Die Gemeinschaft im Schatten

Monat der LGBT-Geschichte zum zweiten Mal in Bukarest

Andreea setzt sich aktiv für eine realitätsnahe Wahrnehmung der LGBT-Gemeinschaft hierzulande ein.

Sergiu fühlt sich nach der Teilnahme an der „Lebenden Bibliothek“ viel besser, da er ein positives Feedback von vielen seiner „Leser“ bekommen hat.
Fotos: die Verfasserin

Eine sehr freundliche Atmosphäre herrschte im Bukarester Journey Pub Ende Februar: In einem bunten Raum unter Wattewolken lächelt die 19-jährige Andreea (alias Dante) unbekümmert, als sie belustigt über ihre Erfahrungen berichtet. Den Unterschied zwischen transsexuellen, transgender, intersexuellen, pansexuellen und queeren Menschen erklärt sie schmunzelnd. Insgesamt gibt es 50 Begriffe, die LGBT-Menschen (LGBT steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle) zu kategorisieren versuchen und letztendlich sind auch Andreea, als Mitglied der Gemeinschaft, manche dieser Konzepte unklar. An den anderen Tischen werden gleichzeitig ähnliche aufklärende Diskussionen zu LGBT-Themen geführt. Neben uns ist der 28-jährige Sergiu, der aber eine nicht so fröhliche Lebenserfahrung bisher gemacht hat. Offenherzig erzählt er über die Probleme, mit denen er im Laufe der Zeit konfrontiert wurde: Besonders schwer fiel ihm, seiner Familie zu sagen, dass er schwul ist. Diese Nachricht hat seiner Mutter einen Nervenzusammenbruch verursacht. Einer seiner Brüder ignoriert Sergiu seitdem. Der junge Mann ging lange Zeit durch eine schwere Krise. Seine Mutter will immer noch nichts darüber wissen.

In unzähligen Varianten multipliziert sich diese Geschichte im Raum, wo Homosexuelle ihre Erfahrungen Fremden gegenüber offenherzig kundtun. Wir befinden uns in einer „lebenden Bibliothek“, hier kann jeder „ein Buch lesen“, d. h. mit einer Person aus der LGBT-Gemeinschaft sprechen und mehr zum Thema LGBT erfahren. Andreea und Sergiu sind nur zwei der Volontäre, die im Rahmen des Projektes „Monat der LGBT-Geschichte“ arbeiten. Das Projekt, das vom Verein Accept organisiert wurde, ging Anfang März zu Ende.
„Alle unsere Veranstaltungen werden bei der Polizei und bei der Gendarmerie gemeldet. Wir können keine Veranstaltung organisieren, ohne sicher zu sein, dass alle Teilnehmer in Sicherheit sind. Mit der Polizei arbeiten wir sehr gut zusammen: Bei der Eröffnung des Monats der LGBT-Geschichte waren sechs Polizisten und Gendarmen dabei. Es geht dabei sowohl um die Sicherheit unserer Angestellten und der Volontäre, aber auch um die Sicherheit der Teilnehmer“, erklärt Anne-Mari Necşulescu, die Leiterin der NGO Accept über das vom Verein organisierte Festival: Es besteht immer die Gefahr, dass solche Veranstaltungen boykottiert werden.

Accept ist die erste Nichtregierungsorganisation für Menschenrechte in Rumänien, die seit 1996 die Rechte der lesbischen, schwulen, bisexuellen und transsexuellen Menschen auf nationaler Ebene verteidigt und fördert. Der Monat der LGBT-Geschichte wurde nicht nur in Rumänien, sondern auch in anderen acht europäischen Staaten abgehalten. „Es ist ein Anlass, das LGBT-Leben und die Kultur durch die Erkundung von persönlichen Geschichten zu feiern“, meint Daniela Prisăcariu, die Koordinatorin des Projektes in Rumänien. Den ganzen Monat lang konnten die Interessierten vieles erfahren: Veranstaltet wurden u. a. Filmprojektionen, Ausstellungen, Theatervorstellungen, informelle Diskussionen, Konzerte, Feiern und Werkstätten. Versucht wurde, das Thema LGBT in Rumänien durch Kultur und informelle Erziehung – wie die „lebende Bibliothek“, das Forum-Theater, Labyrinth-Theater, Spoken Poetry – sichtbar zu machen. „Zugleich ist es auch eine Art Fest“, meint Daniela Prisăcariu.

Heuer wurden die Treffpunkte verändert und es gab keine negativen Reaktionen seitens der Gesellschaft. Letztes Jahr wurde eine Filmprojektion im Bauernmuseum von einer Gruppe Rechtsextremisten und Ultranationalisten verhindert. Daniela Prisăcariu erklärt, dass sich die Lage in den letzten paar Jahren leicht verbessert hat: Die Einstellung der Menschen scheint nicht mehr so negativ zu sein. Nicht alle Veranstaltungen, die im Rahmen des Monats der LGBT-Geschichte abgehalten wurden, hat die NGO organisiert, auch andere Institutionen haben Aktionen durchgeführt. Außerdem sind immer mehr Menschen zu den Veranstaltungen gekommen.
Die meisten Besucher der Veranstaltungen sind aus der jungen Generation. Sehr selten kommen Menschen über 40. Diese mussten zur Zeit des Kommunismus ein Doppelleben führen. Jetzt ist das nicht mehr nötig, trotzdem fällt es ihnen schwer, ihre wahre Identität zu zeigen. „Die Leute, die sich an uns wenden, tun das, da sie psychologische und juristische Beratung brauchen. Das erste, was man ihnen versichert, ist Diskretion“, erklärt Necşulescu.

Der Paragraf 200 gehört zur Vergangenheit, die Einstellung nicht ...

Statistiken zeigen, dass wenigstens fünf Prozent der Bevölkerung eines Landes lesbisch, schwul, bisexuell oder trans ist. Das bedeutete für eine lange Zeit hierzulande Haftstrafe: Der Paragraf 200 aus dem rumänischen Strafrecht, der homosexuelle Verhältnisse inkriminierte, wurde  erst 2001 abgeschafft. Das 21. Jahrhundert brachte eine wichtige Veränderung: Ein Gesetz wurde verabschiedet, das die Diskriminierung der Menschen auf Basis ihrer sexuellen Orientierung verbietet. Darüber hinaus wird ein Hassverbrechen gegen einen Homosexuellen noch härter als sonst bestraft.
Trotzdem ist die Lage nicht nur rosig, erklärt Daniela Prisăcariu. „Die Wahrheit ist, dass sowohl Opfer als auch die Vertreter der Behörden sich der positiven Veränderungen nicht bewusst sind. Deswegen werden nur wenige Fälle gemeldet und diejenigen, die gemeldet werden, werden nicht ordnungsgemäß erledigt“, erklärt Prisăcariu. Der Verein bekämpft Intoleranz und Diskriminierung und versucht, Respekt für Menschenrechte und Vielfalt zu verbreiten: Um die Behörden bezüglich dieses Themas besser zu informieren, hat Accept Kurse für Polizisten organisiert. Im Rahmen eines sechsmonatigen Pilotprojektes wurden auch 60 Lehrer trainiert, damit sie besser mit den Fällen umgehen, in denen Schüler wegen ihrer sexuellen Orientierung schikaniert werden. „Da  hierzulande keine Kurse für sexuelle Erziehung angeboten werden, mussten die Accept-Trainier von Grund auf anfangen“, fügt Prisăcariu hinzu.

Auch wenn Homosexualität seit mehr als zehn Jahren nicht mehr illegal ist, bedeutet es nicht, dass sie in unserem Land auch akzeptiert wurde. Den Kampf gegen das Dasein der LGBT-Gemeinschaft im Schatten führt Accept seit nun fast 20 Jahren. In dieser ganzen Zeit wurde hierzulande wenig über Homosexualität geschrieben. Es war schon immer ein Thema, das entweder vermieden wurde oder für lauten Eklat sorgte. Abgesehen von den von Accept organisierten Ausstellungen gibt es wenige kulturelle Produkte zu diesem Thema. In anderen Ländern hat es viel geholfen, dass Persönlichkeiten sich der Öffentlichkeit als schwul oder lesbisch gezeigt haben. In Rumänien gab es kaum Beispiele. Die LGBT-Gemeinschaft lässt sich oft nicht sehen. Viele trauen sich noch immer nicht, ihre wahre Identität zu eröffnen. Sie bleiben im Schatten, wo sie wenigsten das Gefühl der Sicherheit haben.