Die kleine Welt aus dem Bus Nummer 17

Eine Fotografieausstellung über Geschichten zwischen Postwiese und Noua-Viertel

Die Kronstädter Fotografin Alina Andrei fährt täglich mit Bus Nummer 17.

Die Ausstellung kann man im Cafe „Tipografia“ auf der Diaconu Coresi-Straße bewundern.

Eine ganze Personengalerie wurde zusammengestellt. Fotos: Alina Andrei

Es passiert vielen während einer Busfahrt: man beobachtet die Leute um sich herum und denkt sich Lebensgeschichten für sie aus. Man stellt sich etwa vor, dass die alte Dame mit lilafarbenem Hut, die knallroten Lippenstift trägt, in einer Villa mit dreizehn Katzen wohnt. Oder dass der junge Herr mit Blumenstrauß zu seiner Freundin fährt, um ihr einen Heiratsantrag zu machen. Ebenfalls kommt es vor, dass man während einer Busfahrt interessante Gespräche hört. Eine Frau macht am Telefon mit ihrem Freund Schluss. Zwei Rentnerinnen erzählen ihre Lebensgeschichte. Manchmal wird es so spannend, dass man vergisst, auszusteigen.
 

Der Bus Nummer 17 fährt täglich von der Postwiese bis ins Noua-Viertel. Von einer Endstation bis zur anderen braucht er im Durchschnitt, laut Busfahrplan der Kronstädter Verkehrsregie, 29 Minuten. Diejenigen, die die ganze Strecke fahren, verbringen täglich eine Stunde im Bus. In dieser Stunde ereignen sich täglich Geschichten. Etwa die Geschichte eines Hundes, der täglich bei der Postwiese in den Bus einsteigt und bei der Station „Hidromecanica“ aussteigt. Oder eines Rentners, der jeden Sonntag zum Zoo fährt, um die Tiere zu fotografieren.

Die Kronstädter Fotografin Alina Andrei fährt seit vielen Jahren mit dem Autobus Nummer 17. Dabei hat sie hunderte von Geschichten erlebt. Die interessantesten stellt sie in einer sehr originellen Fotografieausstellung vor. Die Kronstädter können die Ausstellung im Oktober an den Wänden des Cafes „Tipografia“ bewundern. Die Technik von Andrei ist ihnen schon seit der Ausstellung „Wenn ich keine Modelle habe, fotografiere ich sie“ bekannt, die vor zwei Jahren zu sehen war. Die Künstlerin hat Portraits der Fahrgäste aus Bus Nummer 17 gezeichnet. Anschließend wurden sie fotografiert. Ähnlich wie in Comics erscheinen in Wortblasen auch die Gedanken der Menschen, oder die Sachen, die sie gesagt haben. Eine gesamte Personengalerie wird dabei zusammengestellt.

„Täglich fahre ich mit dem Bus Nummer 17. Wenigstens zwei Mal, hin und zurück. Das mache ich schon seit dem Kindergarten, also ein Leben lang. Also seit zu langer Zeit. Es waren Jahre, in denen ich sehr müde Leute gesehen habe. Leute, die glücklich waren oder traurig. Ich habe gehört, wie über Liebe gesprochen wurde. Oder über Trennungen. Ja, manchmal war es wie in einer mexikanischen Telenovela. Oder in einem minimalistischen Film der Neuen Welle. Ich habe Schlägereien gesehen, viel Streit, ich habe viele Diskussionen über Politik und Tod gehört. Solche Diskussionen finden vielleicht in vielen Bussen auf dieser Welt statt, aber ich fahre mit Bus Nummer 17 und deshalb ist von ihm die Rede“, meint Alina Andrei.

Auf einem Bild ist eine Frau, die am Telefon redet. „Wenn ich ihn nicht lieben würde, dann wäre ich schon längst weg“, steht in einer Sprechblase über ihrem Kopf. Am unteren Rand des Bildes steht ein Kommentar: „Sie duftete nach sehr starkem Parfüm“. Die Papiermenschen, die in der Ausstellung zu sehen sind, sind Ebenbilder von wirklichen Fahrgästen. „Ich habe vor, kleine Bücher mit allen Geschichten selbst herzustellen und die Bücher im Bus zu lassen. Damit die Geschichte ein Ende hat“, meint Andrei. Über die Ereignisse, die täglich im Bus stattfinden, schreibt sie auch auf Facebook. „Draußen lächeln die Menschen. Aber hier, drinnen, im Bus Nummer 17, haben alle Leute lange Gesichter, die Mundwinkel hängen nach unten. Warum sollten sie lächeln? Sie haben keinen Grund dafür“, schreibt sie am frühen Morgen des 7. September. „Im Bus Nummer 17: Sie wurde zur Hochzeit ihres Ex-Mannes eingeladen. Sie würde gerne hingehen und hat sich sogar ein Kleid dafür gekauft. Bloß hat sie die zukünftige Frau ihres Ex-Mannes gestern an den Haaren gezogen. Das kann sie ihr jedoch verzeihen. Wenn ich und die anderen Fahrgäste Popcorn und Cola gehabt hätten, wäre es wie im Kino gewesen. Bei einem schlechten Film, natürlich“, schreibt sie am Nachmittag des 13. Juli.

Auch während Alina auf den Bus wartet, ereignen sich Geschichten. „Eine Frau mit einer Plastiktasche von Pennymarkt in der Hand: ‘Der Teufel war es, der hat die Überschwemmungen gebracht. Die Leute, die ihr Haus verloren haben, die haben schlimme Sachen gemacht, und jetzt hat der Teufel Wasser aus dem Himmel geschickt.’”

Auf den Bildern der Ausstellung sieht man einen Mann mit Puma-T-Shirt und einen mit Kruzifix, die sich immer bekreuzigen, wenn der Bus an einer orthodoxen Kirche vorbeifährt, Taschendiebe, Verliebte, Leute mit Bierflaschen in der Hand, Leute, die Zeitung lesen und Leute, die sich am Telefon streiten. Dabei erkennt man den einen oder den anderen. Bei der langen Nacht der Galerien, die am 30. September auch in Kronstadt stattgefunden hat, wurde die Ausstellung mit den Menschen aus Bus 17 sehr gut besucht. Dieses Jahr wird sie auch in anderen Städten Rumäniens zu sehen sein. „Sicher gibt es auch dort Busse, in denen sich Geschichten ereignen“, meint Andrei. Die öffentliche Verkehrsregie (RAT) hat von der Ausstellung anscheinend noch nichts erfahren. Es wäre sicher interessant gewesen, die Zeichnungen auf den Bus anzubringen. Dann würden die Fahrgäste mit Sicherheit lächeln.