Die Fernbedienung entscheidet

In der Flimmerkiste ist für jeden etwas vorhanden

In Rumänien gibt es inzwischen eine Vielfalt von Fernsehsendern, die man per Kabel, im Internet oder über die Satellitenschüssel verfolgen kann. Fernsehen scheint ein gutes Geschäft zu sein, egal ob es sich um nationale oder lokale Sender handelt. Alle werden bedient: Die Kinder können pausenlos Zeichentrickfilme sehen (viele inzwischen in rumänischer Synchronübersetzung), und dabei werden interessanterweise auch Werbeblöcke mit Kinderthematik (Spielsachen, Süßigkeiten und Arzneien, Kleidungsartikel usw.) vor allem für die betreuenden Eltern und Großeltern untergebracht.

Jugendliche können zwischen rumänischen oder ausländischen Musiksendern wählen; die Fans der Volksmusik und sogar der Manele haben ihre Sender und können dort gegen Gebühr zudem Grußbotschaften veröffentlichen. Die Sportfans haben nun die Qual der Wahl, denn fast zeitgleich laufen auf dem Bildschirm die spannendsten Fußballspiele der italienischen, englischen, spanischen oder auch der deutschen nationalen Liga. Interessant ist, dass die Vermarktung der Übertragungsrechte für die rumänische Fußball-Landesmeisterschaft in der Hinrunde überhaupt nicht geklappt hat. Jemand hatte sich verschätzt – und ganz auf Pay-per-View, auf bezahltes Fernsehen, gesetzt. Die Rechnung ging jedoch nicht auf, und nun sind laut Eigenwerbung alle Spiele der rumänischen A-Liga „kostenlos“ auf dem noch relativ neuen Kanal Digi zu sehen – vorausgesetzt wird natürlich ein Kabelfernsehabonnement.

Auch wer Dokus verfolgt, hat eine reiche Auswahl: von Kanälen mit dem Schwerpunkt Geschichte über Tierdokus bis hin zu Reisereportagen. Dazu kommen jede Menge Spielfilme, sowohl  Klassiker als auch Neuerscheinungen – diese werden allerdings erst mit zwei- bis dreijähriger Verspätung ab dem Kinostart gezeigt, dann aber oft wiederholt. Und Telenovelas haben nach wie vor ihre Fans, wobei nun auch türkische Produktionen gefragt sind.

Die großen Fernsehsender, die sich an die Allgemeinheit und nicht an ein Nischenpublikum wenden, bleiben, neben der öffentlichen staatlichen Fernsehgesellschaft TVR, Antena 1, Pro TV, Prima und einige weitere mit etwas geringerer Zuschauerzahl. Nachrichten, Spielfilme, ans rumänische Publikum angepasste Unterhaltungssendungen, diverse Wettbewerbsshows (darunter Tanzwettkämpfe, Kochduelle und Castingshows) und Morgenmagazine dominieren das Programm.

Das öffentliche Fernsehen hat es unter diesen Umständen nicht leicht. Es kopiert oder übernimmt diverse Sendungskonzepte, die eher kommerziell ausgerichtet sind. Dabei dürfen sie jedoch nicht jene Bereiche vergessen, die kein Millionenpublikum vor den Fernseher locken, etwa Kulturprogramme und Sendungen für die nationalen Minderheiten.

Ein besonderes Kapitel stellen die Nachrichtensender dar. Wer gedacht hätte, Politikverdrossenheit, Skan-dale oder endlose Verleumdungen würden das rumänische Fernsehpublikum von politischen Sendungen vergraulen, hat sich geirrt. Talkshows mit Politikern, sogenannten Analysten, Journalisten und anderen ständigen Studiogästen haben ihr festes Publikum. Jeder weiß, mit geringen Ausnahmen, welches die beliebtesten Angriffsziele und Themen eines Senders sind; ob er gerade mit der Regierung sympathisiert oder der Opposition Schützenhilfe leistet. Bei der derzeitigen Welle von Verhaftungen, Enthüllungen, Prozessen und Skandalen bieten sich solche Debatten im Studio geradezu an. Nur wird da oft weniger geklärt und sachlich argumentiert als gestritten und ironisch kommentiert. Jeder weiß, welche politische Haltung Antena 3, Realitatea, România TV oder B 1 einnehmen. Man muss nur einen Sender auswählen, um dann das zu hören, was man erwartet, um sich also irgendwie in seinen Meinungen über die rumänische politische Szene bestätigt zu fühlen. Digi 24 macht da eine löbliche Ausnahme und scheint ausgewogener in seiner Berichterstattung und Analyse zu sein.

Inzwischen haben auch Zeitungen (z. B. „Adevărul“, „Gândul“) und Nachrichtenseiten (Hotnews, DC News) ihre eigenen Sendungen mit Interviews. Nicht zu vergessen, dass Politiker verstärkt ihre persönlichen Facebook-Seiten nutzen und nicht die klassischen Pressemitteilungen, um schnell und knapp ihre Meinung zu aktuellen Ereignissen zu äußern. Dasselbe tun viele Journalisten inzwischen auf ihren Blogs. Dort fühlen sie sich wohl freier als an ihrem Arbeitsplatz.

Noch freier sollte sich der Fernsehzuschauer fühlen. Wenn ihm eine Sendung nicht gefällt, wenn der Moderator ihm auf die Nerven geht, wenn alles nur Kitsch ist und nichts die Langeweile verscheuchen kann, dann kann man zur Fernbedienung greifen, herumzappen, den Sender wechseln oder einfach den Fernseher abschalten.