Den Dakern und ihrem Gold auf der Spur

Mehr Rätsel als Antworten nach einer Veranstaltung im Nationalen Geschichtsmuseum

Die kunstvoll geschmiedeten Armreife ohne Gebrauchsspuren geben Rätsel zu ihrer Verwendung auf.

Vor einem vollen Saal präsentiert Museumsdirektor Oberländer-Târnoveanu erlesene Exponate aus der Dakerzeit.
Fotos: George Dumitriu

Zur ersten öffentlichen Aufführung des Dokumentarfilms „Decoding Dacia“ in Bukarest fand am 24. Oktober eine Konferenz im Nationalen Geschichtsmuseum statt, begleitet von einer temporären Ausstellung erlesener Artefakte aus der Dakerzeit, mit einem Vortrag von Museumsdirektor Ernest Oberländer-Târnoveanu zu den aus Sarmizegetusa Regia in den letzten 17 Jahren gestohlenen Goldschätzen.

Als Ehrengäste erschienen Dan Dimăncescu, rumänischer Honorarkonsul in Boston, (Massachusetts, USA) und Herausgeber des Films in Kooperation mit Christian Lascu, Chefredakteur von National Geographic Rumänien.
Dim²ncescu hatte den von seinem Sohn Nicholas begonnenen Dokumentarfilm nach dessen tragischem Todessturz bei den Dreharbeiten über der Höhle Cioclovina selbst fortgesetzt. Premiere hatte der Streifen bereits im August in Florenz, anschließend wurde er beim Filmfestival in Hermannstadt/Sibiu vorgeführt. Am 1. Dezember soll  er erstmals bei TVR im Fernsehen gezeigt werden.

Dokumentarfilm zur Eroberung von Dakien

Auf der Suche nach historischen Wahrheiten zu einem geheimnisvollen Volk, das seit mindestens 700 vor Christus – wahrscheinlich jedoch viel länger – existiert, beeindruckt der Film in erster Linie durch 3D-Simulationen der Dakerfestungen Sarmizegetusa und Blidaru, der römischen Brücke über die Donau und des neuen Forum Romanum mit der Trajanssäule im Zentrum. Die Dokumentation handelt von der Periode der römischen Invasionen 101-106 n. Christus.

Dakien grenzte damals direkt an das römische Imperium und verfügte über eine beeindruckende Armee von 40.000-50.000 Soldaten. Ein bedeutungsvoller und gefährlicher Nachbar. Nach einem ersten römischen Feldzug, einem Friedensabkommen und dessen wiederholte Verletzungen seitens Decebals brach Kaiser Trajan 105 n. Chr. die bis dahin eiserne römische Regel, niemals Kolonien jenseits der Donau zu etablieren.

Er warb 50.000 Legionäre an und ließ für den Einmarsch in Dakien eine vom Architekten Apolodor von Damaskus entworfene Brücke auf gemauerten Pfeilern über die Donau errichten (Trajansbrücke, Dobreta-Turnu Severin).
Nach der diesmal erfolgreichen Besetzung kehrte Trajan mit 250 Tonnen Gold, 500 Tonnen Silber (Experten streiten sich allerdings über die genauen Zahlen) und einer bedeutenden Menge Salz nach Rom zurück – Schätze, die das klaffende Loch in der römischen Staatskasse stopften. Mit dem Gold der Daker erbaute der Kaiser ein neues Forum Romanum – die Trajanssäule in dessen Mitte als stolzes Symbol des Sieges über einen mächtigen Feind. Sie stellt heute eines der wichtigsten historischen Dokumente zu den Dakern dar. Die dakischen Schätze beeinflussten aber auch den Lauf der Geschichte entscheidend: Nur durch sie war die Finanzierung der römischen Eroberungszüge in den Mittleren Osten erst möglich!

Die zweite Hälfte des Films widmet sich der Suche nach den Spuren der Daker im heutigen Rumänien. In den Bergen bei Broos/Orăştie entdeckte Dimăncescu bei Sarmizegetusa erstaunt Schmiedearbeiten mit exakt denselben Formen von Hämmern und Äxten wie vor 2000 Jahren. In noch heute dort kursierenden Volkslegenden von Riesen glaubt er, die Daker zu erkennen...

Weiter wagt sich der Film nicht in historisch unsicheres Terrain vor, obwohl Dimăncescu später bemerkt, in rumänischen Bräuchen und Traditionen vorchristliche Elemente entdeckt zu haben, in denen er ebenfalls dakischen Ursprung vermutet. Dem scharfen Auge fällt bei der Betrachtung römischer Darstellungen von Dakerfiguren außerdem auf: schon die Daker trugen Opinci, also Bundschuhe.

Doch Alltagsleben, Kunst oder Spiritualität der Daker bleiben im Film völlig außen vor: Kein Wort zu den goldenen Spiralarmbändern, dem Kalenderheiligtum von Sarmizegetusa oder dem Zamolxeskult, der, wie Dimăncescu später im Gespräch bekennt, in Bulgarien durch die Thraker relativ gut dokumentiert sei. Übermäßig in Szene gesetzt erscheinen die wiederholten Einblendungen des Zeichners Radu Oltean beim Skizzieren römisch-dakischer Schlachten. Resümee: ein aufwendig gestalteter, sehenswerter Film – dennoch kann von „Decoding Dacia“ keine Rede sein. Beleuchtet wird nur ein kleiner Abschnitt aus der Historie dieses geheimnisvollen Volkes.

Gestohlenes Dakergold in alle Welt verstreut

Wie schwierig es ist, die Dakergeschichte zu entschlüsseln, zeigte auch der anschließende Vortrag von Ernest Oberländer-Târnoveanu – eine wahrhaftige Kriminalgeschichte, spannender als jeder Roman. Sie handelt von den in den letzten 17 Jahren systematisch aus Sarmizegetusa Regia entwendeten, riesigen Dakerschätzen durch kriminelle Banden mit internationalen Verbindungen.

Anfangs kursierten hierzu nur Gerüchte, doch als 1996 ein Münzschatz von 400 Koson an rumänische Museen zum Verkauf angeboten wurde – mehr als damals in Museen in aller Welt überhaupt existierte – konkretisierten sich die Vermutungen nach und nach. 2001 eröffnete die rumänische Polizei das erste Ermittlungsverfahren. Doch die Diebstähle gingen weiter.

Nicht selten waren auch jene beteiligt, die eigentlich mit dem Schutz der Kulturgüter betraut waren. 2004: Der Sender OTV präsentierte dakische Artefakte, gefilmt im Haus eines Mitglieds der organisierten Kriminalität in Deva. 2005: Eine deutsche Expertin wies auf spiralförmige Goldarmreife hin, die auf dem dortigen Antiquitätenmarkt angeboten wurden. 2006: In Frankreich war ein ebensolcher Armreif aufgetaucht. 2007: Das erste Verfahren auf Basis der internationalen Rechtskonvention UNIDROIT resultierte in der Rückerstattung von 13 Armreifen von insgesamt 24 Stück, die aus fünf gestohlen Schätzen aus dem Umfeld des Sanktuariums von Sarmizegetusa stammen.

Dort klaffen noch heute unzählige Grabelöcher in den Wäldern, einige so groß wie ein Lkw. Auf einem Baumstamm neben einem Loch eine in die Rinde eingeritzt Freudensbotschaft: EVRIKA (Heureka)! Der Fund hatte sich wohl gelohnt.

100 Kilogramm Goldmünzen und 300 Kilogramm Silbermünzen sollen schätzungsweise gestohlen worden sein, so die bittere Erkenntnis des Numismatik-Experten Oberländer-Târnoveanu. Bei der Vermittlung an Antiquitätensammler im europäischen Ausland, in den USA oder an türkische Goldhändler spielten lokale Gangs, serbische und österreichische Schmugglerbanden eine Rolle. Nur ein Bruchteil der gestohlenen Schätze konnte bisher überhaupt lokalisiert werden. Zu den letzteren laufen Verfahren zur Rückführung.

Analysen der dakischen Armreife über den Anteil von Tellur- und Antimonspuren zeigten eindeutig, dass das Gold aus dem Siebenbürgischen Erzgebirge stammt: aus Brad und Arieş, 80 bzw. 150 Kilometer von Sarmizegetusa Regia entfernt. Trotzdem zahlte Rumänien Unsummen für deren Rückführung – zur Entschädigung der Käufer, die angeblich im guten Glauben gehandelt haben sollen. Zumindest ist das Gegenteil nicht nachweisbar. Schwer vorstellbar, dass leidenschaftliche Antiquitätensammler keine Ahnung haben von illegalem Kunsthandel, Schmugglerbanden und geschütztem Kulturerbe. Schwer nachvollziehbar aber auch, warum in solchen Fällen nicht wie bei anderen Delikten gilt: Unkenntnis schützt nicht vor Strafe.  

Jedes der bisher sichergestellten Armbänder weist ein Gewicht zwischen etwa 700 und 1200 Gramm auf. Zum Verwendungszweck ist wenig bekannt. Wegen dem Fehlen von Gebrauchsspuren vermuten Experten eine Rolle als Kultopfer. Dem scheint jedoch zu widersprechen, dass die Schmuckstücke in sehr unterschiedlichen Größen vorkommen, für kräftige Männerarme bis zu zarten Frauengliedern. Rätselhaft auch der Schatz, in denen die Armbänder symmetrisch angeordnet und von Lehmschichten säuberlich getrennt vorgefunden wurden – er gab Anlass zu vielen Spekulationen in esoterischen Kreisen im Internet.

Seltene Artefakte aus dem Dakerreich

In der extra für die Veranstaltung aufgebauten Ausstellung konnte man einige der Exemplare bestaunen: massive, goldene Spiralen mit jeweils zwei filigran dekorierten Schlangenköpfen, hinter diesen eine Sequenz aus blattähnlichen, flachen Dekorelementen. Weitere Glanzstücke waren die 2011 rückerstatteten, kunstvoll geschmiedeten Dekorplatten zweier Eisenschilde, einzigartig in der Welt aus dieser Periode.

Beeindruckend auch das überaus filigrane Kettenhemd aus dem Schatz von Popeşti (Giurgiu), die gefürchteten, an der Spitze gekrümmten Säbel, mit denen der Kämpfer beidhändig zuschlug, Hämmer und Beile aus Eisen, den heutigen tatsächlich zum Verwechseln ähnlich, sowie Silberschmuck aus dem Schatz von Schaas/Şaeş im Kreis Mureş, mit hohlen Doppelkegelstumpf-Dekorelementen – Formen, die wir schon aus dem Neolithikum kennen (siehe Schatzkammer des Museums).

Zu sehen waren auch römische Helme, die wegen der schädelspaltenden Dakerwaffen mit gekreuzten Eisenleisten am Scheitel verstärkt werden mussten. Ausgewählte Stücke, die selbst viele Experten bisher kaum zu Gesicht bekommen haben, betonte Oberländer-Târnoveanu. Und spärliche Zeugen einer rätselhaften Vergangenheit, die noch viel Raum für neue Entdeckungen, Theorien und Spekulationen offen lassen...