„Die Poesie ist eine sehr stille, höchst subjektive Angelegenheit“

ADZ-Gespräch mit dem Banater Autor Balthasar Waitz

Foto: Zoltán Pázmány

Für seinen Band „mit schwalben am hut“ ist der Banater Autor und ADZ-Redakteur Balthasar Waitz mit dem Sonderpreis der Jury ausgezeichnet worden. Die Preise für die besten Bücher des Jahres 2014 wurden im Dezember 2015 von der Temeswarer Zweigstelle des Rumänischen Schriftstellerverbands verliehen. Über seinen Gedichtband wie auch über Literatur im Allgemeinen unterhielt sich Raluca Nelepcu mit dem aus Nitzkydorf/Niţchidorf stammenden Schriftsteller.

Bei der Festveranstaltung zur Verleihung der literarischen Preise für die besten Bücher des Jahres 2014 wurde Ihr Gedichtband „mit schwalben am hut“ ausgezeichnet. Mit welchen Gefühlen haben Sie diesen Preis entgegengenommen?

Ehrlich? Es war schon eine Überraschung. Eine schöne, selbstverständlich. Ich bin auch meinen Schriftstellerkollegen aus der Jury dankbar. Der Band „mit schwalben am hut“ ist mein erster Lyrikband. Nach getaner Arbeit tut fast jede Anerkennung gut. Umso mehr, wenn es sich um die Arbeit an einem Lyrikband, um die Beschäftigung mit der Poesie handelt. Die Poesie ist ja eigentlich eine sehr stille, höchst subjektive und ohnmächtige Angelegenheit. Von den literarischen  Gattungen kann sie wohl das Geringste bewirken und beeinflussen.

Viele Schriftsteller machen ihr Debüt mit Gedichten und gehen dann zur Prosa über – Kurzprosa, Romane. Bei Ihnen war das umgekehrt. Wieso?

Ich muss gestehen, dass ich schon als Schüler und Student der Germanistik nicht nur Prosa, sondern auch Gedichte geschrieben habe. Meine Gedichte habe ich jedoch lange Zeit gar nicht ernst genommen. Meine späte Beschäftigung mit der Poesie, das Schreiben von Gedichten, nach einigen Prosabänden, könnte man, ironisch, als eine Alterserscheinung betrachten. Im Alter wird man reflexiver, man spürt, dass einem die Zeit durch die Finger rinnt, die kleinsten Dinge werden wichtig.

Wie ist der Band „mit schwalben am hut“ entstanden?

Der Lyrikband ist nach und nach, von Gedicht zu Gedicht, in einer sehr reflexiven Etappe des Schriftstellers Balthasar Waitz entstanden. Ich bin schon sehr lange Zeit auf dieser Welt, und ich schreibe auch schon seit Jahrzehnten. Der Band ist also folgerichtig in einer bestimmten Lebensetappe entstanden. Ich bin eben zu einer wichtigen Schlussfolgerung gelangt.

Wann haben Sie überhaupt Ihr erstes Gedicht geschrieben? Können Sie sich noch daran erinnern?

Mein erstes Gedicht? Das ist lange her. Irgendwann, als ich Schüler im Reschitzaer deutschen Lyzeum war. Ich habe es für mich geschrieben. Und habe es auch keinem gezeigt. Einige Tage später war dieses Ding dann nur eine große Enttäuschung. Ich habe das Blatt zerrissen.

Wann haben Sie gewusst, dass Sie Schriftsteller werden wollen?

Das Schreiben kam bei mir, wie bei allen anderen Schriftstellern, mit der ersten ernsthaften Lektüre. Es war die moderne deutsche Gegenwartsliteratur, aber auch die große Weltliteratur, von Tschechow bis Hemingway. Wichtig ist, dass man einen eigenen Stil entwickelt, dass man seine Grundthemen findet. Bei mir hat es sehr lange gedauert, bis ich darauf gekommen bin, dass ich über das Banater Dorfleben, über das mir Eigene und Nächste schreiben muss und das auch kann. So versuchte ich mich in vielen Sachen, ich vermied lange Zeit auf unsinnige Weise ganz einfach die Dorfthematik. Erst spät kam ich dann zu dem Schluss, dass das mein eigentliches Thema ist. Wie in meinem Prosaband „Krähensommer“ (2011) so auch in meinem Lyrikband „mit schwalben am hut“.

Was inspiriert Sie?

Das ist schwer nachzuvollziehen und auch zu sagen. Es sind gewisse Gedanken, gewisse Gefühle, die einen beschleichen, die stark und selbstständig werden wollen. Das im Fall der Gedichte. Mit der Prosa ist das schon etwas verschieden. Es kann ein einziger Gedanke, ein einziger starker Satz sein. Es ist in der Prosa aber meistens ein Thema, das einen sehr beschäftigt und einfach nicht loslässt.

Das Buch „mit schwalben am hut“ ist in drei Teile eingeteilt. Was haben die Gedichte aus diesen drei Teilen jeweils gemeinsam?

Ich habe den Band in drei Kapitel geteilt. Das erste enthält Gedichte, die sich sozusagen mit den allzu menschlichen Gefühlen, also auch der Liebe, beschäftigen. Der zweite Teil enthält die Gedichte zum Leben im banatschwäbischen Dorf, meiner Beziehung zu dieser Matrix meines eigenen Daseins. Der dritte Teil enthält Gedichte, die aus schönen Augenblicken, Eindrücken hier und jetzt, da und dort entstanden sind. Ein Grundzug ist wohl die Liebe im Allgemeinen, mit einem wachsamen Auge von außen beäugt.

Wie kann man gute Literatur von schlechter Literatur unterscheiden?

Der berühmte Hollywood-Filmregisseur Orson Welles hat das einmal sehr treffend für jede Kunst gesagt: Was zählt, ist allein die Poesie. Und das gilt für alle Kunst- und Literaturgattungen. In der Literatur: Wenn das Stück Literatur nicht in einer poetischen Sprache gehalten ist, die nicht nur das Denken anregt, sondern auch starke Gefühle hervorruft, so ist das schlechte Literatur. Vieles in der heute veröffentlichten Literatur, die auch kommerziell ist, gehört dazu. Es ist nur Ware. Und die soll vor allem Geld einbringen.

Welche Pläne haben Sie für das Jahr 2016 – worauf können sich die Leser freuen?

Ich kann gar keine Pläne für dieses Jahr machen. Ich stecke in einem neuen Buch, einem Roman. „Das rote Akkordeon“. Es ist ein Roman über die gleiche Dorfwelt aus meinem Band „Krähensommer“. Dieses Thema ist noch längst nicht ausgeschrieben. Ich möchte es in diesem Roman vertiefen. Der Band muss im Frühjahr fertig sein.