Deutsche Klassiker in neuem Gewand

„Faustbook“-Ausstellung im Deutschen Kulturzentrum Kronstadt

Auf dem Umschlag des Buches „Wilhelm Tell“ von Schiller ist ein grünes Schwein aus dem „Angry-Birds“-Spiel abgebildet. Auf seinem Kopf ist ein roter Apfel. Hesses Roman „Glasperlenspiel“ ist mit einer Abbildung des populären Spiels „Candy Crush“ geschmückt, das heutzutage alle Jugendlichen auf ihren Smartphones oder Tablets spielen. Auf dem Cover des Romans „Mephisto“ von Klaus Mann fragt Facebook: „Bist du sicher, dass du deine Seele für immer an Mephisto verkaufen willst“? Auch Goethes Werther ist auf Facebook. Gerade kündigt er an, dass er in einer Beziehung mit Lotte ist. Ein Facebook-Konto hat auch Musils „Mann ohne Eigenschaften“ erstellt. Allerdings ohne Profilbild. Und auf dem Umschlag von Thomas Manns „Zauberberg“ kann man den wohl bekanntesten Hügel der Welt sehen. Auf ihm stehen 9 Buchstaben: Hollywood. Die Wanderausstellung des Bukarester Goethe-Instituts „Faustbook. Aktuelle Buch-Cover für klassische deutschsprachige Autoren in der Vision von Julien Britnic“ ist nicht groß. Sie passt in ein kleines Bücherregal. Und trotzdem nimmt sie sich Großes vor, und zwar auf eine höchst originelle und lustige Weise den Jugendlichen das Lesen näher zu bringen und klassische Literatur auf eine witzige Weise zu aktualisieren.

Faust verkauft seine Seele auf Ebay

Autor der Illustrationen auf der Buchumschlag-Serie ist der Bukarester Copywriter und Kultur-Remixer Julien Britnic. Der Künstler wurde bekannt, nachdem er vor zwei Jahren aktuelle Buchumschläge für klassische Werke der Weltliteratur entwarf. Es waren die Umschläge der rumänischen Taschenbuchreihe „Biblioteca pentru toţi“ (Bibliothek für alle), die Britnic neu gestaltete. Die in den 70er und 80er Jahren sehr populäre Buchreihe wurde 1895 vom Schriftsteller und Folklorist Dumitru Stănescu ins Leben gerufen und vom Verleger Carol Müller herausgebracht, der sich von der Taschenbuch-Kollektion „Universal Reclam Bibliothek“ aus Leipzig inspirieren ließ. 95 Titel zählt die Kollektion mit Farbfoto-Umschlägen laut Wikipedia. Hier sind die wichtigsten Werke rumänischer Autoren erschienen – von Marin Preda über Liviu Rebreanu bis zu Ion Creangă. Den bekannten Titeln hat Julien Britnic auf äußerst kreative Weise passende Bilder hinzugefügt. Zum Beispiel befindet sich auf dem Umschlag von Camil Petrescus Roman „Patul lui Procust“ ein IKEA-Bett. Die Idee von Britnic fanden die Vertreter des Goethe-Instituts Bukarest so gut, dass sie den Künstler baten, entsprechende Buch-Cover für deutsche Klassiker zu liefern. 15 Buchumschläge für bekannte Werke, von Goethes „Faust“ bis zu Fontanes „Effi Briest“ enthält die Ausstellung. Während man sich die Covers anschaut, muss man immerzu lächeln. Außer den vielen Assoziationen mit Facebook oder Ebay (wo Faust seine Seele verkauft), gibt es Anspielungen auf bekannte TV-Serien oder Filme. „Effi Briest“ wird zu „Desperate Housewifes“,„Nathan der Weise“ wird zum Yoda aus der bekannten Serie „Star Wars“ und „Die Verwandlung“ von Kafka wird zu „Transformers“.

Die Besucher müssen mitmachen

Die Bücher mit den modernen Umschlägen enthalten fast nur leere Seiten. Auf der ersten Seite werden drei Fragen gestellt. Die Besucher der Ausstellung haben die Möglichkeit, kreativ (mit Worten, Symbolen oder Zeichnungen) auf diese Fragen zu antworten. Warum soll man noch klassische Literatur lesen? Welche Verbindung sehen Sie zwischen Umschlag und Titel des Buches? Welche gedanklichen Assoziationen haben Sie zu dem Titel „Berlin Alexanderplatz“? Die Veranstalter hoffen, dass ihnen die Antworten der Leser wichtige Informationen über das Leseverhalten im Zeitalter von Facebook und WhatsApp liefern werden. In manchen Büchern kann man schon die ersten Antworten der Leser finden. „Ich habe keine Zeit zum Lesen, da ich meine Freizeit am liebsten online verbringe. Aber das wird sich sicher einmal ändern. Ich finde, das Thema des Romans ist sehr spannend“, schreibt eine Schülerin ins Buch „Effi Briest“. Britnic selbst meint, dass er gerne mit Klischees spielt. „Viele Figuren auf den Buch-Covers sind für die junge Generation beson-ders populär. Die Jugendlichen sind an diesen Figuren mehr interessiert als an dem, was der Lehrer sagt“, meint der Künstler. Das ist auch der Fall der deutschen Buchumschläge: Andeutungen auf Spiele wie „Angry Birds“ und „Candy Crush“ oder auf die Social-Media Plattform Facebook, die besonders bei Jugendlichen sehr beliebt sind, sollen den jungen Leuten klar machen, dass die Themen der klassischen Literatur auch im Internet-Zeitalter hochaktuell sind. Alle Bilder haben großen Erfolg, kursieren erfolgreich im Internet oder touren im Rahmen von Ausstellungen durchs Land. In Kronstadt kann man die Ausstellung bis zum 10. Oktober (Montag bis Freitag, zwischen 11 und 16 Uhr) in der Bibliothek des Deutschen Kulturzentrums besuchen. Besonders für Deutschlehrer wären Besuche mit Schulklassen zu empfehlen. Mehr Informationen unter www.kulturzentrum-kronstadt.ro oder auf der Facebook-Seite des Deutschen Kulturzentrums.