Das Herz der Karpaten hören

Der Prislop Pass als Ausgangsbasis für Berg- und Naturabenteuer

Vom Prislop Pass aus wurden 1717 die Tataren vertrieben: Ein Pfarrer organisierte den Hinterhalt und ließ mithilfe eines ausgeklügelten Systems eine Lawine aus Baumstämmen auf die Angreifer ins Tal rollen.

Mit etwas Glück kann man hier sogar Murmeltieren begegnen.

Die Cabana Alpina: Elf Betten, drei Zimmer – und ausschließlich mit Solarstrom betrieben. Gleich dahinter ein Zeltplatz mit Duschen und Sommerküche.

Wirtin Marilena Grec – hier mit Sohn Liviu – freuen sich auf Gäste aus aller Welt. Kontakt: liviugrec@gmail.com oder: 0757-765208 (deutsch), 0744-277489 (engl.)
Fotos: George Dumitriu

Zwischen der Bukowina und der Maramuresch auf 1416 Metern Höhe liegt der Prislop Pass: Ein malerischer Flecken Erde mit bewaldeten Bergkuppen, grünen Wiesen und einem atemberaubenden Panoramablick, den man von den Sitzpavillons des Campingplatzes ausgiebig genießen kann, bis die Sonne glutrot am Horizont versinkt. In der frischen Kühle entfaltet sich langsam das Sternenzelt: Auf dem dunklen Samtgrund scheinen sich nach und nach Abertausende Löcher zu öffnen, durch die das himmlische Licht dringt... Nun aber ab ins Zelt oder in die Hütte, damit man in aller Frühe aufbrechen kann! Im Morgentau loslaufen, soweit die Füße tragen –oder lieber auf dem Mountainbike in die Pedale treten? Egal. Auf geht es, mitten ins pulsierende Herz der Karpaten hinein!

Wer keine Wanderkarten mitbringt, kann bei einem herzhaften Frühstück in der Hütte Cabana Alpina auf fachkundige Hilfe hoffen: Familie Grec aus dem nahen Borşa betreibt die Hütte mit Campingplatz bereits seit den 90er Jahren und kennt die Region wie ihre Westentasche. Wirtin Marilena Grec spricht englisch, italienisch und ein wenig polnisch, während ihr Sohn Liviu auch auf Deutsch Auskunft geben kann.Wanderkarten und touristische Pläne liegen stets am Tresen zur Einsicht. Ein gut ausgerüstetes Pärchen tritt mit Sack und Pack in die kühle Morgenluft. „Dobre drugi“ ruft ihnen die rührige Marilena hinterher, während sie uns stolz ihre Souvenirsammlung zeigt: Fotos, Flaggen, in allen möglichen Sprachen beschriftete Bierdosen. Die meisten Gäste kommen aus den einen Steinwurf entfernten Nachbarländern Polen, Tschechien und der Slowakei. 80 Prozent sind Polen, die oft in Gruppen bis in die Bukowina wandern, in ehemals polnische Dörfer wie Căcica oder Poiana Micului, wo man heute noch altpolnisch spricht und gelegentlich Gottesdienste in polnischer Sprache veranstaltet werden, erklärt Marilena.

Aber auch die jährliche Karpata Trophy begann schon am Prislop Pass: Aus aller Welt reisten Trekkingfreaks an, um mit Geländewagen und GPS durch die ursprüngliche Landschaft zu navigieren.

Jedes Jahr  am zweiten Sonntag nach im August nach Maria Himmelfahrt findet hier die „Hora von Prislop“ statt: Dann kommen Gesangs- und Volkstanzgruppen aus den umliegenden Regionen zum gemeinsamenSpektakel auf dem Pass zusammen. Aus Rumänien sind Suceava, Bistritz-Nassod, Satu Mare, Salaj  und Maramuresch vertreten, und sogar aus der Ukraine reisen Folkloregruppen an, erzählt Marilena Grec.

Wanderparadies

In erster Linie ist der Prislop Pass jedoch die ideale Ausgangsbasis für begeisterte Bergwanderer. Neben Rhododendren und Edelweiß bietet sich ihnen auf den nicht allzu schwierigen Wegen des Rodna Gebirges auch eine reiche Fauna: Gämsen, Wildkatzen, Wölfen und Hirschen, ja sogar Murmeltieren kann man mit etwas Glück begegnen. Auch Bären gibt es, doch diese sind hier kein Problem, versichert Liviu Grec. Ein Forscher aus Deutschland begeisterte sich über eine seltene Laufkäferart, die es angeblich nur in dieser Gegend gibt, erzählt der junge Mann. Auch den äußerst raren Birkhahn kann man in den umliegenden Wäldern antreffen, vor allem aber seinen typischen Schrei hören. „Ein Universitätsprofessor blieb eine Woche bei uns“, berichtet Liviu stolz. „Danach sagte er: ‚Wenn du das Herz der Karpaten hören willst, musst du hierher kommen!‘“ 

Als leichtere Tour empfiehlt er den sechstündigen Weg zum Ştiol See, vorbei am Wasserfall „Cascada cailor“, zur Quelle der goldenen Bistritz/Bistriţa aurie, die sich von dort bis in die Bukowina ergießt, bis zum Şaua Gărgălau.  Eine Zweitagestour führt zum Gipfel Cornu nedeii bis nach Făina ins Wassertal. Dort kann man der Wassertalbahn zusteigen und mit der abenteuerlichen, dampflokbetriebenen Schmalspurbahn bis nach Cataramă in die Nähe des Prislop Passes zurückfahren.

Nahe Sehenswürdigkeiten

An nahen Touristenattraktionen - nicht nur für Wanderer –  sei dieselbige mit ihrem Bahnhof in Oberwischau/Vişeu de Sus genannt. Eigentlich eine Holztransportbahn der seit dem 18. Jahrhundert in der Region etablierten Forstindustrie, können Touristen in einer Tagesfahrt in die entlegensten Regionen des Wassertals reisen.

An weiteren Attraktionen in der Maramuresch seien die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden bemalten Holzkirchen von Ieud-Deal, Bârsana, Poienile Izei, Şurdeşti, Plopiş, Deseşti, Budeşti-Josani und Rogoz  genannt, sowie der lustige Friedhof von Săpânţa mit humorig-frechen Sprüchen auf buntbemalten Grabkreuzen. In der näheren Umgebung gibt es eine kunstvoll beschnitzte Holzkirche in Borşa (23 km) oder das Kloster von Moisei (33 km) zu besichtigen.

Panoramastrecke aus der Bukowina

Wer nicht über Borşa, sondern über Vatra Dornei oder aus der Bukowina (über Iacobeni) anreist, sollte sich einen ausgiebigen Fotostopp in Ciocăneşti nicht entgehen lassen. In diesem Dorf tragen alle Häuser „Hemden“ - liebevoll applizierte Stuckmotive, inspiriert von der lokalen Trachtenstickerei.

Danach beginnt die Panoramastrecke DN18 zum Prislop-Pass, die zwar wegen ihres unakzeptablen Zustands eine Schande ist – immerhin handelt es sich um die Verbindungsstrecke zweier Regionen mit hohem touristischem Potenzial - jedoch landschaftlich ein absoluter Traum! Zuerst fährt man – kaum jemals schneller als 30-40 km/h – gemächlich die goldene Bistritz entlang, dann geht es über immer steilere Serpentinen durch Wald und Fels, bis sich an der letzten Biegung das weiße Prislop Kloster gegen die Kulisse des strahlendblauen Himmels abhebt...

Rechts vom Kloster  wartet die rustikale „Cabana Alpina“ auf straßenlöchermüde Reisende oder bergabenteuerbereite Camper, mit Marilena Grecs deftiger Hausmannskost und einem unglaublich guten Schnaps. Und wer nicht zelten möchte, findet  natürlich auch in der urigen Hütte ein warmes Bett.