Der Temeswarer Tourismus: zwischen Rosengarten und Klein-Wien

Unausgeschöpfte Potenziale prägen den Fremdenverkehr in der Banater Hauptstadt

Ein recht gelungenes Jazz-Fest organisiert die Stadt seit wenigen Jahren. Doch bislang besteht das Publikum hauptsächlich aus Temeswarern, Touristen lassen sich kaum blicken.

Ein entsprechendes Museum der Revolution von 1989 ist ein Muss für Temeswar; entsprechend vermarktet würde es die Attraktivität der Stadt deutlich steigern.
Fotos: Zoltán Pázmány

Vor der Wende hieß es, Temeswar sei die Stadt der Rosen und der Parks. Auch Klein-Wien nannte man die Banater Metropole, doch offiziell warb der sozialistische Tourismus mit dem Beinamen „Stadt der Rosen”, den Rosenpark präsentierte das damalige Temeswar den wenigen inländischen und den noch wenigeren ausländischen Gästen als die Sehenswürdigkeit schlechthin. Ein absolutes Muss für den Temeswar-Besucher. Viele Jahre mussten nach 1989 vergehen, bis der Rosenpark wieder hergerichtet wurde, kurz vor der Bürgermeisterwahl von 2012. Dass er sich großer Beliebtheit erfreut, stimmt, vor allem bei den Einheimischen, allzu viele Touristen scheinen nicht besonders daran interessiert, auf den Gartenalleen am Begaufer zu schlendern.

Viel mehr zieht es die Touristen, die Temeswar besuchen, in die Iulius Mall. Denn es sind Wochenendgäste aus dem Nachbarland Serbien, die seit ein paar Jahren Samstag für Samstag und des Öfteren auch sonntags nach Temeswar kommen. Aus den Städten im serbischen Banat, aber zunehmend auch aus dem 160 Kilometer entfernten Belgrad. Die meisten kommen im organisierten Rahmen, per Bus und mit Reiseleiter. Der Tagesausflug nach Temeswar ist wohl eine der billigsten Vergnügungen für die Bewohner des serbischen Banats, besucht wird zunächst die Innenstadt, und selbstverständlich auch die serbische Kirche am Domplatz. Dann geht es schnurstracks ins Einkaufszentrum Iulius Mall, wo geshoppt wird und wo auch die Busse auf die Touristen warten, denn in der Innenstadt und Umgebung sind Busparkplätze Mangelware.

Alles schön und gut, würde man meinen. Gut, dass die Serben wieder nach Temeswar kommen, fast wie vor 1989. Aus der Stadt an der Bega wird aber allein so kein Reiseziel von Rang. Potenziale werden nicht ausgeschöpft, in- und ausländisches Geld, welches in Temeswar ausgegeben werden könnte, wird anderswo einkassiert. Hoteliers, Gastronomen, Kneipenbesitzer und Reisebüros verdienen bei weitem nicht das, was in Temeswar an Touristen zu verdienen wäre. Wenn man nur wüsste wie!

Es gibt zwar ein Touristeninformationszentrum in der Alba-Iulia-Gasse, es gibt Reiseveranstalter, auch deutschsprachige, die sich bemühen, Touristen nach Temeswar zu bringen und diese für mehr als einen halben Tag und eine Nacht hier zu halten. Was es nicht gibt, ist, wie leider üblich, ein sinnvolles Konzept. Eine Strategie, die zunächst einmal alle Akteure an einen Tisch bringen soll, unter der Federführung der Stadtverwaltung. Die dann erst einmal eine realitätsgetreue, faktenorientierte Bestandsaufnahme durchführen müsste. Wie viele Touristen kommen nach Temeswar, woher kommen sie, wie lange bleiben sie in der Stadt, was schauen sie sich an, wohin gehen sie, was fehlt ihnen und, vor allem, wieviel Geld geben sie hauptsächlich aus und wofür? Und wieviel Geld könnten sie ausgeben, wenn man ihnen die entsprechenden Möglichkeiten erschaffen würde? Davon ausgehend, müsste eine Entscheidung getroffen werden: Welche Marktnischen müssen entwickelt werden? Soll aus Temeswar eine Stadt für Messen, Konferenzen und ähnlichen Veranstaltungen werden? Oder vielleicht doch den Freiheitskampf von 1989 touristisch bewerben? Vielleicht durch den Bau eines „Museums der Revolution von 1989“, das der Stadt und ihrer Geschichte auch würdig sein soll? Braucht die Stadt mehr Events, die für landesweite und regionale Sichtbarkeit sorgen können? Soll der Gesundheitstourismus gefördert werden? Soll vorrangig in Parks und Grünanlagen investiert werden? Muss die Stadt aktiv um neue Hotels werben, sich um die Ansiedlung internationaler Hotelketten bemühen? Denn in der Tat: Was die Unterkunftsmöglichkeiten anbelangt, beziehungsweise die Präsenz ausländischer Hotelketten im Drei- und Vier-Sterne-Bereich, hinkt Temeswar Städten wie Hermannstadt/Sibiu, Klausenburg/Cluj-Napoca, Jassy/Iaşi und sogar Großwardein/Oradea oder Craiova längst hinterher. Ähnliches gilt für die Gastronomie und für den innerstädtischen Handel im Allgemeinen, obwohl sich zumindest im Bereich Gastronomie das Angebot in den vergangenen Jahren deutlich verbessert hat.

Aber nicht nur das wäre zu bemängeln an der Temeswarer Strategie in Sachen Tourismus. Die Zusammenarbeit der Stadt mit dem Kreisrat ist gleich null, wer nach Temeswar kommt, wird höchstens nach Rekasch zu einer Weinverkostung geführt und das war´s. Mit der Stadt Arad und der Region um Arad wird auch nicht gesprochen, eine gezielte Vermarktung der beiden Städte und ihres Hinterlandes, einschließlich des Arader Weinbaugebietes und der Wallfahrtskirche von Maria Radna, kommt nicht zustande. Zu stark sind die Gefühle, wenn Arader und Temeswarer für ihre Städte und ihre Region etwas gemeinsam unternehmen sollen.

Und dann: Dass die Stadt in den vergangenen Jahren einige Events in die Wege geleitet hat, beispielsweise das Plai-Festival, das Jazz-Festival oder die junge Timfloralis-Blumen- und Gartenshow, ist selbstredend positiv. Aber solche Veranstaltungen müssten national und auch regional vermarktet werden. Sollte es ab Herbst Billigflüge nach Bukarest, Klausenburg und Jassy geben, müssten vor allem die Bukarester nach Temeswar gelockt werden. Übers Wochenende. Ist es derzeit in der Hauptstadt hip nach Klausenburg zu fahren, so muss der Trend in Richtung Temeswar angepasst werden. Mit klugem, witzigem Marketing. Und mit entsprechenden Veranstaltungen, Konzerten, Happenings. Indes darf nicht bis 2021, dem Jahr der vermeintlichen Vergabe des Titels „Kulturhauptstadt Europas“, gewartet werden, Handlungsbedarf besteht bereits jetzt. Und das, was bereits für das Projekt der Kulturhauptstadt entwickelt wurde, sollte erprobt werden. Je schneller, desto besser. Denn: Wieviele Besucher aus den Nachbarländern Ungarn und Serbien hat es 2015 beim Jazz-Festival oder beim Plai-Festival gegeben? Eine Handvoll vielleicht. Wieviele Temeswarer fahren nach Budapest zum Sziget-Fest oder nach Neusatz/Novi Sad zum Exit-Festival? Viele.

Eigentlich müssen die Zuständigen nicht das Rad neu entdecken. Sie müssen sich nur darauf einigen, was für einen Tourismus sie in Temeswar haben wollen und können und über mehrere Jahre den entsprechenden Plan umsetzen. In enger Zusammenarbeit der Stadtämtern mit den privaten Trägern, den Hoteliers und den Gastronomen, den Reiseveranstaltern, den Kirchen, den Universitäten, den Jugendverbänden und weiteren kulturgesellschaftlichen Einrichtungen.

Denn damit Touristen nach Temeswar kommen, übernachten und ihr Geld ausgeben, bedarf es einer speziellen Mischung. Einem Mix aus guten Hotels, leckerem Essen, guten Ausgehmöglichkeiten, schmucken Plätzen und Grünanlagen, interessanten Sehenswürdigkeiten, die die Stadt von anderen unterscheiden sollen. Und die vor allem den Touristen für keine Minute ihres Aufenthaltes ein Gefühl der Langeweile vermitteln dürfen. Keiner dieser Faktoren allein reicht aus. Entsprechende Hotels, passende Restaurants, hergerichtete Plätze oder adrette Cafés gibt es auch anderswo.  Man war vor 1989 gar nicht so dumm: Stadt der Rosen klingt besser als Klein-Wien. Denn wer nach Wien will, fährt nach Wien. Niemand sucht nach dem Ersatz-Wien, wenn das Original so greifbar nahe ist. Originalität kann im Tourismus viel bedeuten. Eine sichere Geldquelle ist sie allemal.