Die Chance des ländlichen Raums

Beitrag der Landbevölkerung zum BIP muss angehoben werden

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Bukarest (ADZ) – Die Hauptressource zur Steigerung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) Rumäniens liegt im ländlichen Raum, meinen Wirtschaftsanalysten. Die hier buchstäblich schlummernde Arbeitskraft muss geweckt und aktiviert werden, heißt es unter ihnen, denn bislang trägt die Landbevölkerung nur mit 3,65 Prozent zum BIP bei. Um aber einen größeren Beitrag leisten zu können, muss sie besser ausgebildet und überhaupt gebildet(er) werden, denn ansonsten ist ihr Transfer in Richtung Industrie oder Dienstleistungen schwierig bis unmöglich.

„Eine einfache Rechnung zeigt“, so Dan Bucşa, Chefvolkswirt von Unicredit, „dass wir, auch wenn wir laut jüngster Volkszählung nur noch 19 Millionen sind, weiterhin einem sehr hohen Anteil der Bevölkerung haben, die am Land lebt. Und die viel zu wenig zum Nationaleinkommen beiträgt. Das positive Beispiel der EU sollte real Schule machen.“

Laut Bucşa gibt es im ländlichen Raum „Millionen Personen, die fast nichts produzieren – eben jene rund 3,5 Prozent des BIP.  Diese mehrere Millionen Personen könnten in Richtung anderer Wirtschaftszweige verpflanzt werden, wenn sie die entsprechenden Voraussetzungen an Bildung mitbringen.

Uns täten Reformen Not, die von anderen Staaten der Region bereits vollzogen wurden. Dazu gehört ein lockererer Steuerrahmen für Investitionen im ländlichen Raum und in Kleinstädten, Investitionen in die Infrastruktur zur Förderung höherer Mobilität, staatliche Investitionen am Land. Solange das nicht passiert, bleiben wir bei einem Wachstumspotenzial von zwei bis drei Prozent – wenn es gut geht.“

Valentin Lazea, Chefvolkswirt der Nationalbank BNR: „Ich bin absolut einverstanden mit Dan Bucşa. Rumänien hat ein unglaubliches – und kostengünstiges – Potenzial an Arbeitskräften im ländlichen Raum, aber in den letzten Jahren verschärft sich deren Bildungsmanko – oder zumindest ein Manko an qualitativ guter Bildung. Wir leisten es uns in Rumänien, dass etwa ein Drittel der Bevölkerung fast nichts leistet. Zahlenmäßig könnte man zwar von einem BIP-Potenzial sprechen, aber das menschliche Kapital lässt viel zu wünschen übrig,“ sagte Lazea.

Zum Bildungsmangel habe laut Lazea auch der nach 1990 durchgesetzte Verzicht des Staates auf Zuteilung der Hochschulabsolventen aufs Land geführt. Nach 20 Jahren habe man am Land „nur noch Überreste des ehemaligen Unterrichts- und Gesundheitswesens“.

Lazeas Lösung: „Der Staat sollte Hochschulstudienplätze subventionieren für Jugendliche vom Land, die sich verpflichten, nach Hochschulabschluss zumindest für eine Periode aufs Land zurückzukehren. Widrigenfalls sollen sie die Studiengebühren nachzahlen.“

Ursprünglich hat Ionu] Dumitru, Chefvolkswirt der Raiffeisen-Bank, als erster die Frage des Arbeitskräftepotenzials vom Land aufgeworfen, ein Hauptfaktor zur Festlegung des potenziellen BIP. Er war von der Eurostat-Prognose ausgegangen, derzufolge 2060 die Bevölkerung Rumäniens weiter geschrumpft und hoffnungslos überaltert sein wird.

Die Volkswirte der wichtigsten Banken Rumäniens gehen von einer potenziellen jährlichen Steigerung des BIP von ein bis dreiProzent aus, „wenn alles vorhersehbar läuft.“ Dazu müssen die EU-Gelder besser aufgenommen und die Ressourcen der inaktiven Bevölkerung aktiviert werden.

Adrian Mitroi, Strategiendirektor von MKB Romexterra: „Ich halte weder EU-Fonds für entscheidend, obwohl sie eine wichtige Multiplikatorenfunktion haben können, noch allzu umfangreiche Bildungsoffensiven, obwohl diese unterstützend sein können. Auch Bankenanleihen oder Anleihen vom internationalen Kapitalmarkt sind eher erschwerend.

Für das Wichtigste, einschließlich für die Stärkung und Entwicklung der Banken, halte ich die Emission von Obligationen zu fest gebundenem Zweck, etwa für die grüne Energiewirtschaft und/oder erneuerbare Energien. So entstehen Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum.“