DER BZ-KOMMENTAR: Ich-Nesseln und Diebstahlethik

Bei Cicero ist nachzulesen, dass derjenige, der als Redner, allzuoft, sein Ich hervorhebt, ein Persönlichkeitsproblem hat, eventuell überstolz sei, andere herabsetze und seine Unsicherheit verrät. Als Regierungschef Grindeanu vergangenen Samstag seine Presseerklärung über die Rücknahme des Eilbeschlusses bekanntgab, mit dem das Strafgesetzbuch zugunsten von Dieben und politischen Falschspielern umgestülpt werden sollte – schlecht und recht ist das Sonntag umgesetzt worden – setzte er sich im Sekundentakt in die Ich-Nesseln. Auch die Gestik sprach Bände: unsicher, unbeherrscht, fahrig, hilflos.

Kein Wunder: Er musste ohne Vormund Liviu Dragnea auftreten, der sich „vornehm“ (soweit ein namenloser Polizistensohn aus dem gottverlassenen Izlaz an der Donau das sein kann) zurückhält und jeden vorschiebt, auf den er, wenn´s brenzlig wird, die Schuld schieben kann. Drahtzieher Dragnea bereitet seine Post-Grindeanu-Ära vor.

Die von Grindeanu Samstag angekündigte Verantwortungsübernahme durch Justizminister Iordache blieb Sonntag aus. Abgedankt ist der nicht. Genau so, wie die 115.000 Euro, die Iordache als PSD-Abgeordneter und Anwalt vom inzwischen im Gefängnis sitzenden Ex-Präsident der Industrie- und Handelskammer Rumäniens, Mihai Vlasov, kassiert hatte, nie Thema für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss waren. Iordache und weitere PSD- und PNL-Abgeordnete hatten 2013 als Geldempfänger Vlasovs ein von diesem bestelltes Gesetz durchgebracht und sich dafür extra bezahlen lassen.

Das nur zur Erinnerung, wer dieser Justizminister Rumäniens ist.

Dragneas Aussage, auch er wolle Antikorruption, „aber nicht so“, erinnert an eine Aussage des inhaftierten Ex-PSD-Mitglieds Adrian Severin, demzufolge in einem Land, wo alle stehlen, die Gesetze so geändert werden müssen, dass dieser Tatsache Rechnung getragen wird, man könne ja nicht alle ins Gefängnis stecken... Was die PSD vergangene Woche in der Schattenregie von Dragnea und mit Grindeanu als Hauptakteur versucht hat, war genau das: Sie hat die Gesetzesschwelle zur Straffälligkeit so anheben wollen, dass man bis zu 200.000 Lei sich ruhig sattstehlen konnte (beim durchschnittlichen Netto-Jahreseinkommen von 20.000-30.000 Lei doch allerhand, wenn man „zusätzlich“ zehn Jahreslöhne unbestraft stehlen „darf“!).

Rumänien liegt auf Global-Rang 66 der Unabhängigkeit der Justiz, doch auf Rang 111 der Favorisierung durch Regierungsentscheidungen und auf Rang 112 (von 140) beim Vertrauen in die Politiker, steht auf der Seite România Curată. Deshalb leuchtet ein, dass Änderungen erst mal die Regierungspraxis aller Ebenen korruptionsfrei machen müssten.

Die Wutwelle, die die Straße ausstrahlt, hat die Regierenden in Angst versetzt. Noch werden Neuwahlen ausgeschlossen. Wie lange noch?