Der Fluss, der uns verbindet

Donauraumstrategie: Rumänien als Koordinator für Kultur, Tourismus und Kontakte zwischen den Menschen

Die Donau – Wirtschaftsfaktor, Tourismusziel und Plattform für länderübergreifende Kulturveranstaltungen

Die Vielfalt der Minderheiten und ihr touristisches Potenzial ist eines der Themen für das „Blaue Buch“ zur kulturellen Identität der Donau: hier eine Lipowanerin im Donaudelta.

Konferenz „Kulturelle Identität in der Donauregion“ in Temeswar: v. li. Teofil Ghercă (Direktor im Entwicklungsministerium), Staatssekretärin Enikö Lacziko (DRI) und Unterstaatssekretärin Christiane Cosmatu (DRI)
Fotos: George Dumitriu

Im Schwarzwald wird sie sprudelnd geboren, im Delta versinkt sie träumerisch in den Untiefen des Schwarzen Meeres. Wie Seelenvögel steigen ihre verdunstenden Wassertropfen aus dem Schilfdickicht des sich verästelnden Flussbetts auf, einer neuen Regengeburt entgegen. Ein ewiger Kreislauf. Die Donau verband schon Menschen und Kulturen, noch bevor wir den Kontinent in Stücke zerteilten – und in Kriegen wieder umverteilten. Als Schöpfergöttin oder Zerstörerin drängte sie sich stets in den Mittelpunkt, bestimmt Landwirtschaft, Handel, Transportwesen, Energiewirtschaft oder Tourismus und setzt sich über auferlegte Ländergrenzen hinweg.

Die Donau provoziert zum Umdenken: Vom nationalen Scheuklappendenken zum Weitblick über den Tellerrand. Vom egoistischen Ausbeuten des Flusses zur gemeinsamen Wertschöpfungsstrategie. Denn was oben geschieht, kommt auch unten an: sauberes oder vergiftetes Wasser, gesunde, kranke oder gar keine Fische mehr. Es gibt viele Belange, die unabhängig von kulturellen, administrativen und sprachlichen Grenzen für uns alle von Bedeutung sind. Und Synergieeffekte, die nur gemeinsam zu erzielen sind. Auf dieser Erkenntnis basiert die Donauraumstrategie.

Historisches Vorbild in Rumänien

Die ursprüngliche Initiative zu einer länderübergreifenden Donauraumstrategie ging von der Europäischen Kommission aus: Im Oktober 2008 forderte die damalige Kommissarin für Regionalpolitik, Danuta Hübner, eine gemeinsame Strategie für Ökologie, Verkehr und sozioökonomische Aspekte. 2009 kam der Wunsch nach einer Erweiterung auf die Bereiche Verkehrsinfrastruktur, Hochwasserschutz, Tourismus und Kulturarbeit hinzu. 2010 beschloss das Europäische Parlament schließlich die Donauraumstrategie unter Verweis auf die langjährige Tradition der Zusammenarbeit im Donauraum, die 1856 durch den Friedensvertrag in Paris mit der Gründung der Europäischen Donaukommission in Gala]i begonnen hatte. Der Vertrag sollte damals eine freie Schifffahrt gewährleisten. Dank der Präsenz der Donaukommission und der Freihandelszone im Hafen von Sulina erfuhr das Städtchen in der Dobrudscha zwischen 1870 und 1931 einen spektakulären wirtschaftlichen Aufschwung und avancierte zum Haupthafen für Getreideexport. Konsulate und Reedereien ließen sich dort nieder und zogen die Entstehung einer multikulturellen Gesellschaft, geprägt von Toleranz, nach sich. Erst die große Wirtschaftskrise 1929-1933 leitete den Niedergang Sulinas ein. Nach Auflösung der Europäischen Donaukommission 1938 auf Druck des rumänischen Staates zog sich schließlich auch die internationale Community zurück. Das kosmopolitische Leben kam zum Erliegen.

Ziele, Prioritätsgebiete und Finanzierung

Durch ein Verständnis vom Donauraum als Makroregion sollen in der Donauraumstrategie regionale Unterschiede der Wirtschaftsleistung überwunden, der Donauraum insgesamt gestärkt, eine Verkehrsanbindung im gesamten Raum gesichert und Umweltschutzaspekte gemeinsam in Angriff genommen werden. Dem Vorschlag der EU-Kommission wurde im April 2011 von den 14 EU-Mitgliedstaaten zugestimmt, die fortan mit der Umsetzung der Strategie begannen: Beteiligt sind Bulgarien, Deutschland, Kroatien, Österreich, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn, sowie die Nicht-EU Staaten Bosnien-Herzegowina, Republik Moldau, Montenegro, Serbien und die Ukraine.

Mittlerweile gibt es 11 Prioritätsgebiete (PA) in der Donauraumstrategie, die von jeweils zwei Ländern für den gesamten Donauraum koordiniert werden:

PA 1A: Mobilität Wasserwege (Österreich und Rumänien)
PA 1B: Mobilität Bahn- und Luftwege (Serbien und Slowenien)
PA 2: Energie (Ungarn und Tschechien)
PA 3: Kultur, Tourismus und Kontakte zwischen den Menschen (Rumänien und Bulgarien)
PA 4: Wasserqualität (Ungarn und der Slowakei)
PA 5: Umweltrisiken (Ungarn und Rumänien)
PA 6: Biodiversität, Landschaft, Luft- und Erdqualität (Bayern/Deutschland und Kroatien)
PA 7: Wissensgesellschaft (Serbien und Slowakei)
PA 8: Wettbewerbsfähigkeit (Baden-Württemberg/Deutschland und Kroatien)
PA 9: Investitionen in Menschen und Fähigkeiten (Österreich und Republik Moldau)
PA 10: Institutionelle Fähigkeiten und Kooperation Wien (Österreich und Slowenien)
PA 11: Sicherheit und Kampf gegen organisierte Kriminalität (Deutschland und Bulgarien).

Ein Ausschuss mit Mitgliedern aus allen 14 Ländern arbeitet eng mit den Koordinationsteams der für die Prioritätsgebiete zuständigen Länder zusammen. Meetings finden zweimal im Jahr abwechselnd in einem der beiden Länder statt. Die Kommunikation zwischen den Mitgliedern läuft ansonsten per E-Mail und über die Webseite www.danubecultureandtourism.eu.

Rumänien ist im Ausschuss durch Teofil Ghercă, Direktor im Ministerium für Entwicklung und öffentliche Verwaltung (MDRAP), vertreten. Während des ersten Ausschusstrefffens im Jahr 2011 hatten die Vertreter der 14 Länder die Hauptziele für die erste Umsetzungsphase der Donauraumstrategie identifiziert. Dabei seien, wie Ghercă explizit betont, keine Bereitstellung neuer EU-Fonds und keine neuen legislativen Maßnahmen oder die Gründung neuer Institutionen vorgesehen. Die Herausforderung besteht also darin, existierende Finanzinstrumente zur gemeinsamen, grenzübergreifenden Nutzung einzusetzen.

Zur Erschließung von Finanzmitteln hat die PA 10-Gruppe den „START Danube Region Project Fund“ ins Leben gerufen. Er dient zur Vorfinanzierung der besten transnationalen Projektideen. Die operative Umsetzung erfolgt durch die EuroVienna EU-consulting &-management GmbH der Stadt Wien. START soll Organisationen und Institutionen in der Donauregion helfen, Projektideen zu entwickeln und umzusetzen. Insgesamt wurden hierfür 900.000 Euro zugewiesen – 95 Prozent von der Europäischen Kommission, der Rest von der Stadt Wien. Die START-Initiative läuft noch bis Ende 2016. Wichtigstes Kriterium für die Finanzierung eines Projekts ist dessen Nachhaltigkeit.  

Kultur, Tourismus und Kontakte zwischen den Menschen

Das Prioritätsgebiet „Kultur, Tourismus und Kontakte zwischen den Menschen“ (PA 3) wird von Rumänien (Ministerium für Entwicklung und öffentliche Verwaltung) und Bulgarien (Ministerium für Wirtschaft und Energie) gemeinsam koordiniert.

Als Ziele wurden hierzu festgelegt:

1. Förderung von Austausch und Vernetzung im Bereich zeitgenössischer Kunst im Donauraum.
2. Entwicklung eines Brands für die gesamte Donauregion auf der Basis existierender Aktivitäten.
3. Umsetzung eines harmonisierten Monitoringsystems für Tourismus, um vollständige und vergleichbare statistische Daten in allen 14 Mitgliedsstaaten zu erhalten. Schaffung eines einheitlichen Datenerhebungs- und Verwaltungssystems mit entsprechenden Kapazitäten.
4. Entwicklung neuer kultureller Routen und Unterstützung bereits existenter. Hierzu gehört auch die Erarbeitung transnationaler touristischer Pakete: kombinierte Bahn-Fahrrad-Bootsreisen und Verkehrsanbindungen zwischen Bahn-, Bus-, Schiffsverkehr und Fahrradverleih-Stationen.
5. Entwicklung „grüner“ Tourismusprodukte entlang der gesamten Donau und Qualitätsverbesserung bereits existenter Angebote.
6. Erstellung eines „Blauen Buches“ für die kulturelle Identität an der Donau zur Förderung der Kontakte zwischen den Menschen.
7. Sicherung einer nachhaltigen Erhaltung des Kultur- und Naturerbes durch die Bildung von Clustern und Netzwerken zwischen Museen und Besucherzentren in der gesamten Region.

Zum Thema „Kulturelle Identität in der Donauregion“ fand vom 4. bis 7. Dezember 2014 eine vom Ministerium für Entwicklung und öffentliche Verwaltung (MDRAP) in Kooperation mit dem Departement für Interethnische Beziehungen der rumänischen Regierung (DRI) organisierte Konferenz in Temeswar statt. Die Arbeitsgruppen wurden moderiert von Teofil Ghercă (Direktor im Entwicklungsministerium), Staatssekretärin Enikö Katalin Lacziko (DRI), Ausschussmitglied Valentin Panait (Außenministerium) und Liviu Mure{an (CoDCR: Rat der Donaustädte und -regionen). Anlässlich der Tagung wurden bisherige Projekte vorgestellt und weitere Vorgehensweisen diskutiert. Der österreichische Botschafter, S.E. Mag. Gerhard Reiweger, unterstrich mit seiner Anwesenheit die Bedeutung der Thematik und verwies in Bezug auf die Finanzierung von Ideen zum Tourismus auf die Möglichkeit einer Kooperation mit österreichischen Partnern hin. Die österreichische Botschaft in Bukarest verfügt über eine große Vertretung der Außenhandelskammer mit einem weitreichenden Kontaktnetz, an die man sich gerne wenden könne.

Bisherige Projekte vorgestellt

Präsentiert wurde eine Feldstudie zum touristischen Potenzial Bulgariens und Rumäniens nach thematisch zusammenhängenden Regionen – Wassermelonengebiete, landschaftliche Formationen (z. B. Eisernes Tor) oder Naturparks. Für diese wurden die Parameter Touristenflux und dessen Saisonabhängigkeit sowie kulturelle und natürliche Ressourcen nach den drei Schlüsselsektoren Natur-, Kultur- und Küstentourismus analysiert. Die Ergebnisse waren im Juni 2014 auf einer Konferenz in Konstanza/Constanţa vorgestellt worden.
Thematisiert wurde nun die Notwendigkeit, die vorerst theoretischen Ergebnisse mit einer Marketingstrategie zu verknüpfen. Forschungen der präsentierten Art müssten auch dem privaten Sektor zur Verfügung gestellt werden. Wichtig seien zudem Werbung, Journalistenreisen und Messeteilnahmen. Österreich hat z. B. durch die Bewerbung von Wander- und Fahrradregionen diese in ihrer Entwicklung extrem gefördert.

In Bezug auf Rumänien wurde kritisiert, dass auf Tourismusmessen, an denen man mit über 40 Reiseagenturen vertreten war, kein einziges Angebot zum Donauraum existierte. Um Synergieeffekte zu erzielen, könne man an existierende Strukturen anknüpfen: In Serbien gibt es z. B. über 1000 Fahrradwege, die jährlich ca. 15.000 Touristen anziehen und damit eine Basis für eine Fortsetzung der Routen in Nachbarländern oder den Ausbau der lokalen touristischen Infrastruktur darstellen können. Rumänische Experten aus dem Bereich Museum und Kulturerbe warfen ein, vor der Bewerbung rumänischer Touristenziele sei eine Restaurierung zahlreicher potenziell interessanter Objektive nötig, wofür es derzeit weder Pläne noch Finanzmittel gäbe.

Ein „Blaues Buch“ für die kulturelle Identität der Donau

Im Hinblick auf die Erstellung eines „Blauen Buches“ für die kulturelle Identität an der Donau hatte sich das DRI die Aufgabe gestellt, eine Dokumentation zu allen Minderheiten und ethnischen Gemeinschaften in Rumänien vorzunehmen, einschließlich deren Kulturerbe und touristisches Potenzial. Hierzu hatte im Juni 2014 eine Journalistenreise in die nördliche Dobrudscha stattgefunden, zur Bestandsaufnahme und mit dem Ziel der Sensibilisierung der Öffentlichkeit.

Die Resultate wurden auf der Konferenz vorgestellt: Filme von Peter Kerestes (TVR Timişoara), Anca Filoteanu (Art Film Production) und Endre Hermann (Erdely TV), vier Tourismus-Artikel von Nina May (1, 2, 3, 4) und zwei Slideshows von George Dumitriu zum Thema Minderheiten in der Dobrudscha und „Fischsuppenfestival 2013 im Donaudelta“.

Auf der Basis der ADZ-Artikel und der Fotodokumentation von George Dumitriu wurden außerdem vom DRI eine 16-seitige Broschüre zum Thema „Auf den Spuren der Minderheiten in der Dobrudscha – Menschen und ihr Kulturerbe als touristisches Potenzial“ in deutscher Sprache und ein Tischkalender für 2015 herausgegeben.
Ideen zur Erstellung des „Blauen Buches“ wurden anschließend im Rahmen eines Brainstormings gesammelt. Dabei wurde der Vorschlag unterbreitet, parallel zur Erstellung einer gedruckten Version auch eine elektronische Variante anzudenken, die nicht nur einen breiteren Zugang erlaubt, sondern auch eine Einbindung der filmischen und fotografischen Dokumentation. Das Druckwerk hingegen könne als thematische Serie unter einem verbindenden Markennamen angedacht werden. Ein solcher Ansatz würde eine Kommerzialisierung – z.B. als Tourismusliteratur – ermöglichen und erfüllt gleichzeitig die Bedingung der Nachhaltigkeit durch ständige Aktualisierungen und Vertiefungen.