Die fatale Nabelschnur

Welche Rettungsaussichten gibt es für das Reschitzaer Maschinenbauwerk?

Neue Hoffnung für das Maschinenbauunternehmen Reschitza: Noch in diesem Monat soll in Indien ein Auftrag über 30 Millionen Euro zum Bau von 30 Hydrogeneratoren unterzeichnet werden.

Eine Tagung der Kommission für Sozialen Dialog der Präfektur zum Thema Reschitzaer Maschinenbauwerk UCMR gab es noch nicht. Aber die Spitzengewerkschafter, die dies vom Präfekten mit leiser Drohgebärde gefordert hatten, nahmen an der Beratung teil, bei der hauptsächlich der Insolvenzverwalter, Remus Borza, das Wort hatte.

Dass sich die Teilnehmer der Informationsveranstaltung ausgerechnet im Museum des Werks trafen, hat für Außenstehende einigen Symbolwert. Was die Teilnehmer betrifft: In ihrer Zusammenstellung hat man dem Rechnung getragen, was die Gewerkschafter suggeriert hatten – Parlamentarier, die Unternehmensleitung, die Lokalpolitik, die Insolvenzverwalter, die Steuerbehörde, der Präfekt, der Bürgermeister der Stadt und Spitzenvertreter des Kreisrats.

Nicht zufällig haben Hidroelectrica und UCM Reschitza denselben gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter: Remus Borza. Die beiden Unternehmen sind stärker miteinander verwoben, als einem unter Umständen lieb sein dürfte. Denn geht es einem von ihnen schlecht – etwa dem heruntergewirtschafteten staatlichen Hydroenergie-Monopolisten – dann muss es unweigerlich auch dem größten Zulieferer und Instandhalter der rumänischen Wasserkraftwerke, UCMR, schlecht gehen.

Das war die Schlussfolgerung, die der gerichtlich bestellte Insolvenzverwalter Borza vor versammelter Interessengemeinschaft zur Rettung von UCMR nach der gut einstündigen Präsentation zog. Borza suggerierte auch, dass demnächst sowohl die Leitung des Maschinenbauwerks als auch sein Insolvenzverwalter ersetzt werden könnte, was zu einem leichten Rumoren in der Zuhörerschaft führte, zumal Dan Obădău, der Generaldirektor von UCMR, seit Jahrzehnten zur Führungsriege des Maschinenbauwerks (oder von Teilen davon, wie etwa dem inzwischen von UCMR einverleibten Getriebewerk RRR Reschitza Renk) gehört.

Nabelschnur Hidroelectrica-UCMR

In seiner Präsentation holte Remus Borza weit aus. Er analysierte die Lage des Reschitzaer Maschinenbauwerks in den vergangenen drei Jahren: „Es gibt eine offensichtliche gegenseitige Abhängigkeit zwischen Hidroelectrica und UCMR.“ Damit bestätigte er, was ohnehin alle wussten. „UCMR ist der wichtigste Zulieferer von hydroenergetischen Ausstattungen für Hidroelectrica. Von den 590 Aggregaten, die Hidroelectrica in Betrieb hat, stammen 473 aus Reschitza, aus diesem Werk. Hidroelectrica ist gegenwärtig der einzige Abnehmer der Wasserkraftwerksausrüstungen, die Reschitza erzeugt, was auch heißt, dass der UCMR-Umsatz zu 99,3 Prozent von Hidroelectrica abhängt. Und das ist eine Abhängigkeit, die zu einem Desaster werden kann!”

Das weiß man in Reschitza/Reşiţa und hat über die Jahre immer wieder versucht, von dieser fatalen Nabelschnur zur staatlichen Hidroelectrica loszukommen, mal mit Aufträgen aus der Türkei, mal aus Indien, mal aus Südamerika. Doch erhielt man diese Auslandsaufträge nie so kontinuierlich (was auch zur Bequemlichkeit in der Auftragsbeschaffung verführte) wie die Aufträge von Hidroelectrica aus dem eigenen Land, was natürlich auch die Montage und Wartung viel einfacher gestaltete.

Denn die Branche neigt dazu, dem Produzenten auch die Wartung anzuvertrauen, was bei weit entfernten Kunden wegen der Reise- und Aufenthaltskosten teuer wird.

Trotz alldem: Noch in diesem Monat unterzeichnet ein Team von UCMR in Indien einen Auftrag über 30 Millionen Euro zum Bau von 30 Hydrogeneratoren – womit die Gefahr einer neuerlichen Entlassungswelle im Reschitzaer Maschinenbauwerk vorerst gebannt sein dürfte.

Heraus aus dem Baisse?

In den letzten drei Jahren, die Borza für die Versammlung analysierte, gab es im Reschitzaer Maschinenbauwerk erst einen betonten Abwärtstrend: 2009 lag der Umsatz bei 169 Millionen Euro, 2010 bei 121 Millionen Euro. 2011 gab es einen leichten Aufwärtstrend, aber noch keine echten Anzeichen der Überwindung der Baisse: Der Jahresumsatz lag bei 123 Millionen Euro. Wenn denn im November 2012 der Vertrag mit Indien tatsächlich unterschrieben wird, liegt die Umsatzprognose für 2012 bei über 130 Millionen Euro – und erst das könnte als Beginn einer Hausse angesehen werden.

Remus Borza dämpfte aber sofort jeden Anflug von Erleichterung mit der Prognose, dass ein höherer Reingewinn als rund eine Million Euro auch dabei nicht herauskomme, und das ist bei einem Schuldenstand von 190 Millionen Euro recht entmutigend. Borza führte auch die Haushaltsvorhaben von Hidroelectrica für das laufende Vierteljahr an, die direkt UCMR betreffen: 20,5 Millionen Lei für laufende Instandhaltungsarbeiten an den Aggregaten und 17 Millionen Lei für Neuinvestitionen. „Insgesamt rechne ich bei UCMR mit einem Anstieg des Nettoumsatzes von rund sieben Millionen Euro gegenüber 2011”, verkündete Borza.

Reorganisation mittels Investitionen

Die Unternehmensreorganisation bei UCMR verfolge in erster Linie – hier war Borza ganz gerichtlich bestellter Insolvenzverwalter, der die Interessen der Gläubiger (in erster Linie des Staates als Nutznießer der Steuerzahlungen) vertritt – den Abbau der 190 Millionen Euro „historische Schulden”, von denen 110 Millionen Euro allein auf die staatliche Steuereintreibe- und -verwaltungsbehörde ANAF entfallen.

Und an dieser Stelle ließ Borza die Aussage fallen: „UCMR kann nicht allein durch sein besseres Funktionieren diese Passiva tilgen, denn unter den gegenwärtigen Umständen wird kaum je ein größerer Jahresprofit als eine Million Euro möglich sein.” Borza sprach es zwar nicht offen aus, ließ so aber durchblicken, dass der Staat Schulden erlassen muss, wenn das Werk gesunden soll.

Zum Thema Reorganisation nannte Borza das Aufgeben der Tätigkeiten in den Riesenhallen am Standort Câlnicel (gegenüber dem Kaufhäuserkomplex rund um „Kaufland”, an der Einfahrt aus Temeswar), Retechnologisierungen (die jüngsten UCMR-Präzisionsmaschinen stammen aus den 1980er Jahren), Verminderung des Ausschusses und Investmentankurbelung. Aus der Aufzählung ist ersichtlich: Der gegenwärtige Insolvenzverwalter schließt gewisse Konzessionen bezüglich des Finanzgehabes, die in seine Verantwortlichkeit und Kontrolle fallen, nicht aus.

Aber auf alle Fälle sei zu vermeiden, dass der Fiskus und die Gläubigerbanken Gesellschaftsanteile, also ein zu großes Mitspracherecht in der Unternehmensführung, bekommen. Eine ungewöhnliche Aussage seitens eines Insolvenzverwalters.

Man müsse die Idee einer gemeinsamen Zukunft von UCMR und Hidroelectrica vertiefen. Und in diesem Kontext sei auch eine neue Verstaatlichung des Reschitzaer Maschinenbauwerks („durch das Wirtschaftsministerium”) und der anschließende Neuverkauf nicht auszuschließen, stieß der Insolvenzverwalter in ungeliebte Gefilde vor.

Dynamik durch Personalverjüngung

Nicht zuletzt: „Wir brauchen Veränderungen, eine Verjüngung, mehr Dynamik, Jugend! Die Zeit ist gekommen, dass auch in diesem Werk die Weisen einen Schritt zurücktreten und den Jüngeren Platz machen!“ Diese Anspielung auf das, was in China gegenwärtig auf der Tagesordnung steht, war für alle Anwesenden ziemlich durchsichtig. Borza weiter: „Herr Obădău wird den Staffelstab an Herrn Cosmin Ursoniu weitergeben, bleibt aber der verlängerte Arm des Insolvenzverwalters im Reschitzaer Maschinenbauwerk. Nicht auszuschließen ist auch, dass das Konsortium der Insolvenzverwalter, auf Wunsch des Hauptgläubigers ANAF, UCMR verlässt und ersetzt wird.

Das ist zwar eine idiotische ANAF-Order, aber der Hauptgläubiger kann eben, laut Gesetz, auf Gutdünken eigene Vertrauenspersonen als Insolvenzverwalter einsetzen. In diesem Fall sind es auf Insolvenzverwaltung spezialisierte Firmen aus Pite{ti, wie aus einer ANAF-Meldung herauszulesen ist.“
Die Entscheidung von ANAF vom 30. Oktober 2012 hat zwar beim für Hidroelectrica und UCMR zuständigen Gericht in Bukarest bereits 27 Einsprüche anderer Gläubiger und sogar der Insolvenzunternehmen hervorgerufen, und es wird noch seine Zeit dauern, bis das Gericht dieses Volumen an Einsprüchen abgearbeitet hat, „aber es steht eine Veränderung im Raum”, wie es Remus Borza formulierte.

Die Meinung der Anwesenden, auch unter dem Eindruck der manchmal kryptischen Ausführungen des Insolvenzverwalters, fasste Senator Iosif Secăşan zusammen: „Das ANAF-Vorgehen ist ungerecht und unmoralisch, wenn man die bisherigen Ergebnisse betrachtet.“ Auch UCMR-Generaldirektor Dan Obădău meinte: „Die Absetzung des Insolvenzverwalters ist etwas Idiotisches und kontraproduktiv. Weil es gut zu laufen begann, sollten wir weiter in Ruhe unsere Arbeit verrichten können. Warum greift da die Regierung nicht ein?“ Senator Secăşan versprach, das anzuregen.