„Der Markt anders“

Pilotprojekt zur Förderung der Temeswarer Märkte

Deutsche Touristen durften ein traditionelles Mittagsessen direkt auf dem Markt probieren.
Foto: Andreea Oance

Der Josefstädter Marktplatz mal anders. Ohne Gelegenheitshändler und ohne Schmuggelware, ohne Bettler und vor allem ohne Schmutz und unangenehme Gerüche. An diesem Sommertag mitten in der Woche bietet der Marktplatz ein eigenartiges Bild – ganz verschieden von dem, woran man sich als üblicher Marktbesucher gewöhnt hat. Am Eingang überwachen zwei Kommunalpolizisten die Gegend. Die Treppen, die bis zur dritten Etage des Marktes führen, sind diesmal nicht klebrig. Im letzten Stockwerk des Hauses befindet sich das sogenannte „Food-Court“. Hier wird Essen zubereitet und Leute dürfen bis zum späten Nachmittag eine Mahlzeit genießen. Ganz anders als gewöhnlich sind in der Ecke vor dem Ausgang zur Terrasse mehrere Tische mit weißen Tischdecken gedeckt. Blumen sind in kleinen Vasen aufgestellt und in einer Ecke steht ein Korb voller Fleischwaren mit dem Vermerk „Produs tradițional românesc“ – traditionelles, rumänisches Erzeugnis.


Heute ist entschieden ein besonderer Tag. Der Markt bekommt wichtige Besucher: Eine Touristengruppe aus Deutschland soll die rumänischen traditionellen Speisen direkt von den Produzenten verkosten und dabei das Authentische an Rumänien und Temeswar erleben. Sie werden mit Live-Volksmusik und Folkloretänzen empfangen. Der Verwalter der Temeswarer Märkte, Ioan Nasleu, und zahlreiche andere Vertreter der Lokalbehörden, dazu noch der Temeswarer Bürgermeister Nicolae Robu – alle sind anwesend, denn heute ist der Tag, an dem ein neues Projekt in Temeswar umgesetzt wird. „Der Markt anders“ (Rumänisch: Piața altfel) heißt das Pilotprojekt, das auf einer Idee der deutschen Tourismusbetreiberin in Temeswar, Ramona Lambing, basiert und nun mit Unterstützung der Stadt Temeswar umgesetzt wird.


„Wir möchten unsere Märkte und die einheimischen Produzenten mit ihren traditionellen Produkten, die hier auf dem Markt verkauft werden, fördern. Frau Lambing hat uns überzeugt, dass deutsche Touristen, zum Beispiel, nicht nur an touristischen Zielen interessiert sind, sondern sie wollen auch das Lokale erleben. So bieten wir ihnen heute ein Stück Tradition auf einer Platte unter anderem mit Speck, Wurst, hausgemachtem Schinken, Käse und frischen Tomaten, direkt aus dem Bauerngarten“, sagt Ioan Nasleu.


Die deutsche Touristengruppe unternahm in der letzten Woche eine Reise „Auf den Spuren des Heiligen Gerhard“ durchs Banat. Die Touristen aus Nordrhein-Westfalen machten einen Halt unter anderen in der Banater Heide (Hatzfeld/Jimbolia, Großsanktnikolaus/Sânnicolau Mare und Radna) sowie im Banater Bergland (Reschitza/Reșița, Steierdorf/Anina, Orawitza). Am letzten Tag ihrer Banater Erkundungsreise konnten die rund 30 Touristen aus Deutschland sich erneut in Temeswar aufhalten und diesmal ein „touristisches traditionelles Mittagessen“ verkosten. Ihnen wurde dazu noch Banater Folkloremusik geboten und viele ließen sich auch zum Tanz einladen. Auf einer Holzplatte serviert, sind die Produkte nicht ganz so appetitlich. Begeistert vom Tomatengeschmack sind sie auf jeden Fall, äußern viele der Verkoster.


Ramona Lambing ist selber eine treue Kundin der Temeswarer Märkte, verrät die Unternehmerin. Dass die Märkte auch für Touristen interessant sein und verwertet werden könnten, war nur eine Frage der Zeit, sagt sie. „Ich bin seit rund 30 Jahren in der Branche. Weltweit ist es üblich, dass man so etwas macht. Die Gruppen, die für eine Woche im Banat sind, die wirklich Land und Leute der Gegend kennenlernen möchten, denen sollte man natürlich auch so richtig das Authentische zeigen. Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Das ist der Geschmack eines Landes, das gehört auf jeden Fall dazu“, sagt Ramona Lambing.


„Diese Atmosphäre hier ist authentisch. Hierher kommen keine Touristen. Der Markt ist nicht zum kommerziellen Verbrauch organisiert, wie das in einer Mall passiert, sondern hier ist es wirklich so, wie sich die Leute aus der Umgebung oder die Leute vom Markt geben und es wird authentisches Essen serviert. Wenn man versucht, den Markt touristisch zu vermarkten, dann ist ja auch der kommerzielle Aspekt wichtig. Dann hebt es ja auch ein bisschen den Verkauf, es hebt das Interesse“, fügt die Unternehmerin hinzu.


Das Projekt „Der Markt anders“ soll sich nicht nur an Touristengruppen wenden. Anhand eines Vouchers, den man in der Alba-Iulia-Straße im Informationszen-trum oder am Markteingang kaufen kann, sollen demnächst auch weitere Besucher der Stadt auf die lokalen Produkte aufmerksam gemacht werden. „So dehnt man den Tourismus ein bisschen über die engen Grenzen der historischen Innenstadt hinaus und belebt auch die Stadtviertel. Man trägt vielleicht auch dazu bei, dass sie sich auch weiterentwickeln, ohne dass sie ihre Authentizität und ihre Ursprünglichkeit verlieren“, sagt Ramona Lambing. Das Projekt könnte in Zukunft auch auf anderen Märkten umgesetzt werden. „Es wäre gut, wenn wir das auch auf dem 700er Marktplatz tun könnten, denn der ist auch zentrumsnah“, schließt Lambing.


Der Josefstädter Marktplatz wurde vor einigen Jahren neu gebaut. Anstelle der alten Markthalle wurde die Straße angelegt. 15 Millionen Lei kostete der Bau des mehrstöckigen Gebäudes. 250 Verkaufstische für Obst- und Gemüseverkäufer, rund 100 Räume für weitere Läden und 34 Räume für Imbissstuben sind hier entstanden.