Das UNESCO-Welterbe in Rumänien

Von den Dakern über Kirchenburgen und Klöster zum Donaudelta

Charmante Wandmalerei in der Holzkirche von Ieud

Kalender-Steinkreis in der Dakerfestung von Sarmizegetusa

Das Kloster Probota, aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel fotografiert

Gewaltige Verteidigungsanlage des Klosters Suceviţa
Fotos: George Dumitriu

Was verbindet die Pyramiden von Ägypten, das Tadsch Mahal in Indien und die Inkastadt Machu Picchu in Peru mit der Wehrkirche von Deutsch-Weißkirch oder den Steinkreisen der Daker in Sarmizegetusa? Sie sind  Zeitzeugen  einzigartiger  Kulturen und damit Teil der Geburtsurkunde der Menschheit.

Weil ihr Schutz im Interesse aller Völker liegt, hat die UNESCO 1972 die Welterbekonvention verabschiedet, die mittlerweile 187 Staaten unterzeichnet haben. Neben Kulturdenkmälern sind dort auch schützenswerte Naturlandschaften erfasst, etwa der Ngorongoro Krater, die Niagarafälle oder das Donaudelta. Rumänien ist in der UNESCO mit 37 Welterbestätten vertreten, die hier im Überblick vorgestellt werden.

Die steinernen Festungen der Daker

Die Daker sprechen zu uns. Ihre stummen Worte sind die kalendarischen Steinkreise des Heiligtums von Sarmizegetusa, die Sonnenscheibe aus Andesit, die quadratischen Sanktuarien, steinerne Säulenstümpfe und Abflussrinnen.

Mauern aus nahtlos aneinandergefügten Quadern, „Murus dacicus“ genannt, mit den typischen quadratischen Löchern, in die man Holzbalken steckte – sie flüstern uns ihre Geschichte ins Ohr, in den Resten der Festungen von Costeşti-Cetăţuie, Costeşti-Blidaru, Luncani-Piatra Roşie, Băniţa und Căpâlna im Landkreis Hunedoara.

In schwindelnden Höhen erbaut, manche – wie Băniţa - nahezu unbezwingbar, so nahe an Zalmoxis Reich, lassen sie uns nachempfinden, was Decebalus und Burebista, Diurpaneus und Daus gefühlt haben, als sie ins weite Land blickten. Dasselbe, auf das wir nun hinunterblicken, und das sich heute Rumänien nennt...

Das historische Zentrum von Schäßburg/Sighişoara

Kulissenwechsel. Wir reisen dem Zeitpfeil entlang bis ins Mittelalter, in die einzige noch bewohnte Festung Europas. Auf der Bühne der Geschichte erscheinen nun ganz andere Spieler: die Siebenbürger Sachsen, Einwanderer aus der Moselregion, die einst der Armut entflohen und hier eine neue Heimat fanden. Jahrhundertelang verteidigten sie diese mit Burgen und Wehrkirchen gegen die Angriffe plündernder Horden, Türken und Tataren.

Hier erreichte im 16. Jahrhundert das Handwerk seine Blütezeit. Noch heute kann man die Türme der Zünfte im Festungsring bewundert: der Schusterturm, der Schneiderturm, der Zinngießerturm. Vom Stundturm aus schauen wir zur Bergkirche hinüber, mit ihrem wildromantischen Gottesacker. Oder hinunter zum Geburtshaus von Vlad Dracul, heute ein touristisches Restaurant. Oder zum Venezianischen Haus hinüber, das Bürgermeister Stephanus Mann im 16. Jahrhundert seiner italienischen Frau zuliebe errichten ließ. Über die Festungsmauer schweift unser Blick über verfallende Hochhäuser der Unterstadt ins weite Siebenbürgen.

Die Kirchenburgen in Siebenbürgen

Wir bleiben den Sachsen noch ein wenig treu. Auf den Spuren ihres UNESCO Kulturerbes – den Kirchenburgen und Wehrkirchen von Kelling/Câlnic, Tartlau/Prejmer, Weißkirch/Viscri, Dersch/Dârjiu, Keisd/Saschiz, Birthälm/Biertan und Wurmloch/Valea Viilor, die gepflegt und restauriert dem Besuchersturm aus In- und Ausland standhalten, folgen wir ihnen durchs Land. Einfache, schmucke Dörfer schmiegen sich an sanfte Hügelketten.

Die stolzen Kirchtürme sind von Verteidigungsringen umgeben, in denen Vorräte gelagert wurden und Notunterkünfte für den Angriffsfall bereitstanden. Selbst aus den kleinsten Kirchen ertönte einst Orgelmusik.

Viele der alten Instrumente klingen heute wieder, weil sie liebevoll restauriert wurden. Andere fristen ein unbeachtetes Dasein in verlassenen Dörfern, ausgeschlachtet, vandalisiert, von Mardern zerfressen. Seit die Sachsen nach dem Fall des Kommunismus weitgehend nach Deutschland zurückkehrten, neigt sich auch ihre  Geschichte dem Ende zu.

Die bunten Klöster der Bukowina

Spätestens hier wird einem bewusst, dass es der spirituelle Teil des Lebens ist, der für das Fortleben des Andenkens an einen Kulturkreis sorgt. Steinerne Heiligtümer, Wehrkirchen und Klöster trotzen eher der Ewigkeit als die schlichten Holzhäuser der Daker und ihrer Nachfahren, deren Stil sich dennoch bis heute in den Bauernhäusern der Bukowina, der Maramuresch, von Ha]eg und Hunedoara reflektiert. Volkskunst lebt in Legenden, Bräuchen und Traditionen, solange es noch ein Volk gibt, das sie weiterträgt.

Die spirituell inspirierte Kunst der Bukowina aber leuchtet über die Zeit von Stefan dem Großen und Petru Rareş weit hinaus. Wir finden sie in den Kirchen und Klöstern mit bunten Außenfresken – Arbore, Humor, Moldoviţa, Pătrăuţi, Suceava, Voroneţ und seit diesem Jahr auch Suceviţa – die zusammen mit der unbemalten, doch nicht minder beeindruckenden Klosterkirche von Probota zu den UNESCO-Monumenten zählen.

Probota: Lichtstrahlen fallen in dicken Bündeln in die unterirdischen Gewölbe des zu den Ruinen des Fürstenhofes gehörenden Weinkellers von Vasile Lupu. Die Toaca ruft die Nonnen zum Gottesdienst in der prachtvollen Klosterkirche. Patrăuţi: Während sich gewaltige Gewitterwolken entladen und Blitze um das kleine Kirchlein zucken, lichtet Fotograf George Dumitriu im Inneren ein besonderes Kleinod ab: das Fresko der heiligen Reiter, die „Cavalcada“. Suceviţa: Bilderflut auf türkisgrünem Grund, und wer genau hinsieht, entdeckt vielleicht noch da oder dort ein kleines, goldenes Sternchen. Einst war die ganze Klosterfassade mit solchen Sternen übersät und glitzerte im Sonnenlicht...

Der Klosterkomplex von Horezu

Stolz erhebt sich der gewaltige Klosterkomplex in den Hügeln zwischen Râmnicu Vâlcea und Târgu Jiu. Am Eingang das berühmte Fresko der Apokalypse: Das feuerspeiende Höllentier rollt bedrohlich mit den Augen, bevor es die Seelen der armen Sünder verschlingt, die Teufel und Hilfsteufel auf Spießen hinunterstoßen. Von der Kuppel lächelt eine goldgesäumte Gottesmutter mit Jesuskind, umgeben von Cherubimen und Seraphimen mit flirrenden Flügeln.

Die bemalten Holzkirchen der Maramuresch

Holz ist vergänglich, doch das wissen die vielen alten Holzkirchen in der Maramuresch Gott sei Dank nicht. So trotzten sie Wind und Wetter, Feuchtigkeitseinbrüchen und Blitzschlägen, die bunten Bilder in ihrem Inneren wie derbe Eierschalen schützend. Zum Weltkulturerbe zählen acht Kirchen, die aus dem 15.- 18. Jahrhundert stammen: Bârsana, Budeşti-Josani, Deseşti, Ieud-Deal, Plopiş, Poienile Izei, Rogoz und Surdeşti. Ihr Geheimnis? Das Holz durfte nur in der Neumondnacht vor Weihnachten gefällt werden, wenn sich der Saft in die Wurzeln zurückzieht.

Rogoz: hier beeindruckt vor allem die Symbolik der pferdekopfförmigen Dachbalkenenden, die aus der Zeit der Kelten stammt. Plopiş und Surdeşti: einzigartig ist das „Lichtmännchen“, eine himmlische Gestalt an der Decke, mit einem strahlenumrahmten Sonnengesicht. Budeşti-Josani: geschnitzte Symbole am Eingangstor erinnern an Darstellungen der Chakren in hinduistischen Yogaschriften...

Das Donaudelta in der Dobrudscha

Das gewaltigste Feuchtbiotop Europas erstreckt sich über 5000 Quadratkilometer, beherbergt über 4000 Tier- und mehr als 1000 Pflanzenarten und stellt das größte Schilfrohrgebiet der Erde dar. Hier schließt sich der Kreis, denn das Fischerdorf Murighiol, unser Ausgangspunkt für eine Tour ins Delta, war einst ein stolzer Dakersitz. Das Donaudelta gehört heute zum Weltnaturerbe der UNESCO.