Die Freiheit der Christen

Am 31. Oktober oder am Sonntag danach wird in unserer Kirche das Reformationsfest begangen. Mit der Reformation Martin Luthers verbinden wir die Befreiung von der Angst vor dem Feuer der Hölle. Diese Angst war damals sehr groß und allgegenwärtig. Die damalige Machtkirche hatte sie gefördert. Machtstrukturen arbeiten immer mit Angst. Auch kirchliche Machtstrukturen. Denn wer Angst hat, ist gefügig.

Martin Luther hatte das Evangelium als Kraft zur Rettung und das heißt als Kraft zur Befreiung von der Angst wieder entdeckt. Er hat in einer seiner schweren Stunden für sich aufgeschrieben: „Ich bin getauft.“ Und damit hat er gemeint: „Ich bin Gottes Kind“. Also keine Angst mehr. Niemand und nichts kann mir die Gewissheit nehmen, dass mein Leben zum richtigen Ziele führt und nicht sinnlos sein kann, weil Gott mich in der Taufe als sein Kind angenommen hat.

Papst Johannes Paul II. hat seinen Landsleuten das biblische Wort zugerufen: „Fürchtet euch nicht!“ Das war sehr sinnvoll und nötig in der Zeit der kommunistischen Diktatur, die sehr viel Angst verbreitet hat. Auch die jetzige Regierung und mehr noch ihr geheimer Leiter an der Spitze der Partei arbeiten mit Angst. Weil er selbst Angst vor der Gefängnisstrafe hat, lässt er überall in die Strukturen der Justiz eingreifen und verunsichert damit das gesamte Land. Wer Angst hat, verbreitet Angst. Ich sage manchmal, dass in meiner Bibel auf jeder Seite das Wort steht: „Fürchtet euch nicht“. So lese ich jedenfalls die Bibel. Das ist ganz im Sinne Martin Luthers, im Sinne Jesu und des Apostels Paulus.

In dem Bibelwort, über das an diesem Reformationsfest gepredigt wird, ist von der Freiheit die Rede, die den Christen geschenkt ist. Freiheit ist gegeben, wenn keine Macht von außen mich wirklich bedrängen kann. Das Lied: „Die Gedanken sind frei“ setzt die innere Freiheit voraus, die einem niemand nehmen kann. Aber die Bibel und der Reformator haben gemeint, dass unsere Freiheit durch den Glauben mehr aussagt. Wenn man sich Gott anvertraut, fest auf ihn baut, mit seiner Güte und Barmherzigkeit rechnet, ist man ganz frei. Dann lässt man sich auch von der Werbung und von den tausend Angeboten und Verlockungen der Neuzeit nicht mehr verunsichern. Wer sich als Kind Gottes weiß, der muss sich auch vor den Menschen nicht mehr anders geben, als er ist. Er braucht nicht ein großes Auto zu fahren, um zu zeigen, wer er ist oder was er kann, er muss weder sich, noch jemandem etwas vorweisen oder vormachen. Er kann bei der Wahrheit bleiben auch in kritischen Lagen.

Von solchen Überlegungen her habe ich den Predigttext für das Reformationsfest aus dem Galaterbrief, Kap 5,1-6, für uns heute neu geschrieben:

Zur Freiheit hat uns Christus befreit.
Bleibt fest dabei.
Lasst euch nicht Angst machen,
euch nicht verunsichern,
weder durch Drohung, noch durch Werbung.
Ihr seid Gottes Kinder
seit eurer Taufe.
Wir nehmen die Verheißung Gottes ernst,
dass er uns behütet und zum Ziel führt.
Das ist unser fester Glaube.
Er wirkt sich aus in der Liebe
zu allen Menschen.