„Der Körper wird durch den Geist gelenkt“

ADZ/BZ-Fotoreporter Karl Szélhégyi-Windberger feierte seinen 94. Geburtstag

Immer lächelnd, immer gut gelaunt: Karl Szélhégyi-Windberger bei seiner Geburtstagsfeier im AMG-Haus

Jung und Alt gratuliertem dem ADZ/BZ-Fotoreporter zu seinem 94. Geburtstag.

Karl Szélhégyi-Windberger war schon immer von der Technik begeistert.
Fotos: Zoltán Pázmány

Aus dem dritten Stock des Adam-Müller-Guttenbrunn-Hauses hört man am Dienstagnachmittag ein „Hoch soll er leben“. Der Begegnungsraum, in dem gewöhnlich die wöchentlichen Treffen der Altenheimbewohner stattfinden, ist voll. Bewohner des Altenheims, Volontäre, die Leitung des Altenheims und des Deutschen Forums, Krankenschwestern, Forumsmitglieder und Journalisten sind gekommen, um den Geburtstag eines besonderen Menschen zu feiern: Karl Szélhégyi-Windberger, der langjährige Fotoreporter der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien/Banater Zeitung, wurde 94.

Am besagten Nachmittag trägt Karl Szélhégyi-Windberger eine elegante Jacke, an der die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland hängt. Die Verdienstmedaille trägt er an seiner Brust – die Auszeichnung liegt ihm sehr am Herzen, gesteht er. „Die habe ich am 11. Dezember 2003 bekommen“, erinnert er sich. „Es hat mir nur sehr leid getan, dass meine Mutter nicht mehr gelebt hat, denn sie wäre bestimmt sehr stolz auf mich gewesen. Sie pflegte zu sagen: `Du willst doch nicht so ein armseliger Dorffotograf werden´“, erinnert sich Karl Szélhégyi-Windberger. Dass er das nicht geworden ist, beweist seine lange Karriere als Fotoreporter. „Es tut mir nur leid, dass ich nicht früher Fotoreporter bzw. Journalist geworden bin. Zu diesem Beruf stieß ich erst 1959/60“, sagt Karl Szélhégyi-Windberger, der damals bei der ungarischen Zeitung „Szabad Szó“ angefangen hatte.

Das Geheimnis eines langen Lebens

Doch diesmal geht es nicht um den Journalisten-Beruf, den Karl Szélhégyi-Windberger bis zu seiner Rente und darüber hinaus mit viel Hingabe ausgeübt hat: Heute geht es um das Leben selbst. Das lange und schöne Leben von Karl Szélhégyi-Windberger, der davon Bände berichten könnte. Alle Fragen dazu beantwortet er mit viel Ehrlichkeit und Humor. Was das Geheimnis seines langen Lebens sei, will man von ihm wissen. „Nicht sterben“, sagt Karl Szélhégyi-Windberger – eine spontane Antwort, die die Zuhörer zum Lachen bringt. Menschen auf andere Gedanken zu bringen, ihnen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, das kann der jung gebliebene Karl Szélhégyi-Windberger immer noch sehr gut. „Es gibt kein Geheimnis der Langlebigkeit. Es geht lediglich darum, nie seine Geistesfähigkeiten zu verlieren, denn der Körper wird durch den Geist gelenkt“, erklärt er, wie er es geschafft hat, so lange körperlich wie auch geistig fit zu bleiben. „Der Geist kann trainiert werden“, davon ist Karl Szélhégyi-Windberger überzeugt. „Man soll mit nichts übertreiben, also nicht ‘saufen und fressen’ – alles muss mit Maß geschehen“, sagt der Greis. Nur wenig hinge die Langlebigkeit von der Genetik ab, glaubt Karl Szélhégyi-Windberger zu wissen, denn „den Hauptanstoß zum Leben gibt der Mensch selbst“, fügt er hinzu.

Karl Szélhégyi-Windberger hat im vergangenen Jahr eine schwere Operation überstanden. Operiert wurde er am offenem Herzen im Kardiologie-Krankenhaus am Temeswarer Jagdwald. Auf die Frage, ob er denn Angst vor der OP gehabt hätte, antwortet er gelassen: „Ich, Angst? Neeein!“ Seine Ärztin, Prof. Dr. Adina Ionac, habe ihm genau erklärt, wieso das Austauschen einer Herzklappe und das Anbringen eines Herzschrittmachers so wichtig war. „Ich lag drei Tage nach der OP im künstlichen Koma“, sagt Karl Szélhégyi-Windberger. „Als man mir sagte, dass ich so lange geschlafen habe, wollte ich wissen, ob ich denn geschnarcht hätte“, sagt er lächelnd. Überall, wo Karl Szélhégyi-Windberger erscheint, gewinnt er schnell Freunde. Seine lockere, lustige Art gefällt den Menschen. 

Ausgeglichenheit  und Vernunft

Was denn seine größte Errungenschaft in seinem Leben gewesen wäre, möchte man von ihm erfahren. „Die Tatsache, dass ich mich oft habe beherrschen können“, antwortet er. Ein ausgeglichenes Leben habe er schon immer geführt, nie mit einer Sache übertrieben. „Man soll seine Grenzen kennen und diese nie überschreiten“, sagt Karl Szélhégyi-Windberger. „Die Leute haben angefangen, ein gehetztes Leben zu führen. Die Gier nach Geld ist groß“, erklärt er und erinnert sich an seine Kindheit in Reschitza in den 1930er und 40er Jahren. „Mein Vater war Buchhalter und hat auch mal von zu Hause, so nebenbei, für verschiedene Unternehmen gearbeitet. Trotzdem hat er immer die Zeit gefunden, sich mit mir zu beschäftigen – das Familienleben hat für ihn eine wichtige Rolle gespielt.“ Die Tatsache, dass Karl Szélhégyi-Windberger ein Einzelkind war, hat einen gewissen Einfluss auf ihn gehabt. „Meine Mutter war manchmal zu fürsorglich. Einen Rat hätte ich daher für junge Eltern: Sie sollen nie die persönliche Willensentwicklung ihres Kindes hemmen“, fügt er hinzu. Den Jugendlichen von heute würde er eines raten: „Vernünftig zu leben. Und auch mal auf die guten Ratschläge alter Leute zu hören, denn diese haben eine große Lebenserfahrung“. Er selbst fühlt sich unter jungen Menschen sehr wohl und hört ihnen gerne zu. Wöchentlich besuchen ihn im Altenheim seine „Schutzengel“ – die Jesuitenfreiwilligen, deren Hauptaufgabe es ist, mit ihm spazieren zu gehen und sich mit ihm zu unterhalten. Auch mit seinen ehemaligen „Schutzengeln“ hält er immer noch guten Kontakt.

Ein überzeugter Christ

Von seinem Beruf als Journalist schwärmt er immer noch. „Durch den Beruf habe ich viele Leute kennengelernt. Ich habe gelernt, logisch zu denken und mit Überlegung in die Zukunft zu blicken.“ Stets sei er dem guten Rat seines Vaters gefolgt: „Selbst von den schlechten Sachen hol´die guten raus“, lautete dieser. Karl Szélhégyi-Windberger bezeichnet sich selbst als „unheilbarer Optimist“. „Ich bin gleichzeitig überzeugter Christ. Viele Situationen im Leben haben mir bewiesen, dass es einen Gott gibt“, fügt er an. Karl Szélhégyi-Windberger lebt seit einem Jahr im Altenheim der Adam-Müller-Guttenbrunn-Stiftung. Hier hat er ein neues Zuhause gefunden und fühlt sich wohl. Doch sein Computer, an dem er von zu Hause aus jeden Tag gearbeitet hatte, ist immer noch nicht in Betrieb. Viele seiner Freunde von nah und fern haben schon nachgefragt, was denn mit ihm los sei, nachdem die gewohnten E-Mails monatelang ausgeblieben waren. Immerhin hält auch der Computer - wie auch der ständige Kontakt zur Technik - den Geist fit. Vor einigen Jahren, als Karl Szélhégyi-Windberger seinen 90. Geburtstag mit einer Fotografie-Ausstellung feierte, kündigte er an, die nächste Fotoausstellung zu seinem 100. Geburtstag veranstalten zu wollen. Schon oft hat der leidenschaftliche Fotoreporter bewiesen, dass er das, was er sich in den Kopf setzt, auch schafft. Die Fotoausstellung zum 100. wird wohl kein Hindernis für Karl Szélhégyi-Windberger darstellen. Seine Freunde können sich jetzt schon darauf freuen.