Das Vehikel mit dem Sympathiebonus

Der Trolleybus sollte auch in Kronstadt eine Zukunft haben

Die ersten Trolleybusse in Kronstadt am 1. Mai 1959 stellten eine kleine Sensation dar: „Lautlos rollten die schmucken Trolleybusse an der beifallspendenden Zuschauermenge vorbei. Die Stalinstädter sind nicht wenig stolz auf ihre neue Errungenschaft“ , so die „Volkszeitung“ vom 7. Mai 1959

Einer der noch heute in Kronstadt verkehrenden Trolleybusse
Foto: der Verfasser

„Lautlos rollten die schmucken Trolleybusse an der beifallspendenden Zuschauermenge vorbei. Die Stalinstädter sind nicht wenig stolz auf ihre neue Errungenschaft.“ So lautete am 7. Mai 1959 in der Kronstädter „Volkszeitung“ (die Vorläuferin der heutigen „Karpatenrundschau“) die Bilderklärung unter einem Schwarzweißfoto, das eine Kolonne von fünf Trolleybussen zeigt. Es war die Geburtsstunde des Trolleybusses in Kronstadt/Bra{ov – vor 58 Jahren, als die Stadt noch Stalinstadt hieß.
Heute geht es dem Trolleybus in derselben Stadt nicht gut. Ihm droht ein langsames und lautloses Ende. Wie konnte es dazu kommen und warum sollte man sich von ihm dennoch nicht trennen?

Der Oberleitungsomnibus in der Welt und in Rumänien

Im Duden ist dieses lange Wort (Kurzform Obus) als die in Deutschland und Österreich gebräuchliche Form für Trolleybus angegeben. Hierzulande verwendet man, wie in der Schweiz, die englische Variante. Im österreichischen Salzburg wird er auch „Stanglbus“ genannt, wegen seiner langen Stromabnehmerstangen, die entlang der Fahrleitung gleiten. Im Rumänischen bezeichnete man diese umgangssprachlich als „coarne“ („Hörner“). Interessant ist auch die Bezeichnung, die die Temeswarer für ihre Trolleybusse noch heute verwenden: „firobuz“ – abgeleitet von der italienischen Bezeichnung „filobus“ da die ersten Trolleybusse von „Fiat“ stammten.

Egal wie er heißt – der Oberleitungsbus ist, mit Ausnahme Afrikas, auf allen Kontinenten gut vertreten. Weltweit gibt es rund 40.000 Trolleybusse in 370 Städten aus 47 Ländern, die von 30 Herstellern stammen. Diese Daten nannte der holländische Experte für Finanzierungsfragen des Amsterdamer städtischen öffentlichen Verkehrs, Eric Trel, bei seinem Vortrag anlässlich einer Debatte, die der Kronstädter Verein „Visum“ im Juli im Kulturzentrum Redoute zum Thema „Die Zukunft des Trolleybusses in Kronstadt“ veranstaltet hatte. China ist die Nummer eins bezüglich dieses öffentlichen Verkehrsmittels, das aber auch in US-amerikanischen Städten, in West- oder Osteuropa anzutreffen ist. In Valparaiso, die einzige chilenische Stadt, die über ein Trolleybusnetz verfügt, wurde dieses Verkehrsmittel sogar zum „erhaltenswerten Kulturgut“ erklärt, damit niemand wagt, es aus dem Verkehr zu ziehen und aus der Welt zu schaffen.

In Rumänien war 1939 die heute zur Ukraine gehörende Stadt Czernowitz/Cernăuţi die erste Stadt mit einem Trolleybusnetz. In den Wirren des Zweiten Weltkriegs sollen, laut dem Kronstädter Architekten Gruia Hilohi, vor Übernahme der Stadt durch die Rote Armee einige Trolleybusse aus Czernowitz nach Kronstadt gebracht worden sein, um sie dort einzusetzen. Dazu ist es nicht mehr gekommen. Temeswar/Timişoara hatte bereits 1942 ein Trolleybusnetz eingeführt. 1949 folgte die Hauptstadt Bukarest und erst zehn Jahre später Kronstadt und Klausenburg/Cluj-Napoca. Die erste Kronstädter Trolley-Linie verband die Obere Vorstadt/Schei mit dem damaligen Hauptbahnhof. Etwas später wurde sie bis ins Triaj-Viertel verlängert. Ende 1959 gab es zwei Trolleybuslinien mit einer Gesamtlänge von 7,5 Kilometern (zweispurig) auf denen 18 Trolleys verkehrten. Gleichzeitig waren 65 Busse auf 13 Trassen im städtischen Personenverkehr im Einsatz. Die Blütezeit des Trolleybusses wurde in Kronstadt kurz vor der Wende von 1989 erreicht: Im Dezember 1988 gab es 210 Trolleybusse, die auf 17 Trassen (Gesamtlänge: 32, 1 Kilometer) verkehrten. Damit wurden sowohl der Busverkehr (102 Busse auf 14 Trassen) wie auch die neu eingeführte Straßenbahn (eine Linie Rulmentul – Astra-Viertel mit 16 Trambahnen) überflügelt. 64 Prozent des öffentlichen Verkehrs deckte damals der Trolleybusverkehr ab. Ein Grund dafür war auch die Benzin- und Dieselknappheit in der rumänischen Wirtschaft jener Jahre. Es folgte nachher aber ein Umdenken in der Stadtverwaltung in Sachen öffentlicher Verkehr. Neue Busse wurden angekauft, 2006 die Straßenbahn abgeschafft. Ende 2004 waren noch 135 Trolleybusse auf 13 Trassen im Einsatz, heute sind es nur noch 17 auf fünf Trassen in Länge von18,2 Kilometern, so dass nur noch neun Prozent des Kronstädter öffentlichen Personenverkehrs von diesen Verkehrsmitteln bedient werden, während die Dieselbusse klar dominieren: 165 Busse auf 29 Trassen (Quelle: visumbrasov.org).

Wenn dieser Trend so weitergeht, ist es klar, dass der Trolleybus in Kronstadt ausgedient hat. Um nicht rote Zahlen zu schreiben, müssten mindestens 110 Trolleybusse auf 14 Linien verkehren. Bei der Kronstädter Verkehrsregie (RATBv SA) will man aber keine neue Trolleybusse kaufen (im Einsatz sind mehrheitlich Gebrauchttrolleys aus der Schweiz), obwohl die EU solche Personentransportmittel durch günstige Kreditvergabe fördert. Kronstadt steht nicht allein in dieser Hinsicht. In Städten wie Jassy/Ia{i, Konstanza/Constan]a, Hermannstadt/Sibiu oder Br²ila hat man sich in den letzten Jahrzehnten vom Trolleybus bereits verabschiedet.
Vor- und Nachteile
Überholt, teuer und unzuverlässig sei der Trolleybus, ist oft zu hören. Teuer ist vor allem die Infrastruktur, von der dieses Verkehrsmittel abhängt, sowie deren gar nicht einfache Wartung, so dass die Betriebskosten steigen. Es geht um die Fahrleitung – ein kilometerlanges System von an Masten aufgehängten Drähten mit Luft- und Kreuzungsweichen. Vor allem an Kreuzungen und in historischen Stadtvierteln mit Altbauten, Plätzen und Parks stellen diese „Schienen am Himmel“ für viele ein unschönes Bild dar. Um es zu pflegen, benötigt man ein Sonderfahrzeug, den Turmwagen; an frostigen Wintermorgen ist eine Fahrleitungsenteisung notwendig, denn sonst knistert es gefährlich und die Funken sprühen. Über Unterwerke, auch Gleichrichterstationen genannt, wird die einzuspeisende Stromversorgung geliefert. In der Fachliteratur werden die Baukosten einer Neustrecke mit ungefähr 1 Million Euro pro Kilometer angegeben.

Ein neuer Obus ist ungefähr zweimal so teuer wie ein Dieselbus. Dafür weist er jedoch eine höhere Lebensdauer (15 - 20 Jahre) und Laufleistung (bis zu 1 Million Kilometer) auf als sein Dieselbus-Konkurrent. Nur ist die Trolleybus-Wartung etwas komplizierter und kann nicht so leicht wie beim Bus in externe Service-Werkstätten ausgegliedert werden.

Der dritte Nachteil, die „Unzuverlässigkeit“, gilt bei guter Wartung eher der anfälligen Infrastruktur. Sicher, früher gab es öfter Stangenentgleisungen – wenn also die Stromabnehmer-stange vom Draht abspringt. Dann steht der Trolley still – der Fahrer zieht sich dicke Lederhandschuhe über, steigt ab und hantiert an den Fangseilen am hinteren Ende des Trolleybusses, bis er alles wieder in Ordnung bringt. Das fordert ihm auch etwas Kraft und die notwendige Geschicklichkeit ab. Wenn der Strom ausfällt - heute sollte so etwas wirklich als Ausnahme gelten, geht nichts mehr und die Fahrgäste müssen sich in Geduld üben. Oder sie setzen ihren Weg, wenn es zu lange dauert, zu Fuß oder mit anderen Verkehrsmitteln fort.

Was für den Trolleybus in erster Linie spricht, ist sein umweltfreundlicher Charakter. Schadstoffe gibt es dank Stromversorgung keine, was bei keinem Verbrennungsmotor der Fall ist. Allerdings, um ganz „öko“ zu sein, müsste der Strom, den der Trolley nutzt, nicht aus einem Kohle- oder Gaskraftwerk stammen, sondern aus erneuerbaren Quellen. Und das Gerede um Elektrosmog müsste sich auch nur als böswilliges Gerücht erweisen. Der Trolleybus ist leiser als der Dieselbus, es gibt keinen Abgasgeruch im Innenraum, die Fahrweise ist ruck- und vibrationsarm, dank der stufenlosen Beschleunigung. Neue Gelenktrolleybusse können zudem mehr Fahrgäste als Busse aufnehmen. Trolleybusse sind auch recht schnell. Sie sind zwar spurgebunden, aber nicht, wie die Straßenbahn, spurgeführt, was ihnen einen gewissen Grad von Wendigkeit ermöglicht. Inzwischen gibt es auch Hilfsantriebe und Batteriespeisung, die dem Trolleybus zusätzliche Autonomie verleihen.

Elektromobilität im Stadtverkehr ist wieder angesagt. Vielleicht weniger in Kronstadt, wo man auf die Straßenbahn schnell verzichtet hat und eher an den Elektrobus als an den Trolleybus glaubt. Bis aber leistungsfähige und kostengünstige Elektrobusse den Trolleybus ersetzen oder ergänzen können, wird es noch dauern. Wichtig ist für den umweltfreundlichen Trolleybus auch die vor allem in Westeuropa geltende Einstellung gegenüber dem öffentlichen Nahverkehr. Das Auto ist in der Großstadt, vor allem, wenn man es allein benutzt, einfach nicht mehr so wichtig wie früher. Das behaupten Experten wie Eric Trel und Tudor Măcicăşan (Klausenburg). Es gilt auch nicht mehr als Statussymbol. Das Fahrrad oder städtische öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, spricht für ein konkretes Umweltbewusstsein und gilt längst nicht mehr als Armutszeugnis. Selbstverständlich muss dabei der Stadtverkehr sicher und zuverlässig sein. Und auch umweltfreundlich. Der Trolleybus genießt gerade wegen letztgenannter Eigenschaften bei vielen, nicht nur aus Nostalgie, einen nicht zu unterschätzenden Sympathiebonus.