Deutsche Klänge aus der Dobrudscha

Neuntes Treffen der Deutschen aus dem Altreich in Tulcea

Chor „Edelweiß“ aus Piatra Neamţ

Tanzgruppe „Sonnenschein“ aus Moineşti

Aegyssus überholt Europolis: die Deutschen erobern das Delta!
Fotos: die Verfasserin

Aus allen Richtungen schwärmten sie an - die Delegierten der Altreichsfilialen des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR): Bacău, Buhuşi, Bukarest, Konstanza/Constanţa, Craiova, Galatz/Galaţi, Jassy/Iaşi, Mointeşti, Oneşti, Piatra-Neamţ, Piteşti, Ploieşti, Râmnicu Vâlcea, Târgovişte und Tulcea. Benjamin Josza vom Landesforum, Erwin Josef Ţigla aus dem Banater Bergland und Antonia Gheorghiu aus dem Buchenland als Vertreter der anderen Regionen. Und zwei Ehrengäste: der Abgeordnete des DFDR im rumänischen Parlament, Ovidiu Ganţ, und Unterstaatssekretärin Christiane Gertrud Cosmatu vom Departement für Interethnische Beziehungen an der rumänischen Regierung (DRI). Für vier Tage wird wieder Deutsch gesprochen in der Dobrudscha! 165 Teilnehmer stürmten zum Treffen des Altreichforums vom 23.-26. Juni auf Tulcea ein. Die verschlafene Donaustadt empfing uns mit gnadenloser Wüstenhitze.

Erfolgsbilanz und Resümee

Dr. Klaus Fabritius leitete die Veranstaltung mit einem Überblick über die Aktivitäten der letzten zwei Jahre ein. 2352 Mitglieder in 16 Filialen zählt das Altreichforum, davon 1518 Vollmitglieder und 834 Sympathisanten. Die Lokalforen entfalteten auch 2014-2015 reichhaltige kulturelle Tätigkeiten: Vorträge über Geschichte, Literatur oder Musik, Veranstaltung von Seminaren, Malerei- und Fotoausstellungen, Oktoberfest, Fasching, Advents- und Osterfeiern, Treffen der ehemaligen Russland-Deportierten, Feiern zum Tag der Deutschen Einheit, Buchpräsentationen, Wettbewerbe und vieles mehr.

Beispiele: Das Forum Bacău organisierte gemeinsame Projekte mit Piatra Neamţ, Moineşti, Oneşti und Buhuşi sowie mit der Schule „Nicu Enea“. Die Musikgruppe „Zwei Plus“ zeichnete sich durch Auftritte bei Veranstaltungen anderer Foren sowie im lokalen Fernsehen aus. Auch die Musik- und Tanzgruppe „Edelweiß“ aus Piatra Neamţ wird zu Kulturtätigkeiten anderer Foren eingeladen. Das Forum Ploieşti organisiert seine Kulturveranstaltungen mit dem Museum „Paul Constantinescu“. In Bukarest steht das Kulturhaus „Friedrich Schiller“ unter Leitung von Mariana Duliu im Vordergrund vielfältiger Aktivitäten, auch mit dem Goethe-Kolleg gibt es eine Kooperation.

Besonderes Augenmerk in der Forumstätigkeit kommt der Förderung der deutschen Sprache zu: Konstanza und Craiova organisieren regelmäßig Treffen mit Deutschlehrern aus ihren Städten; das Forum Konstanza kooperiert eng mit der Universität Ovidius und dem lokalen Kunstlyzeum. Das Forum Galatz organisiert alle Veranstaltungen mit deutschlernenden Schülern aus zwei Schulen. Jassy kooperiert häufig mit Germanistikstudenten oder der Schule „Alexandru cel Bun“. Alle zwei Jahre organisiert das Regionalforum ein Treffen der Altreichdeutschen, dazwischen auch interregionale Zusammenkünfte der Musik- und Tanzgruppen.

2014 wurden drei Bücher veröffentlicht - „Erinnerungen aus der Deportation“ von Dora Dumitru (2. Auflage) vom Forum Ploieşti, „Geschichte der deutschen Siedlungen in der Dobrudscha“ von Hans Petri und „Die Deutschen in der Dobrudscha - Geschichte und Zivilisation“, beide vom Forum Konstanza; außerdem die CD „Ich sing ein Lied für dich“ der Musikgruppe „Edelweiß“ aus Piatra Neamţ. 2015 wurde die deutsche Fassung des Buches „Auf der Suche nach den Sachsen in der Moldau“ von Elena Konrad Oboroceanu (Piatra Neamţ) und „Auf Dürers Spuren“ von Prof. Dr. Adina Nanu (Regionalforum Altreich) herausgegeben. Dieses Jahr will das Forum Konstanza ein Buch mit dem Titel „Dobrudscha. Dokumentationszeugnisse 1878-1914“ drucken.

Der Vorsitzende des Jugendforums Christian Töpfer verkündete, man sei nun endlich formell als Vollmitglied in die Arbeitsgemeinschaft der Jugendorganisationen (AdJ) aufgenommen worden. Zur besseren Ausgestaltung der Jugendarbeit regte er an, die vom Forum herausgegebenen Bücher künftig auch als PDF-Datei im Internet bereitzustellen.
Auf das Wahlergebnis kann das Forum stolz sein, lobt Fabritius: immerhin gibt es fünf Bürgermeister, zehn Kreisräte, 25 Stadträte und 56 Gemeinderäte. Für die Parlamentswahlen im November führt erneut Ovidiu Ganţ die Liste an, auf Platz 2 steht Christiane Cosmatu. Explizit legt Fabritius den Anwesenden nahe: „Bitte gehen Sie zur Wahl und wählen Sie für die Abgeordnetenkammer unsere Liste, das DFDR mit dem Herz!“

Botschaften der Ehrengäste

In seinem Grußwort verwies Ovidiu Ganţ aus aktuellem Anlass auf eine wichtige Veränderung: „Seit zwei Monaten können Sie leider auf der Webseite des Parlaments nicht mehr verfolgen, wie ich abgestimmt habe, weil die PSD dafür gesorgt hat, dass wir nicht mehr elektronisch abstimmen.“ Ausdrücklich betont er, an der „Schweinerei vom Mittwoch“ nicht beteiligt gewesen zu sein: „Ich war nicht unter den 306, die über die Sache den Interessenskonflikt betreffend abgestimmt haben, weil ich der Ansicht bin, dass es völlig unmoralisch ist, dass ein Abgeordneter seine Verwandtschaft im parlamentarischen Büro anstellt. Ich habe es nie getan und werde es nie tun.“ Die Verhandlungen zum Haushaltsgesetz bezeichnet er als Erfolg.

Außerdem sei es gelungen, den Sitz für das Forum Piatra Neamţ käuflich zu erwerben. Ein besonders wichtiger Punkt sei die Bildung in deutscher Sprache: „Fakt ist, dass die Ergebnisse zum Sprachdiplom im Altreich sehr gut sind, weil unsere Landsleute dort Deutsch unterrichten, an Universitäten und an Schulen.“ Kurz informierte er zum jüngsten Vorfall im Bukarester Goethe-Kolleg, das auf Antrag der ehemaligen Schulleitung in eine rumänische Elite-Schule umgewandelt werden sollte: „Das Problem ist erledigt, ich war mit dem Bildungsminister Adrian Curaj einig, dass es nicht akzeptabel ist, dass der muttersprachliche Status dieser Schule aufgegeben wird“. Als „gute und korrekte Entscheidung“ lobte er die Verabschiedung eines Gesetzes, das den Beitrag des rumänischen Staates für die ehemaligen Russland-Deportierten verdoppelt und zudem auch den im Ausland lebenden Betroffenen gewährt.

Christiane Cosmatu verweist auf die Zuständigkeit des DRI in der Umsetzung der Charta der Minderheitensprachen in der EU. Mitglieder der Kommission waren dieses Jahr in Konstanza und Bukarest und trafen mit den Minderheitenvertretern zusammen. Explizit informiert sie über ein Schulmodell, das Deutsch als Muttersprache (DAM) und Fremdsprache (DAF) kombiniert und sich DAMF nennt. Es sei nicht ideal, doch in Anbetracht der Tatsache, dass „jeder Fortschritt des Landes - auch in Förderung von Sprache und Kultur - mit einem kleinen Plus verzeichnet wird, habe ich auch ein Herz für diese Form.“ Explizit ermuntert Cosmatu zur Lektüre unserer Zeitung: „Die ADZ darf in keinem Forum und in keiner Schule fehlen, in der Deutsch unterrichtet wird. Lehrer können dort Unterrichtsmaterialien finden und junge Leute dazu erziehen, dass sie Zeitung kritisch lesen. Man kann sehr kreativ damit umgehen.“

Wenn Zahlen sprechen...

Aus der Buchhaltung des Altreichforums wurde verlautet: 2014 war diesem vom Nationalforum ein Budget von 413.606 Lei zugewiesen worden, für die Verwaltung wurden 209.200 Lei ausgegeben, für kulturelle Ereignisse 106.406, für Bücher und CDs 15.000. 2015 betrug das Budget 690.287 Lei: 250.300  für die Investition in den Sitz in Piatra Neam], 333.920 für Verwaltung, 93.067 für Kultur und 13.000 für Publikationen. 2016 betrug das Budget 485.652 Lei: 320.000 gingen an die Verwaltung, 153.652 wurden für kulturelle Veranstaltungen und 12.000 für Bücher ausgegeben.
Die deutsche Bundesregierung stellte dem Altreichforum 2014 - 2016 je 18.700 Euro für bedürftige Forumsmitglieder zur Verfügung. Außerdem wird ehemaligen Russlanddeportierten eine kleine Zuwendung gewährt, die in diesem Jahr von 10 auf 25 Euro pro Person erhöht wurde.

Aus dem Bericht der Stiftung Transcarpatica unter Geschäftsführung von Carmen Cobliş ging hervor: 2015 war das beste Jahr - 16 Projekte im Gesamtwert von 160.900 Euro konnten gefördert werden. Dieses Jahr gab es bislang 5 Projekte im Wert von ca. 80.000 Euro. Das deutsche Bundesministerium des Inneren (BMI) stellt für Wirtschaftsförderung jährlich Summen zur Verfügung, hat jedoch in diesem Jahr die Frischmittel für alle 5 Stiftungen halbiert, mit der Zusage, sie für 2017 wieder auf gewohnte Höhe aufzustocken. Fast alle Projekte würden derzeit aus Rückflussmitteln gefördert, ergänzt Fabritius. Sollte sich die Zusage auf Aufstockung der Frischmittel nicht bewahrheiten, sei der Fortbestand der Stiftungen akut gefährdet.

Im Anschluss berichteten die Vertreter der Regionalforen über Highlights ihrer Aktivitäten und Pläne. Hervorzuheben ist ein interessantes Projekt in der Dobrudscha, betreffend die Kirche in Malcoci, dem ältesten deutschen Dorf im Kreis Tulcea. Richard Wagner, Vorsitzender des Forums Tulcea, informiert über den Plan, die katholische Kirche als Bauruine zu konservieren und Gedenktafeln anzubringen. Eine Genehmigung für das 900.000- Lei-Projekt liegt bereits vor. Die Kirche gilt als Wahrzeichen der Dobrudschadeutschen, von denen anderweitig kaum noch Spuren erhalten geblieben sind. Ihre Häuser existieren nicht mehr, Gotteshäuser wurden aufgelöst und anderen Zwecken zugeführt. Nur wenige ihrer Kirchen sind in gutem Zustand, weil sie von anderen Glaubensgemeinschaften genutzt werden.

Drei magische Welten

Drei magische Welten eröffnete das an die Sitzung anschließende Kulturprogramm im Theater „Jean Bart“: die der Kindheit, die des Fußballs und die der Natur. In dörfliche Nostalgie versetzen die Reschitzaer Künstler Doina und Ioan Gustav Hlinka mit ihren bezaubenden naiven Malereien. Um Fußball geht es in der Briefmarkensammlung von Erwin Josef Ţigla, und einen Ausblick auf bevorstehenden Naturgenuss vermittelt Dr. Fabritius mit seiner Fotoausstellung zum Donaudelta.
Zum anschließenden Bühnenspektakel waren - wie in Tulcea stets üblich - auch die Vertreter der anderen Minderheiten eingeladen. Mit schmissigen Tanz- und Musikeinlagen bezauberten: der Chor „Edelweiß“ aus Kimpolung/Câmpulung Moldovenesc, die Tanzgruppe „Sonnenschein“ aus Moineşti, der Chor „Edelweiß“ aus Piatra Neamţ und die Tanzgruppe „Enzian“ aus Reschitza.

Krönenden Abschluss bildete das „Trio Saxones“ mit Pfarrer Alfred Dahinten (Mühlbach) als kräftige Hauptstimme. Zu „Volle Kanne Sehnsucht“ werden alle Trachtenträger auf die Bühne gebeten: Wer Lust hat, lässt die Beine wirbeln - die jungen, aber auch die nicht mehr ganz jungen...
Wie üblich klingt das Altreich-treffen mit einem Ausflug aus: Mit zwei Schiffen - Aegyssus und Europolis - schippern wir gemächlich durchs Donaudelta. Sonne, Schilfdickicht, Brutkanäle und Seen. Ein Krauskopfpelikan tut uns den Gefallen und gleitet zum Greifen nah vorüber. Die Hitze und die deutschen Lieder, die fröhlich vom Deck herunterklingen, scheinen ihn nicht zu stören. Ein sanfter Fahrtwind bläst uns die Sorgen aus dem Kopf. Und erst recht die vielen Zahlen.