Das Kulturerbe vor dem Ausverkauf?

Prof. Dr. Sabin Luca, Generaldirektor des Brukenthalmuseums, zum geplanten Lokomotivenmuseum

Eine 1885 in Wien-Neustadt gebaute Dampflok steht in Hermannstadt.
Foto: www.cultura.sibiu.ro

„Wir sind am Ende.“ Damit meinte Prof. Dr. Sabin Adrian Luca, der Generaldirektor des Brukenthalmuseums, all jene, die sich in Rumänien um das Bewahren des Kulturerbes bemühen. Auf einer Pressekonferenz am Montagvormittag bat er die Medien um Unterstützung. Als Thema des Briefings waren die im vorigen Jahr vom Museum erzielten Ergebnisse angesagt. Diese Angaben liegen auch heuer in einer 86 Seiten umfassenden Din-A-4-Broschüre mit zahlreichen Farbfotos vor. „Die Ziffern sind trocken und beschönigen nichts“, so Dr. Luca. Jahr um Jahr sinken die vom Kulturministerium zur Verfügung gestellten Mittel sowie die Zahl der Mitarbeiter und die Leistungen steigen.

Die Ziffern

2011 hatte das Brukenthalmuseum mit seinen Einrichtungen 126 Mitarbeiter – dem Komplex gehören das Naturkunde-, das Geschichts-, das Apotheken- und das Jagdmuseum sowie die Gemäldegalerien im Brukenthalpalais, im Blauen Stadthaus und in der Quergasse/Str. Tribunei an, wobei es neben Ausstellungsräumen auch zahlreiche Restaurierungs- und Forschungslabors gibt. 2012 fiel die Mitarbeiterzahl auf 116. Insgesamt sei die Zahl der Angestellten in den vergangenen drei Jahren um 40 Prozent gesunken, sagte Direktor Luca. Dennoch fanden 2012 in den Museen 53 Ausstellungen statt, und das waren zwei mehr als im Jahr davor. Von sechs auf zehn angestiegen sind die Expositionen des Museums im Land. Die Erfolgsmeldungen gehen weiter: 2011 nahmen 50 Fachleute an 23 internationalen Tagungen bzw. 70 Museumsmitarbeiter an 34 Tagungen mit nationaler Beteiligung teil, 2011 hatte es 44 Teilnahmen an 28 internationalen Symposien sowie 74 Beteiligungen an 29 Tagungen im Land gegeben. Zählte man 2011 in den Museumseinrichtungen 373.016 Besucher, so stieg ihre Zahl im vorigen Jahr auf 378.181. Trotz Krisenjahren wurde das gesetzte Soll an Eigeneinnahmen überschritten. Betrugen diese 2011 rund 1,5 Millionen Lei, so waren es im Vorjahr fast 1,8 Millionen und diese machten 27 Prozent der Gesamtausgaben des Museums aus.  

Zugute kamen dem Museum u. a. Verträge für archäologische Grabungen an der Autobahn. Die guten Leistungen seien jedoch auf die Arbeit, Kreativität und den Einsatz einer Handvoll Personen zurückzuführen, die kein Wochenende, keinen Urlaub, keine Feiertage kennen, sowie ein „aggressives Management“, meinte der Museumsdirektor. Nach Ansicht des Geldgebers – des Kulturministeriums – habe man die Vorhaben erreicht, nämlich die Ausgaben Jahr um Jahr zurückzufahren. Die Kehrseite der Medaille Personalkostensenkung aller-dings ist, dass Abteilungen des Museums im Turnus geschlossen werden müssen, um den Mitarbeitern durch Freistellung die Überstunden zu entgelten, denn bezahlen darf man sie nicht. Dabei kann es dann zu unliebsamen Vorfällen kommen wie im Apothekenmuseum, das vom darübergelegenen Hostel überschwemmt worden ist, was die Mitarbeiter erst mit Verspätung feststellten, zumal man sich auch kein Wachpersonal leisten kann. Überhaupt sei es unverständlich, dass nicht mal die Gemäldegalerie unter den Schutz der Gendarmerie gestellt wurde – trotz unzähliger Eingaben beim einschlägigen Ministerium – wo allein der „Mann mit der blauen Sendelbinde“ einen Versicherungswert von 50 Millionen Euro hat, sagte Dr. Luca.     

Dampflok-Museum ade

„Der Staat veräußert sein Kulturerbe willentlich.“ Dies stellte der Museumsdirektor im Bezug auf die Dampfloks fest. Er sehe sich genötigt, auf sein Vorhaben zu verzichten, ein Museum der Dampflokomotiven im Rahmen des Brukenthal-Museumskomplexes einzurichten, sagte Dr. Luca, der eigentliche Grund seines Hilferufes. Dieses Anliegen verfolgt er seit 2007, hat unzählige Projektvorschläge eingereicht und Korrespondenzen geführt. Nun stellte er fest, dass sieben der 40 Dampfrösser zur Versteigerung und zum Verkauf freigegeben wurden. Das „Lokomotiven-Museum“ gibt es in Hermannstadt am Papier seit 1994. Es gehört der Eisenbahn-Regionale Kronstadt/Braşov an. In der Nähe des Bahnhofs stehen 35 Dampfloks, zwei Krähne und zwei Schneepflüge, die ebenfalls mit Dampf betrieben wurden. Die Baujahre: 1885 bis 1958. Seit 2000 sind die Dampfrösser per Gesetz als Kulturerbe geschützt. Und vergammeln. Vor drei Jahren hatte der Museumsdirektor die Idee gehabt, am Gelände hinter der Independenţa-Fabrik – der im 19. Jahrhundert von Andreas Rieger erbauten Werkzeugproduktionshallen – ein Industriemuseum einzurichten. Darauf musste er schon verzichten. Nun befürchtet er, dass auch aus dem Dampflok-Museum nichts wird, das zu einer weiteren Attraktion in Hermannstadt werden könnte.

Vor drei Jahren habe er zufällig im Kulturministerium erfahren, dass sieben der Loks einer Kronstädter Gesellschaft gehören, die sich in freiwilliger Auflösung befindet. Ein Generalsekretär des Ministeriums hatte unterschrieben, dass auch die Loks zur Versteigerung freigegeben sind, mit Ausgangspreisen zwischen 43.000 und 64.000 Euro. In dergleichen Fällen hätte der Staat das Vorkaufsrecht. Er scheint aber das Interesse an seinem Kulturerbe nicht gehabt zu haben. Dr. Luca erfuhr, dass zwischenzeitlich eine Lok dem Rathaus Zlatna im Kreis Alba für 18.000 Lei verkauft wurde und die befindet sich nun in einer Restaurierungswerkstatt in Klausenburg/Cluj. Fünf Loks gelangten nach Neumarkt/Tg. Mureş. Laut Museumsdirektor Luca sei die Einstellung Bukarests gegenüber Hermannstadt und seinem berühmten Museum: Nehmen, ohne Danke zu sagen, aber nichts geben.

Auf Anfrage der Medien teilte die Sprecherin des Polizeikreisamtes, Anca Bloanca, mit, dass die Behörde am 24. Januar 2013 vom Kreisamt für Kultur und Kulturerbe Hermannstadt/Sibiu über den Verkauf einer zum Kulturerbe gehörenden Diesellok verständigt worden ist. Sie gehörte einer Kronstädter Handelsgesellschaft und wurde nach deren Bankrott veräußert. Aufgrund der Eingabe des Kulturamtes wurden Untersuchungen eingeleitet betreffend die Gültigkeit des Kaufvertrages.  Nach Angaben des Kulturamtes wurde die Dampflok für 18.000 Lei verkauft und am 16. Januar 2013 in eine Reparaturwerkstatt nach Klausenburg/Cluj transportiert. Weitere fünf Lokomotiven – zwei Dampfloks und drei für Schmalspurbahnen – sind 2011 nach Neumarkt/Tg. Mureş verlagert, aber nicht hin verkauft worden. Dort seien sie, so weiß man beim Kulturamt, auf Kosten des Inhabers einer Firma restauriert worden, allerdings nicht von einer Person, die dafür ausgewiesen ist.