - dekoriert sind. Mit Klingen verziert sie die Brote wie Kunstwerke, die sie vor dem Verzehr fotografiert. Diese Bilder sind in nationalen und internationalen Ausstellungen zu sehen und werden auch in das Buch mit Brotrezepten, Modellen und Gewürzen zum Färben der Kruste aufgenommen, an dem Ana Negru zurzeit arbeitet. Ebenfalls entwickelt sie zusammen mit ihrem Mann Utensilien zum Ritzen des Brotes.

Familienmitglied, Haustier oder Freund: Sauerteig

Sauerteig lebt und ist aktiv. Genau wie ein Lebewesen braucht auch er Aufmerksamkeit, regelmäßiges Füttern, bzw. Mehl und Wasser, Pflege, ein eigenes Glas. Dann wächst er und lässt auch das Brot wachsen. Doch bis zum Genießen des Brotes ist es ein langer Weg, denn der Teig hat seine eigenen Angewohnheiten, seinen eigenen Rhythmus, braucht in manchen Fällen sogar 48 Stunden, bis er das Brot genießbar werden lässt. Das fordert Geduld. Und Ausdauer. Und eine große Portion Hingabe und Verantwortungsbewusstsein. Doch werden all diese Mühen reichlich belohnt, weiß die Frau, der das Lächeln im Gesicht festgeklebt zu sein scheint, und die über Sauerteig fast wie über ihr drittes Kind spricht. Zusammen mit ihrer sieben Jahre alten Tochter pflegt sie den Sauerteig, den sie angesetzt hat, als das Mädchen noch ein Baby war. Auch der 54-jährige Sauerteig, den die Brotkünstlerin von einer Bäuerin aus dem Dorf Fântâna bei Reps/Rupea bekommen hat, gehört zur Familie, genau wie die fünf Katzen, acht Hühner und das Gänsepaar. „Sauerteig schleift mit der Zeit deine Geduld, deine Güte und Großzügigkeit, den Respekt für den natürlichen Rhythmus des Lebens und belohnt dich direkt proportional mit der Pflege, die du ihm schenkst“, bekennt sie.

Backen als Therapie

Im Backen findet die 40-Jährige ihre innere Ruhe. „Du knetest den Teig mit Sauerteig, aber auch er ‘knetet’ dich! Er holt alles Schlechte aus dir heraus, verändert dich, lässt dich gut, leicht, entspannt und glücklich sein“ hat sie bemerkt. Für Ana und ihre Familie gehört Brotbacken zum Alltag und sie plant bereits, auch nach Wiederaufnahme ihrer Arbeit, die Aktivitäten mit Sauerteigbrot weiter zu führen. Denn Ana will ihre Leidenschaften im Vordergrund behalten und weiterhin auf Reisen durch die Dörfer in Ruhe Gespräche mit Handwerkern, den Ältesten unter den Dorfbewohnern, die die meisten Geschichten über das Dorf kennen, mit dem Lehrer und dem Pfarrer führen, beim Mähen helfen oder den Dorfkindern beim Spielen zusehen. Und all das in ihrer ethnografisch wertvollen Zeitschrift festhalten. „Satul“ berichtet „über Menschen, die an sinnvolle Werte glauben“, und „begleitet dich durch die Dörfer der Kindheit, erinnert dich an die Kindheit, die Speisen, das Handwerk und die Ratschläge der Großeltern“ schreibt sie in der Vorstellung der Zeitschrift. Darin sind Geschichten aus Dörfern in Siebenbürgen, in der Maramuresch oder dem Donaudelta zu finden, aktuelle Informationen zur ländlichen Entwicklung, zu Handwerk, Naturmedizin, traditioneller Küche, traditioneller Bauweise und ländlichem Architekturerbe, Omas Ratschläge, Tipps für Haus und Garten, sowie auch für Kinderspiele, Gedichte, Interviews und Berichte, alle mit professio-nellen Fotos illustriert.

Dem natürlichen Rhythmus folgen

Die Lebensgeschichten der Bauern, die Ana in „Satul“ beschrieben hat, scheinen die Frau mit der ruhigen Stimme beeindruckt zu haben. „Erfreut euch der Kinder, denn kindliche Freude ist alles im Leben“ hat Ana Negru von der 98-jährigen ehemaligen Lehrerin Pelaghia Elena Leancă aus Bodendorf/Bunești gelernt. Die Kriegswaise, die Hunger und bittere Armut erlebt hat und 1944 aus Bessarabien nach Rumänien flüchten musste, findet, die jungen Leute sollten ihr Land nicht verlassen, denn Sehnsucht nach der Heimat kann sehr stark sein. Von Tanti Maria aus Vama Buzăului hat Ana A. Negru über die Einfachheit und Genugtuung eines Bauern erfahren, der nach den Gesetzen der Natur lebt und seinem eigenen Weg folgt. Im natürlichen Rhythmus, in dem ihr Baby, aber auch ihr Sauerteig wächst und in dem die Jahreszeiten aufeinander folgen, in dem sie den Teig regelmäßig knetet und die Brote verziert, so scheint auch Ana Negru mit ihrer Familie zu leben, weit weg von Stress und Hektik. Sie scheint sich auf das Wesentliche im Leben zu konzentrieren: ihre Familie, Ernährung und ihre Leidenschaften, die sie glücklich und zufrieden machen.