Die Bescherung läuft auf Hochtouren oder wie die Koalition das Volk ruhigstellt

Kann Präsident Johannis den Rechtsstaat vor der PSD-ALDE-Restauration verteidigen?

Symbolgrafik: pixabay.com

28 Mitglieder zählt die von PSD-Chef Liviu Dragnea wohl eigenhändig aufgestellte Regierungsmannschaft, 171 Seiten lang ist das Programm des sozialliberalen Kabinetts; dass der wahre Premierminister der PSD-Vorsitzende und nicht Sorin Grindeanu ist, das bezweifelt niemand. Genauso wäre es wohl gewesen, wenn Staatspräsident Klaus Johannis den ersten Vorschlag der PSD-ALDE-Koalition akzeptiert und Sevil Shhaideh mit der Regierungsbildung beauftragt hätte.
 

Liviu Dragneas Traumregierung

Kurz: Dragnea hat sich ein Kabinett zusammengebastelt, auf das er bauen kann. Entweder sind es enge Vertrauensleute, wie eben Sevil Shhaideh, die nun als Vizepremierministerin über das Mammutministerium für Entwicklung, Verwaltung und Fördermittel verfügen darf, oder die quasi-unbekannte Innenministerin Carmen Dan, eine Vertraute aus Dragneas Zeiten in Alexandria. Und dann gibt es auch die skandalträchtigen Figuren, zum Beispiel den bereits kompromittierten Landwirtschaftsminister Petre Daea, der früher zugunsten seiner Geliebten bei einer Regierungsstelle zu intervenieren wusste und dabei von seiner Gattin der Lächerlichkeit preisgegeben wurde, oder die Arbeitsministerin Lia Olguţa Vasilescu, Bürgermeisterin in Craiova, früher glühende Anhängerin von Corneliu Vadim Tudor und Meisterin im Kampfsport. Und den Justizminister Florin Iordache, einen studierten Mechanikingenieur, der später ein Faible für das Rechtswesen entwickelt hat.

Nicht vergessen darf man den 76-jährigen Außenminister Teodor Meleşcanu, der lebende Beweis, dass alte, vor 1989 geknüpfte Seilschaften noch bestens funktionieren. Der Mann zählte zu der etwas besseren Sorte von Karrierediplomaten, die der rumänische Kommunismus irgendwann brauchte und ihnen deshalb auch ein Auslandsstudium gönnte. Der Segen des Auslandsgeheimdienstes vorausgesetzt. Nun, Meleşcanu hat bereits zwischen 1992 und 1996 unter Präsident Ion Iliescu und Premierminister Nicolae Văcăroiu als Außenminister gedient, dann gründete er die längst vergessene Hosentaschenpartei ApR (Allianz für Rumänien), landete irgendwann bei den Liberalen und ging schließlich zur ALDE über, die ihn nun wieder zum Außenminister macht. In der Zwischenzeit durfte er das Verteidigungsministerium (2007 - 2008) und auch den Auslandsgeheimdienst (2012 - 2014) leiten, diesem hat er wohl immer treu gedient. November 2014 war er neun Tage lang Außenminister, nur um die in Paris vor dem Wahllokal in der Botschaft ausharrenden Rumänen nach Nancy zu schicken, die Stadt sei schön und im dortigen Konsulat könnte man auch schnell den neuen Präsidenten wählen. 385 Kilometer sind es von Paris nach Nancy.

Rumäniens regierende Koalition hält also nur wenig von der Außenpolitik, Grindeanu und Meleşcanu können kaum ein gutes Image in Europa und der Welt liefern, die außenpolitische Isolation des Landes wird, wie die Deutsche Welle unlängst bemerkte, eher zunehmen. In guter rumänischer Manier konzentriert man sich auf die Innenpolitik, was in der weiten Welt so alles geschieht, interessiert uns hier, im grünen Karpaten-Garten, kaum.

Zurück aber zur Regierung Dragnea (Grindeanu). Das Deutungsmonopol über das Regierungsprogramm der Sozialdemokratischen Partei liegt zweifelsohne in der Parteizentrale, Hüter des Monopols ist und bleibt der vorbestrafte Liviu Dragnea. Der Mann, ein Stratege, der unter Umständen nur von Traian Băsescu zu konkurrieren ist, sagte es von vornherein klipp und klar: Setzt die Regierung das Programm um, bleibt sie lange im Amt, setzt sie es nicht um, muss sie die Sessel im Victoria-Palais schnell räumen. Aber ob sie das Programm umsetzt oder nicht, das entscheidet natürlich die Regierungskoalition. Also Dragnea. Formhalber darf Senatspräsident Călin Popescu Tăriceanu seine Meinung zu Protokoll geben, für die ALDE dürfte das mehr als zufriedenstellend sein.
 

Geschenke am laufenden Band

Es regnet Gold über Rumänien, Steuerbefreiungen, Lohnerhöhungen, Vergünstigungen jeder Art sind teilweise bereits verabschiedet worden, andere sind fest eingeplant. Sie werden entweder von dem jungen Kabinett per Eilverordnung oder von den Parlamentskammern per Gesetz angenommen, die satte Mehrheit der PSD-ALDE-Koalition ist nicht zu erschüttern. Das bereits 2016 verabschiedete und von Johannis verweigerte Gesetz zur Aufhebung von nicht weniger als 102 Steuern und Gebühren hat das Parlament in Windeseile erneut angenommen und nach Cotroceni zurückgeschickt, das Staatsoberhaupt musste es nun unterschreiben. Und die Eilverordnung zur Steuerbefreiung aller Rentner, deren Pension weniger als 2000 Lei beträgt, ist bereits im Amtsblatt veröffentlicht worden, genauso wie die Erhöhung des Mindestbruttolohns auf 1450 Lei ab dem 1. Februar. Und per 1. Januar ist der allgemeine MwSt-Satz von 20 auf 19 Prozent gesunken, die Sonderabgabe für Mineralöl und eine Sonder-steuer für Immobilien, beide von der Regierung Ponta eingeführt, sind aus dem Steuergesetzbuch gestrichen worden.

Ob all diese Maßnahmen das eher fragile und mit großen Anstrengungen erreichte makroökonomische Gleichgewicht nachhaltig stören werden oder nicht, ob das Staatshaushaltsdefizit aus den Fugen gerät oder nicht, ob lebenswichtige Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur deswegen aufgeschoben werden müssen oder nicht, das weiß keiner. Besser gesagt: Keiner will es wissen. Obwohl Dragnea und sein Premierminister mehrmals versichert haben, dass nichts Schlimmes passieren wird, der Volkswirtschaft droht keine Überhitzung und die Investitionen werden auch alle getätigt, genauso wie es im Regierungsprogramm nachzulesen ist.

Aber der Wahlkampf ist zu Ende, warum startet die PSD gerade jetzt, wo sie fest im Sattel sitzt, ein derartiges Geschenkkarussell? Renten- und Lohnerhöhungen, höhere Stipendien und zusätzliche Gratisfahrkarten für Studenten, Vergünstigungen für Unternehmer und vieles mehr. Weil sie eine ernste Partei ist, die nun ihre Wahlversprechen eines nach dem anderen einlöst? Tja, schön wäre es.
 

Erste Restaurationsschritte?

Man schaue aber genau hin, zum Beispiel auf die Erklärungen des Justizministers Florin Iordache zur Amnestie. Oder auf einige Entscheidungen des Premierministers, der die Staatssekretäre der Technokraten-Regierung bereits entlassen und nun PSD-Gefolgsleute auf wichtige Ämter berufen hat. Und auf den Beschluss des Bildungsministers, des ehemaligen Ponta-Wahlkämpfers und ASE-Rektors Pavel Năstase, der Schulleiter auch ohne Wettbewerb ernennen möchte und dies bereits in die Wege geleitet hat.
Derartige Restaurationsmaßnahmen, wie sie die regierungskritische Presse nennt, sind im vollen Gange, weitere werden unverzüglich folgen. Das Volk soll aber ruhiggestellt werden, es bekommt ja mehr Geld, es profitiert von Steuerkürzungen und sonstigen Geschenken. Sollte das Strafgesetzbuch abgeändert, sollte ein Amnestiegesetz beschlossen, sollten die Befugnisse der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft beschnitten werden, wird es ruhigbleiben. Sich um all das wohl kaum scheren. Wieso denn auch? Denn im Victoria-Palast sitzt eine Mannschaft, die um das Allgemeinwohl sehr bedacht ist und den Kuchen richtig schön aufzuschneiden und zu verteilen weiß, noch bevor er gebacken ist.
 

Der Präsident als Oppositionsführer

Wer kann, wer muss aber die Regierung in Schach halten? Die parlamentarische Opposition, sprich die Nationalliberale Partei und die Union Rettet Rumänien? PNL und USR sind wohl mit sich selbst beschäftigt, von der PNL ist nicht mehr allzu viel zu erwarten, auch wenn die Interimsvorsitzende Raluca Turcan scharfe Töne gegenüber der PSD anschlägt. Mit Turcan an der Spitze (oder mit Ludovic Orban, der anscheinend für den Parteivorsitz kandidieren möchte) wird sich das von Alina Gorghiu und Kumpanen angestiftete Wahldesaster der PNL wann immer wiederholen, diesmal natürlich als bittere Farce. Und die USR? Noch ist unklar, was aus dieser Partei werden soll, was aus ihr werden kann, auf alle Fälle ist ihr die nötige Aufbauzeit, inklusive der Beilegung verschiedener Grabenkämpfe, zu gönnen.

Bleibt also der Staatspräsident, der bei der Vereidigung der neuen Regierung einen Hauch Ironie an den Tag gelegt hat, der zumindest auf Facebook für Sympathie gesorgt hat und dem von einem gewissen Popularitätsverlust bedrohten Klaus Johannis zusätzliche Likes eingebracht hat. Aber die hohe Politik geschieht nicht auf Facebook, sondern hinter den verschlossenen Türen des PSD-Sitzes auf der Kiseleff-Chaussee. Vielleicht auch im Parlament, in den Fraktionen der regierenden Koalition. Klaus Johannis muss endlich aktiver werden, er muss des öfteren das Wort ergreifen, er darf kein Blatt mehr vor den Mund nehmen. Denn das Wahlergebnis vom 11. Dezember ist teilweise auch ihm zuzuschreiben, nicht nur der kopflosen Führungsschar der PNL.

Und er muss, wie unlängst beim Obersten Rat der Magistratur (CSM), den Rechtsstaat verteidigen. Den wahren, weder den, der Justizminister Iordache und PSD-Chef Dragnea vorschwebt, noch den, den anscheinend die DNA-Chefin Kövesi, Traian Băsescu und die Geheimdienstler bislang praktiziert haben. Sollte sich der Skandal um die Enthüllungen des (mit oder ohne Wissen und Unterstützung der zuständigen Behörden) geflohenen Sebastian Ghiţă erweitern und sich dessen hochbrisante Aussagen auch nur zum Teil bewahrheiten, dann droht Rumänien ein Justizdebakel sondergleichen, ein Kampf um den Rechtsstaat, wie er nicht einmal nach 2004 gefochten wurde. Und in dem Präsident Johannis eine Schlüsselrolle zukommt, der er gewachsen sein muss. Das Volk schiebt währenddessen Einkaufswagen in den Supermarkt und zählt die zusätzlichen Lei, für die es sich natürlich gelohnt hat, der PSD den Einzug in den Victoria-Palast so leicht zu machen.