Der geplatzte Traum

Fachtagung zum Thema Revolution 1989 in Temeswar

Sie ist das Gesicht der Gegenbewegung: Ana Blandiana hat zusammen mit ihrem Gatten Romulus Rusan die Gedenkstätte für die Opfer des Kommunismus in Sighet/Marmaroschsiget gegründet. Neben ihr der Leiter der Revolutionsgedenkstätte Traian Orban (links).
Foto: Zoltán Pázmány

Das traurige an der internationalen Konferenz zum Thema „25 Jahre seit der Rumänischen Revolution“ war die spärliche Anzahl an Besuchern. Bekannte Persönlichkeiten, die sich seit den 1990er Jahren für die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit einsetzen, sprachen vor einer Handvoll Menschen, über die ungelösten Probleme des Landes. Ana Blandiana erinnerte an den ersten Jahrestag seit der Revolution, als im ganzen Land erneut protestiert wurde, weil die Menschen in Ion Iliescu einen Nachfolger Ceausescus sahen. Traian Orban, der Leiter der Revolutionsgedenkstätte, findet, dass die Aufarbeitung der Verbrechen der sozialistischen Regime in ganz Europa schleppend verläuft. Das Parlament hätte zwar den Kommunismus öffentlich verurteilt, konkrete Maßnahmen, um die Schuldigen vor Gericht zu bringen, wurden aber nicht getroffen.

Teodor Stanca schmerzt es, dass die Werte der Revolution durch das Gesetz 341 verkauft wurden. Durch das Gesetz erhielten Revolutionäre eine finanzielle Entschädigung. Über Nacht vervierfachte sich die Zahl der Opfer der Revolution und unter diesen hätten sich sogar ehemalige Mitläufer des Regimes befunden.

Für Stanca steht fest: Rumänien hat zwar einen Tyrannen gestürzt, ist aber der Tyrannei nicht entkommen. Der ehemalige Abgeordnete wurde als junger Mann wegen Mittäterschaft am Studentenaufstand 1956 in Temeswar zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt. Er saß als politischer Gefangener sechs Jahre in Haft. Er hätte während der Revolution geweint, weil er glaubte, dass sich sein Traum eines freien Rumäniens endlich erfüllen würde. Stanca vertritt heute die ehemaligen politischen Gefangenen und ist darüber entsetzt, wie wenig eigentlich ihr Opfer gebracht hat. Es erzürnt Stanca, wenn Ion Iliescu im Fernsehen behauptet, er habe die Revolution gemacht.

Genauso enttäuscht war auch Ana Blandiana und ihr Ehemann Romulus Rusan, als sie 1990 den Aufstieg ehemaliger Spitzen aus der Ceausescu-Ära miterlebten. Über die Jahre hat sie immer wieder die Geschichte erzählt, wie sie und ihr Mann in den Tagen, als sich in Temeswar die Revolution ereignete, sie Arzneimittel und Verbandssachen in Bukarester Apotheken aufstöberten. Eine Apothekerin hätte ihnen kostenlos alles zur Verfügung gestellt, als sie begriff, dass sie die Medikamente nach Temeswar schicken wollten.

 

Unterstützer des Kommunismus bleiben

Alle hätten damals von einem freien Rumänien geträumt und dieser Traum sei geplatzt. Darum hat sich Ana Blandiana auch dafür entschieden, der internationalen Fachkonferenz einen eher poetischen Titel zu geben: „Wovon wir damals träumten? Wie sind wir aufgewacht?

Der Philosoph Eduard Kanterian betrachtet die Entwicklung nüchterner. Der Dozent an der University of Kent at Canterbury macht sich Sorgen darüber, dass es im Westen in akademischen Kreisen prominente Fürsprecher des Kommunismus gibt. Ein angesehener Kollege von ihm, ein bekennender Marxist, glaubt, dass kommunistische Gesellschaften uns noch bevorstehen. In der Theorie kann es gar nicht so schlimm sein, auch wenn in der Praxis die Einführung des Kommunismus 100 Millionen Opfer gefordert hat. Das Argument der Fürsprecher: Bloß weil ein Haus trotz genauer Anleitung schlecht gebaut wurde, muss man nicht den Architekten dafür verantwortlich machen.

Kanterian hatte selber einen Onkel, der in den 1960er Jahren spurlos verschwand. Die Familie vermutet, dass er bei einem Versuch über die Grenze zu flüchten, von der Armee niedergeschossen wurde. Beweise dafür gibt es keine die Verantwortlichen haben damals alles vertuscht. Für seine Arbeit hat er sich mit konkreten Beispielen befasst, die das absurde Vorgehen der Kommunisten gegen potenzielle Regimefeinde zeigt. Er nannte das Beispiel eines Lokomotivführers, der von seinem Bediensteten aufgrund einer Uhrensammlung denunziert wurde. Der Mann starb in Baragan.

Kanterian erwähnte auch den Fall Eugen Turcanu, ein Insasse der zum Folterer wurde. Turcanu schrieb ein Buch, indem er seine eigens entwickelten Foltermethoden festhält.

Traian Orban sprach zwischenzeitlich sogar von einem zweiten Kalten Krieg und findet, dass in ganz Europa nicht genug gegen die Aufarbeitung gemacht wird. Es hätte Prozesse geben müssen, so wie die Nürnberger Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg. Kanterian, als Vertreter der EU, versicherte Orban, dass viele Länder sich darum bemühen, mit der kommunistischen Vergangenheit abzurechnen. Prozesse wie nach dem Zweiten Weltkrieg hätte es in Rumänien nicht geben können, weil das Land nicht nach einem Krieg von einer Siegermacht okkupiert wurde. Die Veränderung konnte nur von Innen heraus stattfinden. Für Tudor Stanca war das rumänische Volk nicht vorbereitet genug, um die Macht an sich zu reißen.

Zwei Tage dauerte die internationale Fachkonferenz. Zu den weiteren Gästen zählten auch Referenten aus Polen, Tschechien, Belgien, Frankreich, Deutschland und der Republik Moldau.Veranstalter waren die Revolutionsgedenkstätte Temeswar und die Stiftung Bürgerliche Akademie.