„Dann wartet sie auch mit Kaffee und Kuchen auf einen“

ADZ-Gespräch mit Ruth István von der Stiftung Kirchenburgen in Hermannstadt

Ruth István in Hundertbücheln
Foto: Stiftung Kirchenburgen

Ruth István ist Referentin für Fachtourismus und Öffentlichkeitsarbeit bei der Stiftung Kirchenburgen in Hermannstadt/Sibiu. Mit ADZ-Redakteur Michael Mundt sprach sie über Tourismus, Fachtourismus und den besonderen Flair, der von der „Suche nach dem Schlüssel“ ausgeht.
 

Frau István, was ist Ihre Aufgabe bei der Stiftung Kirchenburgen?

In meiner Stellenbeschreibung steht Referentin für Fachtourismus und Öffentlichkeitsarbeit. Dabei ist Fachtourismus ein Begriff, den wir mit in die Welt gesetzt haben. Wir haben ziemlich am Beginn der Stiftungsgründung festgestellt, dass für uns eigentlich die Menschen interessant sind, die sich fachlich mit Kirchenburgen beschäftigen, und wir möchten diese Menschen nach Siebenbürgen bringen. Unser Vorteil ist, dass wir dadurch Experten und Expertise vor Ort haben, die wir nicht extra bezahlen müssen, dafür bieten wir die Möglichkeit, an diesen großartigen historischen Kulturdenkmälern zu arbeiten oder sie zunächst einmal kennenzulernen, denn viele haben noch überhaupt keine Berührung mit Siebenbürgen gehabt.

Der dritte Gewinner ist die Region selbst, die von dem touristischen Programm und den Aufenthalten dieser Leute profitiert. Es ist ein Konzept, welches die Leitstelle Kirchenburgen schon begonnen hatte, ohne sich dessen bewusst zu sein. Dabei spreche ich von der Kooperation mit der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder und ihrem Studiengang Schutz Europäischer Kulturgüter. Ab dem kommenden Jahr werden wir eine Konzeptänderung vornehmen und statt Tourismusmessen, die den Konsumenten ansprechen, Messen aufsuchen, die in die Richtung Denkmalpflege und Kulturguterhalt gehen, um dort Fachleuten gezielt unser Konzept anzubieten.
 

Was können denn die Fachleute hier vorfinden?

Die Architekten finden hier Jahrhunderte alte Dachstühle und Wehrelemente. Es gibt die Intarsien an Chorgestühlen und die wunderschönen Türen in Reichesdorf/Richiş und Birthälm/Biertan für Holzfachleute. Diese sind aber immer auch von den Fachwerkbauten fasziniert. In Mühlbach/Sebeş gibt es einen Dachstuhl, der aus einer riesigen Holzkonstruktion besteht, das ist ein kleines Mekka für die Experten. Die Kunsthistoriker können wiederum in die ikonografische Geschichte eintauchen und sich mit der Analyse der Altäre beschäftigen. Immer wieder kommen auch Pfarrer und andere Theologen, die sich für die sakralen und geistlichen Elemente interessieren, was die Kirchen in ihre eigentliche Funktion zurückbringt, den geistlichen und geistigen Austausch. Dann gibt es aber auch die Wandmalereien und die Gräber, Metall- und Bronzearbeiten und noch sehr wenig berücksichtigt sind die Uhren. Fast jede Kirche hat eine Uhr, die meisten funktionieren nicht, da wäre es schon interessant, einen Experten in Sachen Uhren herzubringen.
 

Wie wichtig sind denn die Kirchenburgen für die Touristen, die nach Hermannstadt kommen?

Für die Touristen, die nach Hermannstadt/Sibiu kommen und hier einen City Break machen, sind die Kirchenburgen eigentlich erstmal nicht wichtig. Vielleicht fahren einige noch nach Heltau/Cisnădie hinaus, aber oft nicht weiter als Michelsberg/Cisnădioara. Allerdings sind sie für den Touristen, der nach Siebenbürgen kommt und hier herumreist, sehr wichtig, denn sie prägen das gesamte Landschaftsbild und sind nicht wegzudenken. Neben den lieblichen Hügeln, den schönen Wäldern und den vielen Schafherden sieht man immer wieder eine Kirchenburg. Sie sind ganz wesentlich für Siebenbürgen und bleiben den Touristen auch als prägendes Element in Erinnerung. Deswegen sprechen wir auch immer von der Kirchenburgenlandschaft Siebenbürgen. Ich sehe das als Einheit, klar, bestehend aus vielen einzelnen Kirchenburgen, aber die 240 Kirchen und Kirchenburgen in ihrer Gesamtheit sind das Besondere.
 

Wie kann denn der Individualreisende die Kirchenburgenlandschaft erkunden, vor dem Hintergrund, dass die meisten Kirchen geschlossen sind?

Mit unserem Kirchenburgenbüchlein. Das enthält 105 Kirchenburgen und Stadtkirchen mit Kontaktdaten. Es ist die analoge Form der Smartphone-App der Leitstelle Kirchenburgen. Diese war leider nicht erweiterbar, daher haben wir sie abgeschaltet. Wir haben bereits eine neue App konzipiert, die auch deutlich interaktiver ist und keine reine Informations-App ist. Doch wir sind noch auf der Suche nach einer guten Finanzierung, denn zum einen ist die Umsetzung nicht günstig und wir möchten uns auch nicht damit verzetteln, dass sie über mehrere Sponsoren ermöglicht wird. Wir würden uns wünschen, dass ein Geldgeber oder Sponsor die Gewährleistung des Funktionierens dieser App übernimmt.
 

Ruft denn der einfache Tourist den Burghüter an, wenn die Kirche verschlossen ist?

Die Individualtouristen sehr wohl. An den meisten Kirchen und Kirchenburgen steht die Telefonnummer des Schlüsselhüters oder des Kurators, die meist in Kirchennähe wohnen. Am besten ist es natürlich, wenn man sich vorher ankündigt. Falls jemand zum Beispiel spontan Frauendorf/Axente Sever besuchen möchte, wird es nämlich schon schwierig, denn die Burghüterin wohnt in Mediasch, aber wenn man sich ankündigt, dann wartet sie auch mit Kaffee und Kuchen auf einen. Viele Kirchenburgen haben aber auch Öffnungszeiten. Es ist allerdings schwierig, einen gemeinsamen Standard zu entwickeln. Es wäre schön, wenn man einheitliche Eintrittspreise hätte oder ganz darauf verzichtet. Ich habe schon oft gehört: „Wie kann es sein, dass man Eintritt bezahlen muss, wenn man in eine Kirche geht?“ Ein garantierter Zugang lässt sich auf vielen Dörfern allerdings nicht umsetzen. Ich muss aber auch dazu sagen, dass die Suche nach dem Schlüssel zum Abenteuer dazugehört. Ich fand es als Tourist immer spannend, in ein Dorf zu fahren, ohne zu wissen, wer überhaupt die Burghüterin ist.

Dann fragt man die Person, die gerade die Straße fegt, und wird zu Haus 17 geschickt. Dort sind allerdings nur die Kinder zu Hause und die Mutter auf dem Feld, aber dann schließen eben die Kinder die Kirchentür auf. Ich finde, das gehört zum Flair dazu. Mit dem Büchlein haben wir aber schon eine ganz gute Grundlage geschaffen und in der nächsten Auflage möchten wir dann auch nicht mehr nur 105 Kirchenburgen aufführen, sondern noch einige dazunehmen.
 

Ist denn der Tourismus der beste Denkmalschutz?

Nein, Tourismus ist nicht der beste Denkmalschutz. Tourismus ist sehr gut, um Bewusstsein zu wecken und Informationen über Denkmäler zu vermitteln oder auch für Erhaltungskonzepte. Tourismus ist wirtschaftliches Potenzial in einer Region und in dieser sowieso. Wichtig ist, dass man die Kirchen und Kirchenburgen in einen solchen Zustand bringt oder hält, dass sie keine Gefahren darstellen. Der Tourismus ist eine zusätzliche Motivation, die Kirchen in einem vorzeigbaren Zustand zu halten, aber aktiv zur Denkmalpflege tragen die Touristen erst im zweiten oder dritten Schritt bei. In einem geringeren Maße über Eintrittsgelder und in größerem Umfang mit positiver Werbung für die Kirchenburgenlandschaft. Etwas anders verhält es sich mit dem Fachtourismus, bei dem die Experten zum Teil tatsächlich aktiv beim Denkmalerhalt helfen.
 

Welchen Projekten widmet sich die Stiftung denn momentan?

Wir sind dabei, eine neue Kirchenburgen-Landkarte zu erstellen und zu produzieren, die Ende des Jahres fertig sein wird. Dann begleiten wir natürlich die laufenden Projekte, wie das des Ambassadors Fund for Cultural Preservation, mit dessen Hilfe die Kirchenburgen in Arbegen/Agârbiciu, Denndorf/Daia und Hundertbücheln/Movile restauriert werden. Andere Baustellen müssen wiederum abgeschlossen oder auf den Winter vorbereitet werden. Wir sind dabei, eine Fachtagung in Siebenbürgen zu planen, haben schon jetzt fünf Reisegruppen auf das Jahr verteilt und es werden hoffentlich noch mehr, die müssen wir zumindest schon grob vorbereiten. Für Jugendliche wollen wir zusammen mit dem Kulturforum östliches Europa einen Jugendworkshop anbieten, damit diese mit Handwerksberufen in Kontakt kommen können, da diese hier generell einen schlechtes Ansehen haben und mit negativen Vorurteilen behaftet sind. Wir schreiben derzeit also fleißig Konzepte und suchen Finanzierungsmöglichkeiten und dann bereiten wir uns auch auf die Messen im nächsten Jahr vor. In diesem Jahr wird in der ersten Novemberwoche noch unser zweites Kirchenburgengespräch stattfinden.
 

Zum Abschluss: Was ist der Geheimtipp der Stiftung Kirchenburgen für Besucher der Kirchenburgenlandschaft?

Die Kirchenburg in Henndorf/Brădeni wird oft übergangen, weil sie an der Hauptstraße liegt. Dabei sind die Henndorfer Truhen sehr faszinierend. In Heldsdorf/Hălchiu, wo die Ringmauern abgetragen wurden, gibt es einen wunderschönen Altar und Schmiegen/Şmig ist aufgrund der tollen Fresken interessant. Dort müsste aber etwas getan werden, denn die Kirche ist renovierungsbedürftig.