Dem Leben Sinn geben

Wohl die meisten Menschen wünschen sich ein langes Leben. Wissenschaftler arbeiten daran, diesem sehnlichen Wunsch Erfüllung zu verleihen. Sie können bereits große Erfolge verzeichnen. War die mittlere Lebenserwartung im Mittelalter in Europa bei 40-45 Jahren, so ist sie in unserer Epoche auf das Doppelte gestiegen. Das Alter von 90 Jahren ist kein Methusalemsalter mehr. Wir erwarten, dass die Mediziner unsere Lebenserwartung weit über 100 Jahre steigern werden. Ist ein so langes Leben wünschens- und erstrebenswert? Es ist zu befürchten, dass dann die Zahl der Rentner größer sein wird als die der Werktätigen. Dazu gesellen sich noch andere, schwer lösbare Probleme. Die Zahl der Pflegebedürftigen und der Demenzkranken wird kräftig ansteigen. Wird das zu verkraften sein? Schon heute gibt es große Probleme.

Auch die Lebensansprüche steigen. Natürlich wird der „kleine Mann“, und zu dieser Kategorie gehören weit über 90 Prozent, nicht so reich wie Rockefeller, nicht so mächtig wie Napoleon, nicht so künstlerisch begabt wie Goethe, Beethoven oder Michelangelo sein. Und selbst wenn einzelne Menschen über das Mittelmaß hinausragen, ist das die ersehnte Erfüllung des Lebens? Der Sprachforscher und Kritiker Eduard Engel veröffentlichte 1928 ein Buch mit dem Titel „Was bleibt?“. Schonungslos geht er darin dem Ruhm einstiger und moderner literarischer Größen nach und zeigt, wie rasch dieser Ruhm zerstiebt, wenn nicht wahre, bleibende Werte dem Werk Langzeitdauer verleihen.

Worin sollen wir dann den Sinn eines langen Lebens suchen? Blicken wir auf Christus, wie er das Menschenleben bewertet. Er veranschaulicht es mit dem Gleichnis von einem reichen Mann, der auf Reisen geht und sein Besitztum seinen Dienern, je nach ihren Fähigkeiten, zum Wirtschaften anvertraut. Bei seiner Rückkehr müssen sie Rechenschaft ablegen. Die Tätigen werden belohnt, der Untätige davongejagt. Gott hat uns auf dieser Erde in seinen Dienst gestellt. Er hat uns mit Vernunft und freiem Willen ausgestattet. Diese Gaben sollen wir in seinem Sinne gebrauchen, danach unser Leben gestalten, und die Schöpfung, die sein Eigentum ist, gut verwalten. Das ist unsere Lebensaufgabe, über die wir Rechenschaft ablegen müssen. Worauf sollen wir Wert legen?

Ein polnischer Graf war mit der neuen Philosophie wohl vertraut. Er gab seinen christlichen Glauben nicht auf, pflegte ihn aber auch nicht. Polen war damals von den Russen besetzt. Von großer Vaterlandsliebe durchglüht, brachte er Jahre hindurch große persönliche und finanzielle Opfer für die Freiheit seines Vaterlandes. Im fortgeschrittenen Alter hatte er einen Traum. Auf einer großen Wiese sah er himmlische Gestalten, die sehr eifrig schrieben. Er befragte sie darüber. Einer erklärte: „Wir sind Engel Gottes und schreiben die guten Taten der Menschen auf.“ Der Graf wollte nun sehen, was über ihn geschrieben war. Der Engel reichte ihm ein fast leeres Blatt. Erschrocken rief er: „Ich habe doch so viele und schwere Opfer für mein Vaterland gebracht!“ Der Engel sagte: „Wir schreiben auf diese Blätter, die das Buch des Lebens bilden, nur, was die Menschen für Gott und aus Liebe zu ihm tun!“ Da erwachte der Graf. Dieser Traum wurde für ihn zur Richtschnur seines weiteren Lebens. Er entschloss sich, als überzeugter Christ zu leben und sich für das ewig bleibende Vaterland voll und ganz einzusetzen.

Darin sollen auch wir unsere Lebensaufgabe sehen. Dann geben wir unserem Leben den rechten Sinn. Nicht ein langes Leben sei unser innigster Wunsch, sondern es in den Dienst Gottes zu stellen. Sind wir treu, werden wir gute Rechenschaft ablegen. Die Bibel gibt uns die Anleitung dazu (Koh  12,13): „Fürchte Gott und achte seine Gebote! Das allein hat jeder Mensch nötig. Denn Gott wird jedes Tun vor sein Gericht bringen!“ Das unterstreicht auch der Dichter: „Ward dir Kraft, - von allen Kräften hast du Rechenschaft zu geben! Wirke recht, du wirst gerichtet, magst du hundert Jahre leben!“

Nur was das irdische Leben an Wert überdauert, hat Bestand. Das ist ein treues Leben im Dienste Gottes.