Das Refugium als Werkstatt

Kunstband zu Wilhelm Fabini von Joachim Wittstock erschienen

Joachim Wittstock: „Wilhelm Fabini. Blick in sein Atelier“, Honterus, Hermannstadt, 2017, ISBN: 9786068573878

Joachim Wittstock hat seinen Wunsch, das Werk des Bildhauers und Keramikkünstlers Wilhelm Fabini (29. Februar 1936 in Kronstadt/Braşov geboren) in einer Publikation zu würdigen, den er anlässlich dessen 80. Geburtstags in einem Aufsatz formulierte (ADZ 26. Februar 2016), in die Tat umgesetzt. Der eher zurückhaltende Künstler ließ sich schließlich von ihm bereden und steuerte sogar den Bildteil nebst einigen Hintergrundinformationen bei. Neben Biografischem und Werkgeschichtlichem, einem Verzeichnis der Ausstellungen und der Bibliografie beeindruckt nun der umfangreiche Bildteil. Die darin enthaltenen Abbildungen verdeutlichen die Vielseitigkeit des Künstlers. Bei den frühen Werken stehen Kohle- und Tuschzeichnungen, wie auch Aquarelle im Vordergrund. Einige Aufnahmen gewähren tatsächlich einen fotografischen Blick ins Atelier und die Wiedergabe der Plastiken zeigen, dass Fabini nicht nur in Keramik, sondern auch mit den unterschiedlichsten Materialien, wie Holz, Stein oder Bronze zu arbeiten weiß. Natürlich fehlen nicht die Abbildungen öffentlicher Denkmäler, einer heute nur noch fotografisch dokumentierten begehbaren Plastik und die Beiträge, die er zur Ausstattung evangelischer Kirchen in Siebenbürgen geleistet hat.

Die Bereitschaft, sich mit den Künstlern, die geblieben sind, das heißt unter den Bedingungen der kommunistischen Herrschaft ausgeharrt haben, intensiver und vorurteilsfreier zu beschäftigen, scheint in letzter Zeit gestiegen zu sein. Nicht von ungefähr machen in Deutschland Ausstellungen zur DDR-Kunst – „Hinter der Maske. Künstler in der DDR“, Museum Barberini, Potsdam – und selbst zum einst verpönten DDR-Design von sich reden.

Joachim Wittstock, dessen Lebensweg mit dem von Wilhelm Fabini mehrfach verschränkt ist, geht auf die familiäre Herkunft in seinem biografischen Teil ausführlich ein, ist doch die Familie Fabini keine unbekannte Größe in Siebenbürgen. Aus eigener Erfahrung kann Wittstock denn auch manches aus der Schul- und Studentenzeit beitragen, die dem Schaltjahr geschuldeten besonderen Geburtstagsfeiern oder die Leidenschaft zum Bergsteigen. Aber auch die damit verbundenen tragischen und prägenden Erlebnisse, die eher bedrückte Atmosphäre bereits an der Kunsthochschule in Klausenburg spart er nicht aus, wenn der Professor, weil verhaftet, nicht wiederkehrte, oder wenn bereits kleinste Abweichungen in der geforderten Darstellung – eine das Gesicht verschattende Hand wurde sofort moniert – die Entwicklung eines eigenen Gestaltungswillens beinahe unmöglich machte. Nichtsdestotrotz entsprach der Weg hin zum Dekorativen, zum „Maßvollen und Gemessenen“ wie Wittstock sich ausdrückt, durchaus Fabinis Naturell. Die bisweilen unbefriedigende Arbeit als Designer der Fayence-Fabrik in Schäßburg bot Wilhelm Fabini immerhin die Möglichkeit, sich mit den unterschiedlichsten Materialien und Techniken vertraut zu machen. Der später aufgenommene Dienst als Kunsterzieher bot Freiräume, die er für seine eigene Kunst zu nutzen wusste.

Bei dem titelgebenden „Blick ins Atelier“, der weiter gefasst auch Leben und Werk umschließt, entspricht der Hinweis, dass das „nussbaumüberwölbte Atelier“ für Wilhelm Fabini nicht nur ein Werkraum, sondern auch ein Refugium darstellt, durchaus einer Zustandsbeschreibung. Welche besonderen Schätze, Kuriosa, Werkzeuge und Materialien dort zu finden sind, auch Zitate von Max Ernst oder Andreas Gryphius und Hinweise auf bildnerische Vorbilder, schildert Wittstock anschaulich. Ein Rückzug nur ins Private ist damit nicht gegeben, denn Wilhelm Fabini ist vielfach in die Siebenbürger Gemeinschaft eingebunden, sei es als Nachbarvater, als aktives Mitglied im Demokratischen Forum oder der evangelischen Kirche. Der Gemeinschaft dient er nicht nur mit der Übernahme öffentlicher Ämter und politischem Engagement, sondern auch in seiner Eigenschaft als Künstler, wenn er z. B. den Altar im evangelisch-lutherischen Gemeinderaum in Hermannstadt gestaltet oder das Denkmal des aus Schäßburg gebürtigen Raketenbauers Hermann Oberth.

Die Arbeiten Wilhelm Fabinis stellt Wittstock nicht in chronologischer Reihenfolge – die meisten Werke sind ohnehin undatiert – sondern nach Gattungen vor, wobei die Grafiken (Tusche, Kohle Bleistift), meist Ansichten von Landschaften, dem heimischen Schäßburg, aber auch Porträts, oft von Personen aus dem persönlichen Umfeld, zu den frühesten Arbeiten gehören. Zu den besonderen Kapiteln zählt dasjenige über das Motiv des „Lebensbaums“, bei dem die ausladende Laubkrone spiegelbildlich dem Wurzelwerk entspricht, ein Motiv, das auch das Familienwappen der Fabinis ziert und dem schon von daher eine besondere Bedeutung zukommt. Aber auch den 1976 in Faenza, der Hochburg der Keramikkunst in Italien, preisgekrönten Keramiktafeln „Hommage á Paul Celan“ widmet Wittstock seine besondere Aufmerksamkeit. Die Umsetzung von Dichtung in bildnerische Kunst – an anderer Stelle Tuschzeichnungen zu Nikos Kazantzakis oder einem Rilke-Zitat – sind öfter anzutreffende Elemente der Kunst Fabinis. Am „meisten er selbst“ scheint Wilhelm Fabini, laut Wittstock, dann zu sein, wenn er, wie in dem Kapitel „Keramikplatten und Derivate“, Keramiken oder, noch kontrastreicher, feine Porzellanreliefs auf grobe Holzplatten montiert. Hier z. B. in der Arbeit „Äpfel der Hesperiden“ (Abb. 99) erkennt Wittstock die ureigene Handschrift des Künstlers in dem Zusammenspiel von reduzierter Formensprache mit virtuoser Handhabung der Materialien.

Die Werke von Wilhelm Fabini in diesem Band zusammenzuführen, um sie der Nachwelt zu überliefern oder um seine Kunst neu zu entdecken, ist ein hier eindrucksvoll gelungenes Unterfangen, das wir der Initiative von Joachim Wittstock zu verdanken haben.