Die Minderheit hat gewählt

Knapp über 40 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimmen bei den Parlamentswahlen ab

Symbolgrafik: sxc.hu

Die Parlamentswahlen sind vorbei. Das zentrale Wahlbüro rechnet noch eine Weile, danach wissen wir, wie das neue Parlament aussehen wird. Jedoch gibt es bereits jetzt keine Zweifel daran, dass die Sozial-Liberale Union (USL) die Macht in den beiden Kammern haben wird. Desgleichen ist sicher, dass das Volk in den nächsten vier Jahren noch mehr Volksvertreter im Parlamentspalast zu ernähren hat. Trotz des Jubels in einem politischen Lager und der betrübtem Stimmung im anderen, bleiben ein paar Fragen zu den Wahlen offen.

Wer hat gewählt?

Die Wahlbeteiligung ließ auch heuer zu wünschen übrig. Nur knapp über 41 Prozent der Wahlberechtigen machten sich die Mühe, das Wahllokal aufzusuchen. Nun erklären sowohl die Sieger als auch die Besiegten die schwache Wahlbeteiligung mit dem schlechten Wetter. Doch stimmt es überhaupt, dass die Mehrheit der Wähler in den völlig zugeschneiten Häusern sitzen blieb und darum nicht ihr Wahlrecht ausüben konnte? Das ist eher eine rhetorische Frage.
Die Mehrheit der Wahlberechtigten hat einerseits die rumänische Zirkuspolitik satt. Andererseits sahen sich viele Wähler nicht imstande, die USL zu wählen, trotz des Unmuts über die Liberal-Demokratische Partei (PDL), die sich in dieser Wahlkampagne hinter der Abkürzung ARD (Allianz Rechtes Rumänien) versteckte. Des Weiteren merkte man auch bei diesen Wahlen das fehlende Interesse für den Urnengang in Siebenbürgen und im Banat. Überdurchschnittlich groß war die Beteiligung hingegen im Altreich.

Was wurde gewählt?

Diese Frage ist und bleibt für die nächste Zeit die wichtigste. Hat sich überhaupt jemand die Mühe gemacht, die Wahl- und Regierungsprogramme mindestens der beiden großen Wahlallianzen zu lesen? Wenn ja, würde man eine große Gemeinsamkeit von Versprechungen und Projekten feststellen. Folglich würde es rein theoretisch keinen Unterschied geben, welche Partei man gewählt hätte. Denn auf dem Papier wollen alle Parteien und Kandidaten dasselbe. Die Gemeinsamkeit besteht darin, dass sowohl die USL als auch die ARD vieles, was in der Regierungszeit der PDL getan wurde, rückgängig machen wollen. Der Unterschied liegt eben darin, dass die ARD nun das verurteilt, was ihr größter Allianzpartner eingebrockt hat.
Doch geben wir es ehrlich zu, dass die Wahlprogramme in Rumänien wenig bis nichts bedeuten.

Warum hat man gewählt?

Bei diesen Parlamentswahlen ging es weniger darum, für eine Partei zu stimmen. Es waren eher die Wahlen gegen eine bestimmte Partei, beziehungsweise gegen ein etabliertes System. Der Hauptgegner stand zwar bei dieser Kampagne gar nicht zur Wahl, doch stimmten viele gegen den Staatspräsidenten Băsescu und somit auch gegen die von ihm unterstützte Partei, gegen die PDL. Etwas übertrieben könnte man behaupten, auch wenn ein Esel zur Wahl stünde, würde man ihn eher wählen als einen Vertreter der PDL (ARD). Einen gewichtigen Beitrag trug zu den Wahlergebnissen auch das nicht ganz abgeschlossene Referendum vom Sommer dieses Jahres bei. Viele Wähler, die im Sommer für die Absetzung des Präsidenten stimmten, sahen die Parlamentswahlen als eine Möglichkeit, Traian Băsescu mit der Wahl von USL eins auszuwischen. Es sollte der Union also bewusst sein, dass weder ihre Kandidaten und ihre Wahlversprechungen noch ihr Wahlprogramm zum überwältigenden Sieg beitrugen. Das Volk stimmte gegen und nicht für Etwas.

Was folgt?

Man kann nur vermuten, wie es weitergehen wird. Es stehen die Verhandlungen über das neue Kabinett bevor. Der Staatspräsident muss mit der neuen Mehrheit im Parlament und einer eventuellen Suspendierung rechnen. Die USL kündigte die Kandidatur von Victor Ponta als den zukünftigen Ministerpräsidenten an. Diesen sieht der Präsident aber als seinen persönlichen Feind an. Schlägt er diesen nicht für den Posten vor, muss er mit einer weiteren, bereits der dritten Suspendierung rechnen und das Kabinett wird dann vom interimistischen Präsidenten eingesetzt. Der Versuch des Staatspräsidenten, eine Minderheitenregierung zu bilden, wird an der Abstimmung im Parlament scheitern. Nach guter rumänischer Tradition rechnen einige Experten mit einer möglichen Welle der Überläufe von der Volkspartei des TV-Magnaten Dan Diaconescu (PPDD) entweder zur USL oder zur ARD. Eher unwahrscheinlich ist der Wechsel von ARD zur USL oder der Zerfall der Union. Solange die Union einen gemeinsamen Feind im Schloss Cotroceni hat, wird sie trotz der Unterschiede zusammenhalten.

Sicher bleiben einerseits die größere Anzahl der Abgeordneten und Senatoren sowie andererseits die Fortsetzung der politischen Schlammschlacht zwischen den Bukarester Palästen: Cotroceni gegen Sieges- und Parlamentspalast. Diese wird bestimmt nicht zur Beliebtheit der ganzen politischen Klasse im rumänischen Volke beitragen. Vielleicht stimmen dann bei den nächsten Wahlen noch mehr Menschen mit den Füßen ab, indem sie um die Wahllokale einen sehr großen Bogen machen.