„Die Gesellschaft von morgen kann nicht leistungsfähiger als die heutige Bildung sein“

Bildungskongress in Bukarest abgehalten

Christiane Cosmatu, Unterstaatssekretärin im Departement für Interethnische Beziehungen, sprach über den Unterricht in den Sprachen der Minderheiten.

Schüler konnten sich in die „Klasse der Zukunft“ versetzen.
Fotos: Aida Ivan

100.000 Kinder von sechs bis 16 Jahren gehen nicht in die Schule, Schüler mit sehr schwachen Schulleistungen werden trotzdem in die nächsthöhere Stufe versetzt, das Budget ist zu klein und es gibt kein interaktives System zwischen dem Bildungs-, Wirtschafts- und Sozialbereich.

Kann man über gute Qualität im rumänischen Schulwesen sprechen? Strengen sich wirklich alle Beteiligten genug an, damit gute Ergebnisse im Unterricht erzielt werden? Sind die rumänischen Schüler eigentlich nur Mittelmaß? Wie verhindert man den Schulabbruch? Und wie sollen die herausragenden Schüler motiviert werden, das Land nicht zu verlassen? Mit solchen und ähnlichen Streitfragen befassten sich die Teilnehmer am Bildungskongress in der Hauptstadt, der am vergangenen Wochenende stattfand. Der Bildungskongress hatte das  Ziel, ein beständiges Diskussionsforum entstehen zu lassen. Eingeladen zu den Gesprächen im Bukarester Kinderpalast wurden Repräsentanten aus dem Schulwesen, darunter Lehrer, Schulinspektoren und Vertreter der NGOs aus dem ganzen Land, Beauftragte des Bildungsministeriums, des diplomatischen Korps und ausländische Experten – Fachleute im Bildungsressort, die fähig sein sollten, die Probleme des Schulsystems genau zu ergründen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Ein gemeinsamer Einsatz sei nötig und die Verantwortung für die Verbesserung des Schulwesens tragen alle, hob der Bildungsminister Remus Pricopie in der Eröffnungsrede hervor. Insgesamt mehr als 1000 Menschen haben während der zwei Kongresstage an mehr als 20 Vorträgen zu verschiedenen hochaktuellen Themen teilgenommen.

Der Bildungskongress wurde vom rumänischen Bildungsministerium organisiert. Bei der Eröffnung haben Minister Remus Pricopie, der delegierte Minister für Hochschulwesen, wissenschaftliche Forschung und technologische Entwicklung, Mihnea Costoiu, die ehemaligen Bildungsminister Ecaterina Andronescu und Liviu Maior, der Präsident der Rumänischen Akademie, Ionel Haiduc, sowie der finnische Bildungs- und Kulturminister Reijo Aholainen Ansprachen gehalten. Remus Pricopie machte darauf aufmerksam, dass die Verpflichtungen, die mit der Reform des Schulwesens verbunden sind, weit über eine Legislaturperiode hinausgehen. Der finnische Minister erklärte, wie die Schulreform in Finnland abgelaufen ist und wie das finnische System funktioniert. Ein Schwerpunkt wurde auf die Zusammenarbeit mit anderen europäischen Ländern im Bildungsbereich gelegt. Der Minister erwähnte das Abkommen mit Deutschland, das vom Premierminister bezüglich des Unterrichts an Berufsschulen unlängst unterzeichnet wurde. Eine weitere Vereinbarung in demselben Bereich wird mit Österreich und Staaten wie Finnland, Schweden oder Frankreich unterschrieben. Man sei dabei nicht bestrebt, ausländische Bildungsmodelle einfach nachzuahmen, sondern geeignete Lösungsmöglichkeiten für das rumänische Schulsystem zu finden. Die Gesellschaft von morgen könne letztendlich nicht leistungsfähiger als die heutige Bildung sein, betonte  Ecaterina Andronescu.

Der zweitägige Bildungskongress war als zukunftsorientierte Veranstaltung konzipiert. Dementsprechend wurde auch eine Ausstellung unter dem Namen „Die Klasse der Zukunft“ organisiert. Futuristisch aussehende digitale Namensschildchen, iPads, interaktive Tafeln und Laptops sollen die traditionellen Schulbücher, schwarze Tafeln und Kreide ersetzen. Das alles aber schien den realen Bedürfnissen der Schulen oder deren Budget (das sowieso zu klein sei, so der Bildungsminister) nicht wirklich zu entsprechen. Im Rahmen einer Sektion wurde das Thema des Unterrichts in den Sprachen der Minderheiten behandelt, an der u. a. András György Király, Staatssekretär im Bildungsministerium, und Christiane Cosmatu, Unterstaatssekretärin im Departement für Interethnische Beziehungen, teilgenommen haben. Hier wurden die praktischen Unterrichtsaspekte diskutiert. Vorgeschlagen von der ungarischen Seite wurde die Dezentralisierung des Unterrichts. Das rumänische Gesetz räume dem Unterricht in den Minderheitssprachen große Freiheiten ein, meinte András György Király. Laut Verfassung hat jede Minderheit das Recht auf eine Ausbildung in der jeweiligen Muttersprache. Das Bildungsgesetz biete fast grenzenlose Entwicklungsmöglichkeiten für den Unterricht für Minderheiten, hieß es weiter. Informiert wurden die zahlreichen Zuhörer, dass der Unterricht in den Sprachen der Minderheiten strukturell für 15 Minderheiten organisiert wurde.

„Wir brauchen außergewöhnlich kompetente und kämpferische Menschen, sodass wir weiter machen und unsere Identität behalten können“, betonte der Staatssekretär in seiner Rede. „Die Minderheiten sind Brücken zu den anderen Staaten“, meinte Christiane Cosmatu. Sie hob hervor, wie wichtig die akkurate Datenlieferung ist und ermutigte Schulen und das Departement für Interethnische Beziehungen zur Zusammenarbeit. Danach berichteten mehrere ungarische Schuldirektoren über die Lage an den von ihnen geleiteten Schulen. Zu den zahlreichen Beispielen für gutes sachliches Vorgehen im Bildungsbereich in den Sprachen der Minderheiten zählte auch das Goethe-Kolleg in Bukarest, eine Schule mit Tradition, deren Leistungen von Direktorin Cristina Popa präsentiert wurden. In Rumänien gibt es 216 Schulen mit Unterricht in Deutsch als Muttersprache, an denen mehr als 20.000 Schüler lernen. Auch der heikle Aspekt der Roma-Bildung wurde u. a. bei der Tagung  angesprochen: Rumänien ist nach Angaben von  Professor Gheorghe Sarău das erste Land der Welt, in dem es Schulbücher auf Romani für alle Klassenstufen gibt.

Kulturelle Unterschiede sind vorteilhaft – wenn es unterschiedliche Werte, Glaubensvorstellungen und Verhaltensmuster gibt, dann ist ein Austausch von Wissen und Erfahrung möglich. Zur Unzufriedenheit der Vertreter der Minderheiten führte die Tatsache, dass kaum ein Schulbuch, das auf Rumänisch für die Mehrheit der Schüler verfasst wurde, die Existenz von Minderheiten in Rumänien auch nur am Rande erwähnt, was nur als Verlust für die Mehrheit zu betrachten ist.