Die reichen „Staatsgäste“ in Rumäniens Gefängnissen

Verschuldete Gerichtspräsidenten und reiche „Justizopfer“ auf dem Weg zum Märtyrertum

Symbolfoto: sxc.hu

Zu den bestbezahlten Staatsangestellten Rumäniens zählen die Beamten aus dem Justizsystem, Staatsanwälte und Richter. Sie haben nicht nur die höchsten Löhne und eigene Kranken- und Altersversicherungen (wobei ein großer Teil der monatlichen Beiträge durch den Staat übernommen wird), sondern kassieren auch die höchsten Renten. Im Banater Bergland beispielsweise streichen die bei der Rentenkasse registrierten Richter und ehemaligen Staatsanwälte die 20 höchsten Monatsrenten des Banater Berglands ein, viele über 10.000 Lei, zwölf- bis dreizehnmal so viel, wie der staatlich garantierte Mindestlohn eines Schaffenden. Ein rumänisches Sprichwort sagt aber: „Wer viel verdient, hat auch hohe Schulden“. Das bestätigt sich, wenn man die Einkommenserklärungen der Gerichtspräsident(innen)en der 41 Verwaltungskreise und des Munizipiums Bukarest anschaut.

Promileben auf Pump

32 von ihnen haben Schulden, die zum Teil sehr hoch sind und insgesamt knapp 2,5 Millionen Euro ausmachen. Acht von ihnen haben über 100.000 Euro Schulden/Kredite abzuzahlen, wobei Mona Lisa Neagoe vom Munizipalgericht Bukarest mit großem Vorsprung an der Spitze liegt: 412.240 Euro. „Abgeschlagen“ folgen Carmen Preoteasa aus Dolj/Craiova mit 145.750 Euro, Narcis Violin Stoica (Jassy/Iaşi) mit 125.533 Euro, Carmen Daniela Andrei (Tulcea, 121.438 Euro), Adrian Toporaşcu (Botoşani, 120.000 Euro), Laura Elena Filioreanu (Neamţ/Piatra Neamţ, 109.136 Euro), Eduard Smîntînă (Temesch/Temeswar, 105.699 Euro) und Sonia Deaconescu (Mureş/Târgu Mureş, 100.000 Euro).
Die folgende 23-köpfige Gruppe der Gerichtspräsident(innen)en hat deklarierte Schulden zwischen 14.000 Euro (Maria Munteanu, Bacău) und 93.010 Euro (Constantin Manoliu, Bihor/Großwardein), Nr. 32 unter den Schuldnern und Schuldnerinnen ist Alina Nicoleta Mioc aus Kronstadt/Braşov (7952 Euro, die Einzige unter 10.000 Euro).
Schuldenfrei sind laut eigenen Angaben neun Gerichtspräsidenten: Vasile Moraru (Călăraşi), Florin Encescu (Gorj), Vasile Cosac Cărbune (Konstanza/Constanţa), Nicolae Marian (Bistritz-Nassod/Bistriţa Năsăud), Daniel Iulian Tiliciu (Hunedoara), Traian Bucalău (Brăila), Gheorghe Tomescu (Argeş), Petru Rustin Ciasc (Karasch-Severin/Caraş-Severin) und Mihai Pop Cerneanu (Marmarosch/Maramureş).

Reiche und prominente Häftlinge

Einen pikanten Kontrast zu den Präsidenten der Kreisgerichte, die Schulden haben, stellen die in den letzten Jahren zu Gefängnisstrafen Verurteilten dar, die zu den reichsten und prominentesten Bürgern Rumäniens zählen, angeführt von dem sich selber als „Geschäftsmann, Jurist und Politiker“ bezeichnenden nationalen Medienclown und selbsternannten Milliardär Gheorghe „Gigi” Becali. Die Liste dieser „Staatsgäste“ im gestreiften Leinenanzug umfasst(e) unter anderem Ex-Premier Adrian Năstase, den Geschäftsmann, Ex-TV-Sender-Besitzer und Strippenzieher Sorin Ovidiu Vântu, den Ex-Senator Cătălin Voicu, den Geschäftsmann Marius Locic, den Geschäftsmann und Ex-Abgeordneten Nati Meir, den Ex-Milizmann, Geschäftsmann und bekennenden Ceauşescu-Nostalgiker Dinel Staicu, die Ex-Minister Decebal Traian Remeş und Ioan Avram Mureşan, die ehemalige Richterin Maria David, den Ex-Staatsanwalt Maximilian Bălăşescu, Mihai Toader, den Ex-Direktor der Poşta Română, den Ex-Staatssekretär und Ex-Direktor des Braunkohlenkraftwerks Turceni, Ionel Manţog – und immer mehr andere.

Die häufigsten Anklagepunkte, in denen sie für schuldig befunden wurden, sind Einflussnahme, Einflussnahmevermittlung und Erpressung, Steuerhinterziehung, Geldwäsche, Schmiergeldüberreichung und -annahme, Komplizenschaft bei diesen Gesetzesbrüchen, Übertretung der Dienstbefugnisse in verbrecherischer Absicht. Ihre Gefängnisstrafen liegen zwischen einem und sieben Jahren. Es handelt sich um eine insgesamt 28-köpfige Gruppe, die die Fälle verursacht hat, welche die Medien am meisten beschäftigten. Alle zusammen sind zu Gefängnisstrafen von 135 Jahren und sechs Monaten verurteilt worden, also zu durchschnittlich etwa fünf Jahren Gefängnis pro Kopf.

Schafhirt, Geschäftsmann, Politiker

Das larmoyanteste Beispiel eines jüngst zu einer längeren Gefängnisstrafe Verurteilten ist Gigi Becali, von dem sogar Premierminister Victor Ponta in aller Medienöffentlichkeit sagte, dass es ihm um ihn leid tue. Den peinlichen Fehltritt des PNL-Vorsitzenden Crin Antonescu, der Becali kurz vor den Parlamentswahlen im Dezember 2012 (und als die strafrechtlichen Untersuchungen gegen Becali in vollem Gang waren) in die Partei holte und prompt zum PNL-Abgeordneten machte, erwähnt kaum noch jemand, obwohl dieser politisch der folgenschwerste war.
Hingegen sorgt sich die Öffentlichkeit darum, dass nun niemand mehr mit Kompetenz Becalis Vermögen verwalten kann, dass keiner mehr in spektakulären Gesten seinen direkten Draht zum lieben Herrgott kundtut, indem er leichthändig Bargeld unter Bukarester Bittstellern verteilt (und angeblich Klöster auf dem Berg Athos mit Millionen von Euros beschenkt) oder auch, dass der Fußball-Landesmeister Steaua Bukarest nun ohne seinen dauernd grobianisch herumlärmenden, auf seinem Maybach veitstanzenden und jedes Gesetz und jede Regel ignorierenden Clubbesitzer auskommen muss.

Auf was es ankommt

Interessant ist, mal eine Zusammenfassung der Berichterstattung über den gegenwärtig prominentesten Gefängnisinsassen Rumäniens zu erstellen, der auf die nationalen Tränendrüse drückt und sich auf geradem Medienweg zum Märtyrerdasein befindet. Da wird in erster Linie der Großzügige bedauert, der Mensch mit dem guten Herzen, der es nicht verdient hat, eingelocht zu werden. Über die Tatsache, dass dieser Gutmensch in gewissem Maß ein Trickbetrüger ist, der den Staat um Millionen Euro über’s Ohr gehauen hat: kein Wort! Auch nichts Grundsätzliches darüber, wie der Schafzüchter überhaupt zu dem Geld gekommen ist, das er so großzügig um sich zu schmeißen versteht.

In zweiter Linie kommt in den Medien die tief verwurzelte Mentalitätssache mit der Ziege des Nachbarn auf (Kurzfassung: „Auch die Ziege des Nachbarn soll krepieren, wenn meine zugrundegegangen ist!“): Unseren Becali lochen sie ein, aber was geschieht mit den vielen anderen, die Milliarden stehlen? Unser Becali hat doch bloß einen völlig legalen Grundstückstausch mit der Armee vorgenommen. Der Umkehrschluss lautet in etwa: Wenn wir in diesem Land nicht imstande sind, alle Betrügereien Rumäniens mit Gefängnisstrafen zu ahnden, dann sollten wir beispielhafte Einzelfälle wie den von Becali lieber gleich bleiben lassen. Sie wirken nicht abschreckend, sondern aufhetzend gegen die Justiz, wie Racheakte gegen Einzelne. Drittens, das tränenreiche Mitleid mit Becali wegen der Leiden, die er nun drei Jahre lang im Gefängnis erdulden muss, dieser seelengute Mensch. Und seine Familie mit, denn er ist ja so ein guter Familienmensch. Ziel dieser Einflussnahme auf die öffentliche Meinung ist die Aufweichung der Autoritäten, welche die Macht hätten, über die Justiz hinweg Becali zu befreien. In erster Linie Präsident Băsescu durch einen Gnadenakt.

Was haben wir von der Verurteilung des Gutmenschen Becali zu einer Gefängnisstrafe? Diese nächste Frage, die immer wieder direkt oder indirekt in der rumänischen Medienberichterstattung auftaucht, geht von der Annahme aus, dass der reich gewordene Herr der Schafe, Gigi Becali, der alle Abende über die Bildschirme der fernsehverrückten Bürger Rumäniens als Sprücheklopfer geisterte, tatsächlich einen Einfluss auf die Zuschauer ausgeübt hat. Die unpopuläre Antwort wäre: Viele solche Becali-Verurteilungen stärken das Vertrauen in die Justiz. Und Gerichtsurteile können Mentalitäten mit der Zeit ändern.

Das Manele-Denken vom Feind

Seine Feinde haben ihn ins Gefängnis gebracht, in erster Linie Präsident Traian Băsescu. Diese Behauptung kommt häufig direkt oder indirekt vor und hat etwas mit der Manele-Mentalität der letzten Jahrzehnte zu tun. Diese populären Lieder orientalischen Klangs sind voller Feinde und Hassende, die den Gutmenschen das Schlimmste antun. Grundsätzlich würde die Kommunikationswissenschaft vom klassischen Ablenkungsmanöver sprechen, von Manipulation der öffentlichen Meinung: Nicht wegen einer realen Schuld ist der Gutmensch eingelocht worden, sondern weil seine Feinde – gegen die der „Krieger des Lichts“ (Selbstdefinition Becali) immer wieder ankämpfte – ihn zu Fall gebracht haben. So ist die einzige Stütze der Multimillionärsfamilie in die Situation geraten, um seine Freiheit bei seinen Feinden betteln zu müssen, weil sonst seine Familie zugrundegeht.

Becali, der Gesetzesbrecher, hat nun einen großen Verdruss, heißt es weiter in den Medien. Alle, auch die Medien, mögen hoffen, dass er ihn gut übersteht und gestärkt daraus hervorgeht. Suggeriert wird, dass die Strafe ungerechtfertigt ist, die er bekam, dass die Tat so schlimm nicht war, dass er nur Mut und Ausdauer haben soll – der Herrgott ist eh an seiner Seite und die göttliche Gerechtigkeit auch! – und alles wird wieder gut. Wir stehen zu ihm! Denn sich über das Unglück anderer zu freuen, das ist böse. Nicht christlich und nicht gottgefällig (Unglück ist das ungerechte Urteil, die Rache der Feinde). Niemand kann wissen, wann einen selber ein ähnlicher Schlag trifft, wann einem selber ähnliches Unglück zuteil wird, nicht wahr? Davor ist niemand gefeit.

Alles in allem sind die Medien in Rumänien auf dem besten Weg, aus dem „Justizopfer“ Gigi Becali den Märtyrer Rumäniens zu zimmern. Jedes Detail wird erjagt und jeder Rülpser des in Rahova Eingesperrten wird als neueste Offenbarung des prominenten Justizopfers und weichherzig-großzügigen Gutmenschen von den vor den Gefängnistoren lauernden „Journalisten“ bekannt gemacht. Gegenwärtig ist den medialen Vorgängen noch keine Absicht zu unterstellen – es sei denn, es stellt sich irgendwann heraus, dass die Medien, die sich besonders hervortun, vom Objekt ihrer Berichterstattung gekauft sind.