Die „Offene Kirche Malkotsch“

Ein Restaurierungsprojekt, das an die Dobrudschadeutschen erinnern soll

So sieht die Kirche von Malkotsch heute aus (Blick vom Turm).

Historisches Foto der katholischen St. Georg-Kirche in Malkotsch

Dipl.-Architekt Sebastian Szaktilla setzt sich für die Rettung der Kirche ein.
Fotos: privat

„Vizitaţi biserica germană“ („Besichtigt die deutsche Kirche“) steht in Großbuchstaben am Straßenrand bei der Ortseinfahrt von Malkotsch/Malcoci. Da wird man schnell neugierig, denn die wenigsten der Touristen die dort, rund sieben Kilometer von Tulcea entfernt, mit dem Auto in Richtung Mahmudia und Murighiol weiterfahren, um dem Sfântu-Gheorghe-Donauarm zu folgen und so dem Delta möglichst nahe zu kommen, wissen wohl etwas über die Geschichte der Dobrudschadeutschen. Wenn sie anhalten und der Aufforderung folgen, werden sie eine Enttäuschung erleben. Das Kirchendach ist eingestürzt, Mobiliar gibt es nicht mehr, Pflanzen wachsen, wo früher Kirchenbänke standen. Die dem heiligen Georg gewidmete katholische Kirche mit ihrem markanten Glockenturm ist eine Ruine. Trotzdem: Sie könnte zu neuem Leben erweckt werden.

Vielseitige, nachhaltige Nutzung

„Ein Erhalt des Bauwerks ist prinzipiell möglich“, heißt es in einem Bericht des Architekten Sebastian Szaktilla. Der Architekt aus Regensburg, der bereits drei siebenbürgisch-sächsische Kirchenburgen mit EU-Finanzierung sichern konnte, engagiert sich nun für die Rettung dieses bedeutenden Kulturerbes der Dobrudschadeutschen. Dafür hat er ein Konzept ausgearbeitet, das unter dem Begriff „Offene Kirche“ eine vielseitige, nachhaltige Nutzung verfolgt: „Wie bei den siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen ist man auch bei den wenigen Kirchen der Dobrudschadeutschen mit dem plötzlichen Wegzug der Gemeinde konfrontiert. Allerdings geschah dieser bei den Dobrudschadeutschen schon vor 75 Jahren und nahezu vollständig. Dennoch gibt es eine kleine, römisch-katholische Kirchengemeinde, die seit langem schon ihre Gottesdienste in einem provisorisch eingerichteten Raum im nahegelegenen Pfarrhaus feiern muss. Das Konzept sieht vor, den Kirchenraum wieder im ursprünglichen Sinne zu nutzen. Die hervorragende Lage von Malkotsch direkt auf dem Weg ins Donaudelta, mit dem von weitem sichtbaren, markanten Glockenturm legt aber auch nahe, das Bauwerk und den Kirchhof als touristisches Ziel in der Region anzubieten. Eine feste Ausstellung soll alle Besucher – insbesondere auch die Nachfahren der Malkotscher – einladen, etwas über das Bauwerk, den Ort und die Geschichte der Dobrudschadeutschen in dieser multiethnisch geprägten Region zu erfahren. Also gewissermaßen ein Memento. Die Vergangenheit wollen wir jedoch mit Gegenwart und Zukunft verknüpfen und einen Ort schaffen, der offen für Begegnungen zwischen Ethnien, Konfessionen und Generationen ist: als schönen Raum für kulturelle Veranstaltungen wie Lesungen, Chor- oder Jazzkonzerte.“

Spenden für ein grenzübergreifendes Sanierungsprojekt

Heute ist Malkotsch ein kleines Dorf mit rund 1000 Einwohnern, das der Gemeinde Nufăru angehört. Der Ort wurde 1843 von rund 20 bis 25 aus dem russischen Zarenreich ausgewanderten deutschen Familien gegründet. Es handelte sich hauptsächlich um Elsässer, aber auch um Aussiedler aus Baden und der Pfalz, die sich ursprünglich in Bessarabien und im Raum Odessa niedergelassen hatten. Auch ihre Anwesenheit in der Dobrudscha sollte historisch gesehen nicht lange dauern – nur rund 100 Jahre. Denn 1940, im Rahmen der von Nazi-Deutschland initiierten Aktion „Heim ins Reich“, verließen praktisch alle Dobrudschadeutschen (rund 15.000) ihre Heimat. Zurückgeblieben sind in Ortschaften wie Malkotsch, Atmatscha/Atmagea, Kataloi/Catalui, Kodschalak/Cogealac vor allem Friedhöfe mit Grabsteinen, auf denen deutsche Namen zu lesen sind. Und an manchen Orten die Ruinen ihrer einst das Ortsbild prägenden katholischen oder evangelischen Kirchen.

Die heute in Deutschland lebenden Dobrudschadeutschen sind seit einigen Jahren dem „Bessarabiendeutschen Verein“ beigetreten. Obwohl sie nun schon seit drei Generationen fern ihrer Heimat leben, liegt ihnen der Erhalt des Kulturerbes ihrer Vorfahren am Herzen. Dobrudscha-Besuche und das Errichten von Gedenktafeln in manchen Ortschaften zeugen davon. Obwohl ihre Zahl nicht groß ist und sich somit die Spenden der Nachkommen der Malkotscher und der anderen Dobrudschadeutschen wohl in Grenzen halten werden, ist eine „Arbeitsgruppe Malkotsch“ gegründet und eine Spendenaktion für die Rettung der Kirche gestartet worden (siehe www.dobrudscha.eu) Die aus diesem Umfeld stammende Spendensumme (Privatspenden) könnte sich, nach Einschätzung des Architekten Szaktilla, auf rund 5000 Euro belaufen.

Das wären rund fünf Prozent der in einer ersten Phase benötigten Summe. Von der Gemeinde Nufăru, zu der Malkotsch gehört, wurde bereits eine Summe in derselben Größenordnung zugesagt - während vom Kreisrat Tulcea eine Finanzierung von 10.000 Euro erhofft wird. Das ist nicht zuletzt auch dem Einsatz und der Lobbyarbeit eines Senators aus Tulcea, Octavian Motoc, zu verdanken. Die bisher größte Summe, 20.000 Euro, liegt bereits seitens des Erzbistums Bukarest der römisch-katholischen Kirche Rumäniens vor. Da die Kirche nicht auf der nationalen Liste der Kulturdenkmäler figuriert, kann leider kein Antrag auf eine Förderung seitens der EU gestellt werden. Szaktilla ist optimistisch, dass trotzdem die notwendigen Geldmittel zusammenkommen werden: „Wir streben eine Mischfinanzierung aus Privat- und Firmenspenden sowie Zuwendungen deutscher und rumänischer Institutionen an. Unserer Arbeitsgruppe obliegt die volle Kontrolle über das Nutzungskonzept, sämtliche Vorarbeiten und Bauleistungen – ein großer Vorteil gegenüber EU-Projekten und Voraussetzung für kostensparende Umsetzung. Ferner strecken wir das Vorhaben durch Einteilung in drei jährliche, thematisch abgeschlossene Bauphasen von 2017 bis 2019. Vorzeigbare Ergebnisse in der ersten Bauphase sind eine gute Voraussetzung für die Finanzierung der beiden folgenden.“

Die Geschichte einer Kirche

Errichtet wurde die Kirche um das Jahr 1870. Im Bericht ist folgende Baubeschreibung zu lesen: „Es handelt sich um eine allseitig verputzte Saalkirche mit westlich vorgestelltem Glockenturm. Der Chor mit halbkreisförmiger Apsis ist durch einen Triumphbogen vom Saal abgesetzt und hat beidseitig Funktionsräume. Der Saal ist holzgedeckt, große Vouten vermitteln zwischen den Längswänden und der an der Dachkonstruktion befestigten Flachdecke.“ Im Laufe der Jahre gab es mehrere Zwischenfälle, die ihre Spuren an der Kirche hinterlassen haben. Besonders schwerwiegend waren jene, die dem Ersten Weltkrieg zu verdanken sind, als die Frontlinie nicht fern an Malkotsch vorbeiführte. In einer Schilderung von Paul Träger aus der Zwischenkriegszeit heißt es: „Die steinerne Kirche mit langem Schiff und hohem schlankem Turm, in etwas höherer Lage, ist in diesem Kriege durch Beschießung bös zugerichtet worden. Drei Treffer haben die Mauern und das Dach durchschlagen, und das Innere ist verwüstet. Ein Teil der gewölbten Decke mit dem Leuchter ist abgestürzt, und die Altäre sind umgeworfen.“

Nach 1941, nach der Umsiedlung der Deutschen, wurde die Kirche von der geschrumpften katholischen Kirchengemeinde zwar weiterhin genutzt, konnte aber nicht mehr entsprechend gepflegt werden, selbst wenn noch manche Reparaturarbeiten seitens der Malkotscher in Rumänien, aber auch der ausgewanderten, vorgenommen wurden. Irgendwann vor 2007 wurde auf die Nutzung der Kirche verzichtet. Im März jenes Jahres gab es starke Regenfälle, die auch einen teilweisen Einsturz des Kirchdaches zur Folge hatten. Heute bietet sich ein trauriges Bild, wie dem bereits zitierten Bericht zu entnehmen ist: „Derzeit ist die Kirche nicht mehr nutzbar. Der Turm ist aufgrund seines weitgehend erhaltenen Dachs der am besten erhaltene Teil. Die Längswände des Saals sind jedoch ungeschützt Frost, Schnee und Regen ausgesetzt. Risse im Mauerwerk deuten auf Bewegungen in Wänden und Fundamenten hin. Chor und Apsis stehen vollständig, doch ist das noch vorhandene Dach marode und droht herabzustürzen. Die Orgelempore ist nur noch zur Hälfte erhalten, die Aufgangstreppe verschwunden.“

Welches sind die dringendsten Baumaßnahmen, die ab April getroffen werden? Architekt Szaktilla erklärt: „Das Bauvorhaben findet in drei Etappen statt: Im Jahr 2017 wird die Kirche von Schutt befreit und die tragende Struktur statisch gesichert. Auch muss das Bauwerk gemäß rumänischer Vorschriften gegen Erdbeben gesichert werden. Da der Baugrund schlecht ist und die Mauerziegel nicht von allerbester Qualität, ist hier leider ein gewisser Aufwand erforderlich. Dafür eine die historische Bausubstanz schonende Lösung zu finden, ist nicht einfach. Die zweite Etappe 2018 sieht vor, das eingestürzte Kirchendach vollständig wieder aufzubauen. Abschließend soll 2019 der Innenraum fertig gestellt und möbliert, die Ausstellung eingerichtet und der Kirchhof verschönert werden. In einem Nebengebäude werden Sanitärräume Platz finden. Das Besondere an unserem Konzept der ‘Offenen Kirche‘ ist nun, dass, sollten die Mittel für eine vollständige Herrichtung nicht reichen, der Kirchensaal nach erfolgter Konsolidierung auch ohne Dach – also ‚offen‘ – genutzt werden kann.“

Mehrere Arbeitstreffen in Deutschland und Malkotsch und Projektvorstellungen - z.B. bei einem den Dobrudschadeutschen gewidmeten Seminar der Akademie Mitteleuropa auf dem Heiligenhof in Bad Kissingen, Aufmessungen und Untersuchungen vor Ort, eine beharrliche Öffentlichkeitsarbeit sowohl in rumänischen Medien als auch in Sozialnetzwerken, sowie ein für 2017 geplantes Workcamp sind Zeichen, dass die Kirche in Malkotsch nicht in Vergessenheit gerät, dass die Nachkommen der Dobrudschadeutschen dort bald einen Erinnerungsort vorfinden könnten, gleichzeitig auch eine Begegnungsstätte mit der rumänischen Mehrheitsbevölkerung, oder den anderen in diesem Landesteil lebenden Ethnien, sowie mit den zahlreichen Donaudelta-Touristen, die diese kleine Ortschaft touristisch aufwerten.