„Das historische Banat geben wir nicht auf“

ADZ-Gespräch mit dem römisch-katholischen Bischof von Temeswar, Martin Roos

Der römisch-katholische Bischof von Temeswar, Martin Roos, ist im Oktober 75 Jahre alt geworden. Für Bischöfe ein bedeutender Meilenstein, denn üblicherweise reichen sie beim Papst ihren Rücktritt ein. Auch Bischof Martin Roos, der aus Knees/Satchinez im Kreis Temesch stammt, bereitet sich auf den Ruhestand vor. Langweilig soll es nicht werden, denn immerhin plant er, sein umfangreiches dokumentarisches Werk über die Geschichte der Diözese Temeswar fortzusetzen. Und das geschieht am besten vor Ort, im Banat. Über die aktuelle Situation der Diözese, aber auch über andere Vorhaben im Hinblick auf das Jubiläumsjahr 2020 und das Kulturhauptstadtjahr 2021 sprach ADZ-Redakteurin Raluca Nelepcu mit dem römisch-katholischen Bischof von Temeswar, Martin Roos.


Wie viele römisch-katholische Gläubige leben heutzutage im Banat, in der Diözese des Heiligen Gerhard?

Zurzeit sind es etwa 120.000 Katholiken in der gesamten Diözese, die sieben bis acht verschiedene Sprachen sprechen, und daher ist unsere Diözese recht bunt. Wir sind aber in der glücklichen Lage, dass wir diese Menschen zum großen Teil in ihrer eigenen Muttersprache betreuen können. Unsere Priester können mit den Leuten in ihrer Muttersprache sprechen und deswegen, glaube ich, ist auch die Pastoration gesichert und durchaus entsprechend.

Gibt es, neben der italienischen Gemeinschaft in Temeswar, auch noch andere römisch-katholische Gläubige, die sich nach der Wende in größerer Zahl in Ihrer Diözese angesiedelt haben?

Die Bevölkerungsstruktur war schon vor 1990 und ist auch heute recht bunt. Zwar sind die Italiener hinzugekommen, aber im Großen und Ganzen haben wir eine breite Palette von Sprachen, sodass wir uns nicht auf neue einstellen mussten. Natürlich kommen hie und da auch aus anderen Teilen der Welt Katholiken nach Temeswar, denn immerhin ist die Stadt eine der bedeutendsten des Landes und ein Anziehungspunkt für verschiedene Völker, Berufe und Menschen. Aber, abgesehen von den Italienern, sind keine größeren Gruppen dazugekommen.

Sie haben erwähnt, dass die Pastoration in den jeweiligen Sprachen erfolgt. Wie viele Priester dienen aktuell in Ihrer Diözese?

Wir sind – auch die Ruheständler, Kranke mit eingerechnet – insgesamt 92 Priester. Jeder dieser Priester spricht mindestens zwei-drei Sprachen geläufig, sodass er in der Pastoration auch seinen Mann stellen kann. Wir mussten 1992 bereits viele Pfarreien, vor allem einige deutsche Gemeinden, aufgeben, weil die Gläubigen abgewandert waren. Von den über 160 Pfarreien sind jetzt 73 geblieben, und die Struktur ist zurzeit gesund. Wir haben uns gesund geschrumpft, kann man sagen, und deswegen kann die Pastoration in den normalen Bahnen geleistet werden und ist auch gesichert für die Zukunft.

Wie sieht es denn aus mit dem Priesternachwuchs: Wer wird heute Priester, auch angesichts des Zölibats?

Das Zölibat spielt nicht die Hauptrolle bei der Entscheidung, Priester zu werden. Die Hauptrolle ist eher das Glaubensleben an sich, das eigentlich die tragfähige Grundlage des priesterlichen Lebens ist. Das Problem liegt mehr darin, dass die jungen Familien abwandern und daher eine überalterte Struktur in den Gemeinden vorhanden ist. Kinder fehlen, und deswegen sind auch die Priesterberufe weniger. Wir sind aber in der Lage, die Pfarreien bisher gut zu versorgen. Jede Pfarrei ist besetzt, jede hat ihren Priester als Ansprechpartner. Der Priesternachwuchs ist in der heutigen Situation zufriedenstellend. Auch dieses Jahr haben drei begonnen und wir hoffen, dass sich das einigermaßen halten wird. Viel mehr Priester könnte ich in der Diözese gar nicht gebrauchen, weil ich keine Pfarreien habe, in die ich sie einsetzen könnte. Natürlich könnte man da und dort noch einen jungen Kaplan gebrauchen, aber wir kommen gut über die Runden. Ich bin eigentlich mit der Situation zufrieden.

Wie sieht denn die Situation der Kirchen aus? Wie viele sind im Dauerbetrieb, wie viele sind geschlossen bzw. was passiert mit den abgesperrten Kirchen in Zukunft?

Wir haben keine abgesperrten Kirchen! In den ehemaligen deutschen Gemeinden besteht das Problem der großen Kirchen, vor allem, da die Zahl der Gläubigen stark zurückgegangen ist. Wir haben schon Gemeinden da und dort, wo also nur noch eine Handvoll Katholiken leben. Die Kirchen sperren wir aber schon deshalb nicht ab, weil die Kirche an sich eine offene Institution ist und deswegen sollte sie auch in Zukunft offen bleiben. Wir versuchen, die Kirchen zu erhalten, indem wir wenigstens das Dach dicht halten, dass es nicht hineinregnet. Andererseits ist die Situation auch kritisch. Wir können die großen Kirchen schwer erhalten, haben aber noch, Gott sei Dank, Unterstützung von den Leuten, die ausgewandert sind und in Deutschland leben. Die HOGs sind im Allgemeinen unsere Ansprechpartner und auch offen für die Erhaltung ihrer Kirchen. Dass da und dort noch eine Kirche steht, wo der Putz allmählich abbröckelt, das lässt sich mit der Zeit nicht verhindern, aber, wie gesagt, wir versuchen, mindestens das Dach dicht zu halten und damit auch die Kirche für die nächste Generation zu erhalten.

Einmal gibt es die 73 Pfarrkirchen in unserer Diözese, aber wir haben insgesamt rund 700 Filialen. Nicht jede Filiale hat eine große Kirche. Insofern kommen wir über die Runden, dass wir jährlich 10-15 Kirchen doch einigermaßen in Schuss halten, erneuern, renovieren können. Die Situation ist nicht ganz trostlos.

Bleiben wir bei den Immobilien: Wie steht die Diözese Temeswar mit dem von den Kommunisten beschlagnahmten Vermögen? Wie viel ist, realistisch gesehen, noch zu erwarten?

Die Rückerstattung ist ein zweischneidiges Schwert. Die Diözese Temeswar hatte, im Allgemeinen, Schulgebäude. Wir hatten keine überflüssigen Gebäude, sondern Kirchen, Pfarrhäuser hie und da, und meistens Schulen. Das Meiste, was rückerstattet werden konnte, waren Schulen. Wir haben das Piaristengymnasium in Temeswar erhalten, wo wir eine katholische Schule betreiben. Mit Hilfe des Staates und der Diözese haben wir ein gutes Schulsystem für unsere Zwecke errichtet. Rückerstattet hat man uns da und dort Schulen, die weder ein Fenster, noch eine Tür hatten, sondern nur die blanken Mauern. Was sollen wir damit anfangen? Ist das eine Rückerstattung? So hat man die Gebäude damals nicht übernommen. Deswegen sind wir nicht so scharf darauf, dass noch mehr zurückkommt. Nachdem 50 Jahre lang diese Gebäude kaputtgewohnt wurden, erstattet man uns jetzt die Mauern zurück. Das ist kein wünschenswerter Gewinn der ganzen Aktion.

Sie haben vorhin das Piaristengymnasium erwähnt. Wann können sich die Temeswarer über dessen Sanierung freuen?

Der Antrag ist gestellt. Was die Zukunft bringen wird, wird sich zeigen. Wir haben jetzt ein Projekt für den Hohen Dom am Laufen, nachdem wir Maria Radna, Gott sei Dank, einigermaßen gut sanieren konnten. Das nächste Problem bzw. Projekt ist auch eingereicht, und das bezieht sich auf das Piaristengebäude. Deswegen hoffe ich, dass auch dieses Projekt noch durchgeht.

Wie bereitet sich die Diözese auf das Kulturhauptstadtjahr 2021 vor?

Die Diözese bereitet sich zunächst auf ihr 990-jähriges Jubiläum vor. Dieses ist 2020 fällig. Im Jahr 1030 wurde der Heilige Gerhard zum Bischof geweiht – das ist ein feststehendes und sicheres Datum. Im Jahr 2020 feiern wir ein großes Jubiläum. Zunächst einmal bereiten wir uns darauf vor, anschließend auch auf 2021, wo Temeswar eine der Kulturhauptstädte Europas sein wird.

Im Hinblick auf das Jahr 2020, das Sie erwähnt haben: Was steht jetzt schon konkret fest?

Die Pläne sind alle sehr konkret. Es ist einmal ein geistliches Jubiläum, das wir in dieser Weise feiern wollen. Es wird sicher auch eine Ausstellung geben, die die Vergangenheit der Diözese vorstellt. Gerade morgen habe ich einen Termin in Budapest, wo wir die ersten Schritte zur Herausgabe des Werkes des heiligen Gerhard, unseres ersten Bischofs, besprechen. Der heilige Gerhard hat in den Jahren 1030 - 1040 ein für unsere Gegend einmaliges theologisches Werk verfasst, und deswegen wollen wir eine Faksimile-Ausgabe dieses Werkes, das in einem einzigen Kodex in München, in der Stadtbibliothek, aufbewahrt wird, drucken. Von dort haben wir die Voraussetzungen geschaffen, dass wir dieses Werk nachdrucken und in der Originalfassung einem breiteren Publikum, vor allem auch den entsprechenden Fachkreisen an den Universitäten, zur Verfügung stellen, mit einem Begleitband, der das Werk des heiligen Gerhard im Laufe der Geschichte darstellen soll. Ein anderes, ähnliches Werk ist die kritische Herausgabe der Legenden des heiligen Gerhard. Das sind zwei Bücher, die für die Zukunft bleiben werden und daher auch einen Meilenstein in der Geschichte unserer Diözese darstellen. Dementsprechend werden natürlich auch Symposien mit den entsprechenden Fachleuten geplant, es ist auch ein geistliches Programm bereits erstellt, mit verschiedenen Wallfahrten zu den Orten, wo der heilige Gerhard gelebt hat, auch, wo er das Martyrium erlitten hat – in Budapest, am Gerhardsberg. Diese Dinge sind in Planung und haben eine konkrete Form angenommen. Eine Wallfahrt nach Venedig, zu den Reliquien des heiligen Gerhard, ist ebenfalls im Programm eingeschlossen, sowie verschiedene Veranstaltungen in Temeswar und in der Diözese.

Wie läuft die Annäherung der Diözesen im historischen Banat?

Aus der alten Diözese Tschanad sind in der Zwischenzeit drei Diözesen entstanden: Die Diözese Szeged-Tschanad in Ungarn, die Diözese Großbetschkerek in Serbien und die Diözese Temeswar. Wir verstehen uns als Schwesterdiözesen, haben auch unter den drei Bischöfen sehr gute Kontakte, wir treffen uns immer wieder. Zum Tag des heiligen Martin habe ich die anderen Bischöfe eingeladen, sodass wir uns nun auch hier treffen. Wir besuchen uns nicht nur gegenseitig, sondern nehmen an den jeweiligen Festen und Jubiläen teil. Diese drei Diözesen haben sich in den letzten 30 Jahren schon ziemlich angenähert. Insofern ist es stets ein persönliches Anliegen von mir gewesen, dass wir im Dreiländereck näher zusammenkommen, miteinander zusammenarbeiten und im Gebet verbunden sind.

Wie stehen die Chancen zur Wiedergründung einer grenzüberschreitenden Diözese?

Das hängt von der Kirchenpolitik ab. Die Staatsgrenzen werden dabei immer beachtet. Ich wäre schon dafür, das wir noch näher zusammenrücken, und ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass eines Tages diese drei Diözesen noch enger miteinander verbunden sein werden. Auf dem Gebiet der Priesterbegegnungen gibt es solche, wo die Priester aus den drei Diözesen zusammenkommen. Auf alle Fälle: Das historische Banat, das geben wir nicht auf.

Was sind denn Ihre persönlichen Pläne für die nächste Zeit?

Ein katholischer Bischof reicht mit 75 seinen Rücktritt ein. Insofern habe ich das schon getan. Der Heilige Vater hat ihn zunächst einmal angenommen. Wann es konkret zu einem neuen Bischof kommen wird, ist ungewiss, aber ich hoffe, dass das doch recht bald geschieht. Ich habe für meinen Ruhestand schon meine Pläne – es wird für mich nicht langweilig. Ich werde weiterhin arbeiten, vor allem auf dem Gebiet, das ich bisher schon ziemlich kultiviert habe, und das ist die Geschichte unserer Diözese. Als nächstes Büchlein ist eine Monografie über den heiligen Gerhard geplant, die wahrscheinlich in den nächsten Wochen in Druck geht. Ich glaube, dieses Buch ist eine gute Einstimmung auf das genannte Jubiläum von 2020.

Vielen Dank für das Gespräch!