Die dankbare Aufgabe eines DAAD-Lektors

Thomas Schares war fünf Jahre lang Lebensbegleiter für Studenten

DAAD-Lektor Thomas Schares (vorne) mit Prof. Dr. George Guţu in der Fremdsprachenfakultät
Foto: privat

„Tsch”: Das ist das Kürzel im Stundenplan des Germanistiklehrstuhls der Fremdsprachenfakultät an der Universität Bukarest (UB), das die Vorlesungen und Seminare des DAAD-Lektors (DAAD, Deutscher Akademischer Austausch Dienst) Thomas Schares ankündigt. Diese Buchstabenkombination erscheint aber in diesem Semester zum letzten Mal, denn die Aufenthaltsperiode des Lektors geht zu Ende. Lehrveranstaltungen hat er bisher sowohl für Bachelor- als auch für Masterprogramme übernommen: Die rumänischen Studenten, die Germanistik studieren, betreute er in Fächern, die zur Sprachwissenschaft gehören, wie Sprachgeschichte, Lexikologie, Semantik oder Mediävistik.

„Ich habe nur ein paar Wochen oder ein paar Monate, die ich noch hier sein kann – ein paar Monate, das klingt besser. Wir haben eine sehr schöne Zeit in Rumänien verbracht. Und auf verrückte Art und Weise ist mein Sohn ein echter Bukarester.” Danach wird seine mündliche Darlegung kurz unterbrochen: Thomas Schares macht ab und zu eine Denkpause, ansonsten erzählt er fließend über seinen fast fünfjährigen Aufenthalt in Rumänien. Wahrscheinlich will er seinen eigenen Erfahrungen möglichst treu bleiben. Man übernimmt also die Rolle eines Zeugen, der Schritt halten möchte mit dem innerlichen Geschehen, den Gedankenabläufen des Gegenüberstehenden.

2008 hat Thomas Schares die Stelle als DAAD-Lektor an der Universität Bukarest übernommen. Vorher hat er in Deutschland an verschiedenen Projekten, unter anderem als Forscher für das Goethe-Wörterbuch oder das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm gearbeitet. Mit dem Letzteren befasst sich auch seine Doktorarbeit. Seine Karriere im Bereich der Germanistik hat er ergänzt mit Auslandserfahrungen. Thomas Schares erweckt den Eindruck eines praktisch veranlagten Menschen. Ganz am Anfang macht er klar, dass sein Ankommen in Rumänien die berufliche Möglichkeit war, für die er sich entschieden hat: „Das war natürlich eine Wahl, das war meine Entscheidung und keine Entscheidung von oben.” Eine Entscheidung wurde ganz bewusst und gewollt getroffen – vorher war er bereits viele Male in Rumänien. Außerdem betrachtete er die Stelle als DAAD-Lektor auch als eine Chance, „die man nicht oft bekommt, richtig intensiv in eine andere Sprache hineinkommen zu können.”

In einem neuen Land muss man auch neue Kompetenzen erwerben. Das könne man als lästig empfinden, weil das anders sei, als das, was man kennt, oder aber als etwas Positives, erklärt er. Dass man in einem anderen Land ist, heißt auch nicht, dass man unbedingt das „Deutschsein” ablegen und rumänisch werden muss, verdeutlicht Thomas Schares. „Ich denke, man sucht sich da klugerweise vielleicht eigene Überlebens- und Umgangsstrategien. Man kommt nicht nach Rumänien, um Rumäne zu werden.“

Beeinflussen...

Bei den rumänischen Studenten, mit denen er in den letzten fünf Jahren gearbeitet hat, bemerkt er die Tendenz, dass sie selbstständiger und aktiver werden: „Ich habe immer versucht, meinen Studenten beizubringen, dass man kritisch sein darf und soll. Das ist für mich immer ein wichtiger Punkt gewesen und ich habe mittlerweile den Eindruck, dass die Nachricht ankommt, nicht bei allen, aber es werden immer mehr“, sagt der DAAD-Lektor.
An der Uni hat man aber nicht nur mit guten Studenten zu tun: Die Ausredekultur ist dabei für Thomas Schares das Lustigste, was er hier kennenlernte. Außerdem versteht der Hochschullehrer auch nicht das Konzept, das einem Studium hierzu-lande zugrunde liegt: dass Studenten parallel an mehreren Unis eingeschrieben sind. Seine Kritik richtet er aber nicht an die Studenten, sondern an das Ministerium.

Mit der Tendenz, selbstständiger zu werden, wächst auch der Wunsch mancher junger Leute, im Ausland zu studieren. Das (Germanistik-) Studium könnte beispielsweise ein erster Schritt für eine Fortbildung im deutschsprachigen Raum sein. DAAD-Lektor Thomas Schares betrachtet sich als erster Ansprechpartner für diejenigen, die eine Hochschulkarriere planen. Mit einem (DAAD-)Stipendium haben sie die Möglichkeit, ihre Hochschulkarriere international aufzubauen. Das Gegenteil dieses Wunsches ist die Angstvorstellung der Studierenden vor einem Aufenthalt im Ausland. Damit muss sich auch der DAAD-Lektor konfrontieren.

Eine solche Entscheidung, die jeder für sich selbst trifft, ist ein Schlüsselmoment im Leben der jungen Menschen. Genau diesen Aspekt sieht Thomas Schares als wichtigen Teil seiner Aufgabe: Er bietet Begleitung an, denn diese Entscheidung ist für viele ein wichtiger Schritt zum Erwachsenwerden. Thomas Schares empfindet sich bei solchen Gesprächen nicht mehr als einfacher Hochschullehrer: „Man wird ein bisschen zum Lebensbegleiter, zum Erzieher, und versucht jungen Menschen ein wenig auf ihrem Weg zu helfen.” So gesehen sei das auch eine sehr schöne Aufgabe, keineswegs eine lästige. Die Studierenden werden ermutigt, ein paar Wochen auf einen Sommerkurs zu gehen. Dadurch lernen sie ein Umfeld im anderen Land kennen und sehen, ob sie zurechtkommen, ob sie sich da vielleicht wohlfühlen: „Die Arbeit mit den Studenten, an den Studenten, wenn man so sagen darf, ist das Beste, außerdem, dass man in dieser Zeit etwas in manchen Köpfen hinterlässt. Es ist eine dankbare Aufgabe, besonders wenn man zu sehen bekommt, was aus den Menschen geworden ist.” 

Einige Studenten schaffen es, eine akademische Laufbahn in Deutschland einzuschlagen. Beispielsweise erwähnt er eine ehemalige Studentin, die jetzt im Ausland ist. Durch den DAAD erhielt sie ein Masterstipendium in Deutschland. Nach dem Abschluss wurde ihr eine Stelle für die Promotion angeboten. „Sie wird dort Karriere machen, was schade für Rumänien ist, aber natürlich toll für das Mädchen selbst. Aber aus meinem Erleben heraus sind das Einzelfälle, die Tendenz zum Weggehen aus Rumänien ist nicht allzu stark. Es gibt viele, die überhaupt nicht die Absicht dazu haben”, erklärt er weiter.

... und beeinflusst werden

Die Hauptstadt erklärt Thomas Schares als den besten Teil Rumäniens, vielleicht wegen winziger Kleinigkeiten – den Glücksmomenten, die er hier erleben konnte. Die Architektur der angenehmen Stadt, in der er sich inmitten des Geschehens fühlt, schätzt er besonders: „Es gibt keinen Stil, den man in Bukarest nicht finden kann. Und es gibt Stile, die man nur in Bukarest finden kann”, meint er. Das bedeute aber nicht, dass andere Städte weniger schön sind. Hermannstadt/Sibiu und Konstanza/Constanţa seien wunderbare Orte und hätten ihren eigenen Charme.
„Meine Aktivität als DAAD-Lektor war für mich bisher die schönste Tätigkeit, die ich in meinem Leben machen durfte, etwas, was mir wirklich viel gebracht hat, fachlich und menschlich. Ich bin hier ein ganz anderer Mensch geworden. Das sind vielleicht die wichtigsten Jahre meines Lebens, die besten, die ich erleben durfte”, schlussfolgert er. „Aber DAAD-Lektoren kommen und gehen”, fügt er mit Bescheidenheit hinzu.